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MUSIKBUSINESS 29<br />
oder fremden Veranstaltern an die GEMA entrichteten<br />
Konzertlizenzen verzichten mussten.<br />
Das damalige Pro-Verfahren führte in kleineren<br />
und Kleinst-Konzertbereichen (mit Lizenzzah lun -<br />
gen zwischen 21,50 und 350 Euro) zum anderen<br />
dazu, dass die dort Eigenkomposi tio nen spielenden<br />
Bands und Interpreten eine mehr fache Multi -<br />
plizierung ihrer Einnahmen dann er warten konnten,<br />
wenn sie ihre Konzerte in einer größeren<br />
Anzahl von Bezirksdirektionen durch führten. Im<br />
Exzess führte das Pro-Verfah ren dann für all diejenigen<br />
„Selbstauf führer“ jeweils dazu, dass<br />
dann, wenn die Bands oder Interpre ten regelmäßig<br />
in zwölf Monaten eines Jahres in zwölf<br />
verschiedenen GEMA-Direktionen spielten, d.h.<br />
Konzerte aufführten, mit einem Höchstfaktor von<br />
bis zu 144 (MKZ-Zahl) rechnen durften.<br />
Wenn also ein früherer Gassenhauersong wie<br />
„Mamor, Stein und Eisen bricht“ von Christian<br />
Bruhn in zwölf Monaten eines Jahres jeweils einmal<br />
pro Monat bundesweit in je zwölf Bezirks -<br />
direktionen aufgeführt wurde, also insgesamt<br />
144-mal flächendeckend in ganz Deutschland,<br />
dann erhielt der Autor dieses Songs dafür eine<br />
extreme Multiplikation seiner ursprünglichen<br />
Tantiemen.<br />
Nun muss man wissen, dass in Hunderten<br />
Hotels, Hunderten Gastronomiebereichen, Hun -<br />
derten Kurkonzerten und Hunderten Schüt zen -<br />
festen etc. immer mal wieder altbekannte und<br />
äußerst einfach gestrickte Gassenhauer, die in<br />
der Regel nicht über drei Akkorde kommen, von<br />
Barpianisten, Einzelinterpreten, Terzetten, aber<br />
auch Tanzkapellen zur Belustigung der An we -<br />
sen den gespielt wurden und werden. Vor diesem<br />
Hintergrund kann sich jeder Leser vorstellen,<br />
was die dort gespielten Gassenhauer-Urheber,<br />
d. h. Komponisten und Texter, mithilfe des damals<br />
eingeführten „Pro“-Verfahrens bis 2<strong>01</strong>2 verdienten.<br />
Viele von ihnen wurden – falls sie es nicht<br />
schon waren – wahrscheinlich aufgrund des ab -<br />
surden „Pro“-Verfahrens zu mehrfachen Millio nä -<br />
ren.<br />
Aber auch eine andere Klasse von Kleinst in ter -<br />
preten nutzte diese Chance, generalstabsmäßig<br />
durch flächendeckend geplante zwölfmonatige<br />
Auftritte im Jahr in zwölf verschiedenen Bezirks -<br />
direk tionen das Pro-Verfahren auszuhebeln, um<br />
am Jahresende z. T. 6-stellige Urheberrechtsein -<br />
nahmen seitens der GEMA zu kassieren.<br />
Die GEMA nannte dieses damals neue System<br />
euphemistisch und mit einer satirischen Verklä -<br />
rung „Pro“-Verfahren, oder schlimmer „Soli da ri -<br />
täts prinzip“. Solidaritätsprinzip wahrscheinlich<br />
deshalb, weil im Lizenzbereich zwischen 350 und<br />
750 Euro bis zu 90% der einbehaltenen Ver an -<br />
stalterlizenzen umverteilt wurden an die Kleinst-<br />
Geschäftsmodeller oder aber schlimmer an die<br />
GEMA-Millionäre, die mit den ab kas sierten Veran -<br />
staltungen gar nichts zu tun hatten. Irgendwoher<br />
musste das Geld ja kommen!<br />
In den Jahren 1999/2000 und 20<strong>01</strong> trommelte<br />
ich ca. 200 Unterstützer unter den ordentlichen<br />
und angeschlossenen/außerordentlichen GEMA-<br />
Mitgliedern zusammen und bat jeden einzelnen<br />
um eine Spende, um gegen das Pro-Verfahren<br />
gerichtlich vorgehen zu können.<br />
Endresultat nach drei Gerichtsinstanzen: Der<br />
Bundesgerichtshof bejahte auf der einen Seite<br />
die Zulässigkeit des „Pro“-Verfahrens, forderte<br />
aber auf der anderen Seite die GEMA und das<br />
Deutsche Patentamt unmissverständlich dazu<br />
auf, die unterlassene Mitgliederabs<strong>tim</strong>mung über<br />
das „Pro“-Verfahren „pflichtgemäß“ nachzuholen<br />
(Urteil 2005). BGH-Zitat: „Es ist jetzt Aufgabe des<br />
Deutschen Patentamtes, darauf zu achten, dass<br />
die GEMA als Verwertungsgesellschaft ihren<br />
demokratischen Pflichten aus dem §7 Urheber -<br />
rechts wahrneh mungsgesetz nachkommt und<br />
nach § 19 Abs. 1 Urheberrechtswahrnehmungsgesetz<br />
eine nachträgliche Mitgliederabs<strong>tim</strong>mung<br />
über das „Pro“-Verfahren durchzuführen hat.“ Und<br />
weiter: „Die Berechtigten (die Mitglieder der GEMA,<br />
d.R.) haben ein erhebliches Interesse daran, dass<br />
der Inhalt des Berechtigungsvertrages selbst hinsichtlich<br />
der Grundsätze, nach denen die Vertei -<br />
lung (die Urheberrechtstantiemen, d. R.) vorzunehmen<br />
ist, nicht einseitig nach dem Abschluss<br />
eines einzelnen Berechtigungsvertrages durch<br />
Verwaltungsentscheid (des GEMA-Vorstandes,<br />
d. R.) verändert werden kann.“<br />
Dieses Urteil führte in der Folge dazu, dass das<br />
Deutsche Patentamt (mit wahrscheinlicher Empfehlung<br />
der GEMA) einen Gutachter beauftragte,<br />
festzustellen, ob die GEMA dem Urteil des<br />
Bundes gerichtshofes Folge zu leisten habe.<br />
Dieser in der Vergangenheit des Öfteren für die<br />
GEMA tätige und „gut bezahlte“ Gutachter Prof.<br />
Dr. R. kam zu dem unerhörten Schluss, dass die<br />
GEMA und das Deutsche Patentamt in diesem Fall<br />
dem Urteil des höchsten deutschen Ge rich tes,<br />
dem Bundesgerichtshof, nicht Folge zu leisten<br />
hätten! (Vereinsautonomie der GEMA)<br />
So verweigerte die GEMA ab 2005 eine nachträgliche<br />
Mitgliederabs<strong>tim</strong>mung über das „Pro“-<br />
Verfahren! Einzig aus diesem Grund entschloss<br />
ich mich nach mehrfachen vergeblichen An trä -<br />
gen an den GEMA-Aufsichtsrat und -Vorstand,