Das Grundeinkommen - Werner Friedl
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Strategien, mit denen er sich stets an die Ausführung seiner Vorhaben machte. Und daher wunderte ich<br />
mich auch nicht über den gewissenhaft berechneten und methodisch sorgfältigen Plan, den er mir<br />
darlegte.<br />
„Ich möchte gern diese Idee des <strong>Grundeinkommen</strong>s auf sichere Füße stellen.“ sagte er. „<strong>Das</strong> heißt, ich<br />
habe mir mal ausgerechnet, was ich in meiner Situation brauchen würde, um einigermaßen abgesichert<br />
über die Runden zu kommen. Für die Miete zahle ich 330 Euro, die Nebenkosten betragen ungefähr 300,<br />
Krankenkasse und Rentenversicherung 450, Monatskarte, Zeitschriften, ein bisschen Kultur und sonstiger<br />
Kleinkram sagen wir 200, das ist großzügig, und zum Essen und Trinken vielleicht auch 200. <strong>Das</strong> wären<br />
also an die 1.500 Euro jeden Monat, davon könnte ich komfortabel leben. Und ich glaube, dass das auch<br />
für die meisten Menschen reichen würde, und wenn nicht, dann kann man ja noch etwas hinzuverdienen.<br />
Wenn nicht mehr alle Welt mit Arbeit versorgt werden muss, dann gibt es ja vielleicht wieder einen<br />
Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt.“<br />
Wir hatten solche und ähnliche Rechnungen schon früher angestellt, und es fiel mir nicht schwer, Arnes<br />
Gedankengängen zu folgen. Mit 1.500 Euro, so Arne, käme auch er zurecht für den Fall, dass seine<br />
literarischen Marketingversuche weiterhin so erfolglos wie bisher bleiben sollten. Er hätte dann auf jeden<br />
Fall eine abgesicherte Existenz und könnte vermutlich noch das eine oder andere nützliche Projekt<br />
unterstützen.<br />
„Dann muss es also jetzt nur noch mit dem Lottogewinn klappen“, meinte ich. „Wieviel soll’s denn<br />
werden?“ <strong>Das</strong> hätte er sich auch schon überlegt, sagte Arne. „Es hängt natürlich davon ab, wie alt ich<br />
werde, nicht wahr? <strong>Das</strong> muss irgendwie in die Bitte mit einfließen.“<br />
Ich muss ihn etwas verunsichert angeschaut haben, denn er beeilte sich, mir seine Überlegungen zu<br />
erklären. „Wenn ich 1.500 Euro im Monat haben möchte, und das Geld jetzt auf einmal in Form eines<br />
Lottogewinns bekommen soll, dann muss doch feststehen, für wie lange das Geld reichen soll.“<br />
„Und wer soll das festlegen? Ich meine, das geht doch zu weit, oder? Wenn dein Gewinn jetzt so und so<br />
hoch ist, und du teilst das durch 1.500, dann ...“ Ich unterbrach mich, mir war Arnes Gedankengang nicht<br />
geheuer. „Wie hast du dir denn das gedacht?“<br />
„Na, ist doch alles nur ein Versuch. Irgendwie muss ich doch auf eine bestimmte Summe kommen, und<br />
jetzt mache ich mir eben mal Gedanken darüber, wie alt ich werden will. <strong>Das</strong> ist doch eine prima<br />
Gelegenheit, nicht?“<br />
Er habe sich überlegt, was für ein Alter für ihn angemessen wäre und auch zu seinen ererbten Familiengegebenheiten<br />
passen würde, sagte Arne. Alle verstorbenen Mitglieder seiner Familie, seine Großeltern,<br />
seine Eltern, einige Onkels und Tanten seien zwischen fünfundsiebzig und neunzig Jahre alt geworden<br />
und ein derartiges Alter zu erreichen – irgendwo dazwischen – würde auch ihm gut anstehen, fände er.<br />
„So um die fünfunddreißig, vierzig Jahre will ich noch leben. Hm, das sollte ich vielleicht gleich mal<br />
genauer festmachen.“ Seine Sätze klangen jetzt eher wie ein Selbstgespräch. „Neunzig? Ich weiß nicht.<br />
Sagen wir neunundachtzig. Da kann man sich nicht beklagen, wenn man gesund bleibt. Dann bleiben mir<br />
also einundvierzig Jahre.“<br />
Arne stand auf, ging zu seinem Schreibtisch und holte einen Taschenrechner. „Einundvierzig Jahre sind<br />
492 Monate. Und wenn ich für jeden Monat von einem Einkommen von 1.500 Euro ausgehe, sind das,<br />
Moment ..., 738.000 Euro. <strong>Das</strong> ist eine Menge Kohle!“ Jetzt schaute er mich wieder an. Die Höhe der<br />
Summe schien ihn selber zu überraschen.<br />
„Na, das ist doch mindestens die Höhe, in der sich ordentliche Lottogewinne abspielen, oder? Eigentlich<br />
geht’s da doch erst los“, sagte ich. „Da brauchst du keine Skrupel zu haben.“ Ich fragte ihn, ob er bei<br />
einem Gewinn in einer solchen Höhe dann vielleicht auch etwas für gemeinnützige oder wohltätige<br />
Zwecke abzweigen wollte, das wäre doch angebracht.<br />
„Natürlich. Ich denke da an den zehnten Teil.“<br />
„Mindestens. Warum nicht mehr?“<br />
„Auch darüber hab ich mir Gedanken gemacht. Man kann das sicher beliebig in die Höhe treiben, aber<br />
das führt eher auf einen Abweg. Entscheidend ist doch der Kerngedanke, dass ich mein Grundgehalt frei<br />
zur Verfügung habe und dann verantwortungsvoll damit umgehe. Ich werd’s schon<br />
gemeinschaftsverträglich einsetzen.“<br />
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