Widerspruch - DIE LINKE. Kreisverband Oder-Spree
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liegt, wo es einen „verordneten Antifaschismus“<br />
gab.<br />
Ich bin ein Zeuge und Opfer solcher Verordnungen:<br />
Mir wurde gleich in der Berufsschule<br />
die Verordnung des Potsdamer<br />
Abkommens der Alliierten auf den Tisch<br />
gelegt, wo alle Naziorganisationen verboten<br />
wurden. Mir wurde als erster DEFA-Film<br />
„Die Mörder sind unter uns“ gezeigt. Mir<br />
wurde beim Studium in Weimar nicht nur<br />
das Goethehaus, sondern auch das Krematorium<br />
von Buchenwald gezeigt. Ein gutes<br />
Dutzend meiner Lehrer waren ehemalige<br />
Verfolgte des Naziregimes. Die erklärten mir,<br />
wie Hitler die Arbeitslosigkeit überwand.<br />
Die zeigten mir die Dokumente, wer seinen<br />
Aufstieg bezahlt hatte. Die berichteten, wie<br />
das braune Unkraut in den Köpfen wuchs<br />
und dann ganz Europa erstickte. Die drückten<br />
mir neue Bücher in die Hand. Anna Seghers<br />
Roman „Das siebte Kreuz“ stand neben<br />
Apitz’ „Nackt unter Wölfen“ und Weißkopfs<br />
„Abschied vom Frieden“. Und das in Millionen<br />
ostdeutschen Bücherschränken. Aber<br />
die Freiheit, Landserhefte und Hitlers „Mein<br />
Kampf“ zu kaufen, hatten wir nicht. Wer ein<br />
Hakenkreuz an die Wand schmierte, löste<br />
eine Großfahndung aus.<br />
Währenddessen wurde jenseits der Elbe<br />
Kaugummi gemampft, geackert, gebaut, das<br />
Wirtschaftswunder gefeiert, Heimat- und<br />
Lustspielfilme gedreht und 20 Jahre gewartet,<br />
bis die Naziverbrechen verjährt waren.<br />
Wer hatte das verordnet? Heute machen die<br />
Braunen Politik in vielen deutschen Dörfern,<br />
Städten und Parlamenten.<br />
War der Nazismus nur eine epidemische<br />
Geisteskrankheit oder war er eine vom Monopolkapital<br />
geförderte Herrschaftsform?<br />
Haben die Braunen ihre Stammtische und<br />
Schreibtische in sieben Jahrzehnten je verlassen?<br />
Sind das nur die Altnazis, die jedes Jahr<br />
nach Berchtesgaden wandern? Wer hat die<br />
Jungnazis infiziert, die Hitlers Stellvertreter<br />
Hess verehren, den sie nie gesehen haben?<br />
Was haben sie über die Juden gehört, deren<br />
Gräber sie demolieren? Wie viele Eltern,<br />
Lehrer, Ausbilder, Kollegen, Zeitungsschreiber,<br />
Filmemacher, Vorgesetzte waren daran<br />
beteiligt? Was trieb Kanzler Kohl auf den<br />
SS-Friedhof nach Bittburg? Warum steht die<br />
Bundeswehr Spalier bei der Heldenverehrung<br />
der Nazi-Wehrmacht? Wer hat die neuen<br />
Kasernen nach Hitlers Ritterkreuzträgern<br />
benannt? Waren das die Sachsen oder die<br />
Bayern, die Leute in Frankfurt an der <strong>Oder</strong><br />
oder in Frankfurt am Main?<br />
Was wäre den 50 Millionen in- und ausländischen<br />
Opfern der Nazidiktatur nach<br />
dem Krieg lieber gewesen: ein verordneter<br />
Antifaschismus oder der geduldete und gehätschelte<br />
Neofaschismus? Natürlich hätten<br />
wir uns mehr Differenzierung, mehr Einfallsreichtum,<br />
mehr Tiefenwirkung bei der<br />
Aufklärung gewünscht. Aber so langwierig<br />
die materielle Enttrümmerung der DDR<br />
war, so pflichtbewusst war gleichzeitig die<br />
geistige Enttrümmerung der Nazi-Erbschaft.<br />
Der Neofaschismus ist daher kein Exportgut<br />
der Ex-DDR.<br />
Vor 25 Jahren kam im Auftrag des Bonner<br />
Kanzleramtes die Heidelberger Sinus-Studie<br />
auf den Tisch, die den Einfluss des Rechtsextremismus<br />
in Westdeutschland ergründen<br />
sollte. Fazit: Fünf Millionen Bundesbürger<br />
warteten wieder auf einen „Führer“. 13 Prozent<br />
hatten ein „geschlossenes rechtsextremistisches<br />
Weltbild“. 28 Prozent hielten Arbeitslager<br />
für „nützlich“. 39 Prozent waren<br />
für die „Reinhaltung der Rasse“.<br />
Damals gab es keine Massenarbeitslosigkeit<br />
und keine sächsische NPD-Fraktion.<br />
Was ist sonderbarer: Dass die Verfassungsrichter<br />
2003 in Karlsruhe keine Handhabe<br />
für das Verbot der NPD fanden, oder dass<br />
sie bei deren Zulassung vor Jahrzehnten keine<br />
Einwände hatten? Die Richter können es<br />
sich leicht machen und antworten: Wo kein<br />
Kläger, da kein Richter! Aber wenn sich unter<br />
60 Millionen Bundesbürgern kein Kläger<br />
fand, ist das nicht viel schlimmer? Beim Verbot<br />
der KPD ging es doch ratz-fatz.<br />
Wenn die Arbeitslosigkeit der Hauptgrund<br />
für den Vormarsch der Rechtsextremisten ist<br />
– wer oder was hat ihnen dann vor Jahren<br />
bei Vollbeschäftigung in Baden-Württemberg<br />
zum Sieg verholfen? War das Hitlers<br />
Blutrichter Filbinger als Regierungschef des<br />
Musterländles oder eine Gruppe Skinheads<br />
aus der DDR?<br />
Als die rechtsradikale DVU 1992 in Schleswig-Holstein<br />
siegte, lag das mehr an Kanzler<br />
Kohl oder an Nichtkanzler Schröder?<br />
Fragen über Fragen, doch meist nur zweierlei<br />
Antworten: Der Osten hat den „Braunen<br />
Peter“! <strong>Oder</strong>: Die Krise gibt den Braunen<br />
Auftrieb! Dabei kommt der Rückenwind für<br />
die Nazis hinter jeder Ecke hervor: Aus dem<br />
„ergreifenden“ Film von Hitlers Sekretärin,<br />
die „von allem nichts gewusst“ hat. Aus<br />
dem Buch der Tochter von Hitlers engstem<br />
Freund Speer, die ihren Pappi nie in Uniform<br />
gesehen hat. Da gibt es die rührigen<br />
<strong>Widerspruch</strong> 3/2005 27<br />
Fernseh-Dokumentationen über Hitler als<br />
Privatmann mit Hund. Da ertönt in jedem<br />
neuen Stadion die alte Hymne. Da macht<br />
der Kanzler das „Wir-sind-wieder-wer!“ zur<br />
Staatsdoktrin. Da fordert die Union noch<br />
mehr Patriotismus. Vom Patriotismus zum<br />
Nationalismus ist es ein kleiner Schritt. Wer<br />
Wind sät, wird Sturm ernten! Besser, wir<br />
treffen uns am 8. Mai mit 100 000 Aufrechten<br />
zum Spaziergang rund um das Brandenburger<br />
Tor, ehe der Durchmarsch der Rechten<br />
beginnt.<br />
aus „DISPUT“, 2/2005<br />
Besuch bei unserem Patenkind Fatma in Kairo<br />
Durch eine kleine Broschüre wurden wir auf<br />
die Organisation „Plan“ aufmerksam. Wir<br />
entschlossen uns, eine Patenschaft für ein<br />
Mädchen in Kairo zu übernehmen. Diese<br />
Patenschaft existiert seit September 2003.<br />
Für uns war von Anfang an klar, dass diese<br />
Patenschaft nicht nur durch Geldüberweisungen<br />
und Briefe leben soll.<br />
Wir planten einen einwöchigen Aufenthalt<br />
in Kairo und wollten diesen Urlaub mit<br />
dem Besuch unseres Patenkindes verbinden.<br />
Über den Hauptsitz von „Plan“ in Hamburg<br />
erfolgten Anmeldung und Terminabsprache.<br />
Das klappte per E-Mail kurzfristig.<br />
In Kairo angekommen musste der Termin<br />
telefonisch noch einmal bestätigt werden.<br />
Das war gar nicht so einfach, da unser Englisch<br />
nicht perfekt ist und die freundlichen<br />
Mitarbeiter an der Rezeption unseres Hotels<br />
kein deutsch konnten. Mit ihrer Hilfe konnte<br />
die Absprache erfolgen. Als Treff wurde der<br />
24. Januar um 10 Uhr an der Rezeption ausgemacht.<br />
Wir waren etwas angespannt und<br />
hofften, dass alles, so wie verabredet, klappt.<br />
Bereits um 9.45 Uhr betraten zwei Mitarbeiter<br />
von „Plan“ das Hotel und sprachen uns<br />
an. Freudig erregt stiegen wir mit unserer<br />
„Geschenketasche“ und einem Wörterbuch<br />
unter dem Arm in das Auto. Zunächst ging es<br />
zum „Plan-Büro“. Nach einem freundlichen<br />
Empfang wurden wir über die Projektarbeit<br />
vor Ort informiert. Die Palette ist breit. Sie<br />
reicht von der Organisation von Meetings<br />
für Frauen, über Vorsorgeuntersuchungen<br />
bei Kindern, Instandhaltung der Schule bis<br />
hin zur Installation von Abwasseranlagen.<br />
Anschließend fahren wir nach El Basateen,<br />
zu Fatma und ihrer Familie. Dieses Gebiet im<br />
Süden von Kairo sieht zumindest für unsere<br />
Augen trostlos aus. Es gibt keinerlei Pflanzen,<br />
nur eine Straße, staubige Wege und die<br />
Wohnhäuser aus Lehmziegeln. Zum Schutz<br />
vor der Hitze im langen Sommer gibt es keine<br />
Fenster. Vor den Häusern spielten Kinder.<br />
Sie begrüßen uns lauthals mit „Hallo!“.<br />
Im Haus wurden wir zunächst in die wahrscheinlich<br />
beste Stube geführt. Die karge<br />
Einrichtung bestand aus zwei sich gegenüberstehenden<br />
Liegen, einer Kommode und<br />
einem Schrank. Auf der Kommode entdeckten<br />
wir den Teddy und die Puppe, die wir<br />
unserem Patenkind schon vor längerer Zeit<br />
geschickt hatten. Leider sah dieses Spielzeug<br />
völlig unberührt aus. Es hatte wohl einen<br />
Ehrenplatz, wurde aber offensichtlich nicht<br />
benutzt. Nach einer kurzen Wartezeit betrat<br />
Fatma, unser Patenkind, schüchtern das Zimmer.<br />
Hinter ihr kamen Dina, Fatmas kleine<br />
Schwester, und ihre Mutter. Wir übergaben<br />
unsere Gastgeschenke und hofften, dass wir