04.11.2013 Aufrufe

Das Grundeinkommen - Werner Friedl

Das Grundeinkommen - Werner Friedl

Das Grundeinkommen - Werner Friedl

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„Konzert, Bücher – da hast du etwas naive Vorstellungen“, warf ich ein, „vergiss die anderen nicht“, sagte<br />

ich, „diejenigen, die sich in ihrer Arbeitslosigkeit recht gut eingerichtet haben, die haben doch im Prinzip<br />

alles, was sie brauchen, und wenn ihnen die Stütze nicht ausreicht, dann arbeiten sie halt nebenbei noch<br />

schwarz. Mit einem regulären Arbeitsplatz kannst du die doch jagen. Weißt du, was die mit dem Geld<br />

machen würden? Noch mehr McDonald’s, noch mehr Computerspiele, noch mehr Glotze, noch mehr<br />

Mallorca. Da würde das Geld hingehen. Und davon hättest weder du etwas noch alle anderen.“<br />

„Doch“, gab Arne zurück, „ich hätte ja auch mein Geld. Jeder hätte es dann. Und was die mit ihrem Geld<br />

machen, ist deren Sache, das ist doch gerade der Clou, dass keiner irgendwem Rechenschaft ablegen muss,<br />

was er mit dem Geld macht, er kriegt es ohne jegliche Gegenleistung. Wahrscheinlich hätten sie auch nicht<br />

mehr als jetzt, es fallen ja alle anderen Sozialleistungen weg. Und wenn du auf diese Unterschichtdebatte<br />

rauswillst: Klar ist mit Geld alleine nicht viel geholfen, aber wenn alle ihr Auskommen haben, dann<br />

können viele sich endlich in den Bereichen engagieren, für die jetzt kein Geld da ist, alles Soziale zum<br />

Beispiel oder Bildung. Bildung ist es nämlich, was dieser so genannten Unterschicht in erster Linie fehlt.<br />

Dabei gäbe es überall engagierte Menschen mit guten Ideen, um dieses ganze Elend zu bekämpfen, aber<br />

allen fehlt das Geld, ihre Vorstellungen fachgerecht und wirkungsvoll umzusetzen.“<br />

Arne wusste, wovon er sprach. Er war seit langem an einem Projekt beteiligt, das sich in einem<br />

Ganztagskindergarten in einem dieser Problemviertel am Stadtrand um Sprachnachhilfe für Ausländerkinder<br />

kümmerte. Und immer wieder beklagte er die Situation, dass man von Seiten der Politik zwar die<br />

Bemühungen lobte und den Beitrag zur Integration als richtig und zielführend anerkannte und gleichzeitig<br />

die Mittel immer mehr kürzte.<br />

„Ich kann den Menschen doch keine Arbeit abverlangen, wenn es eh keine mehr gibt, gerade in diesen<br />

wenig qualifizierten Bereichen. Und das ist es, was ich unseren Politikern vorwerfe: dass keiner von denen<br />

sich hinzustellen traut und sagt: ‚Leute, die Zeiten der Vollbeschäftigung sind vorbei und sie werden auch<br />

nie wieder zurückkommen. Wir machen jetzt alles ganz anders.’ Stattdessen versuchen sie sich gegenseitig<br />

im ‚Ankurbeln der Wirtschaft’, im ‚Schaffen neuer Arbeitsplätze’ zu übertrumpfen, und versprechen uns<br />

das Blaue vom Himmel. Wie soll denn das gehen? Jeder technische Fortschritt, jede dieser Innovationen,<br />

die dieselben Politiker immer so himmelhoch preisen, ist doch zwangsläufig mit dem weiteren Abbau von<br />

Arbeitsplätzen verbunden. <strong>Das</strong> geht doch schon seit hundert oder zweihundert Jahren so. Die<br />

Produktivität der einzelnen Arbeitskraft nimmt doch einem Maße zu, wie wir uns das nie erträumt hätten.<br />

Ich kenne ein paar Landkreise, da fahren sie zum Beispiel seit ein paar Monaten mit vollautomatischen<br />

Müllautos rum, die brauchen keinen zweiten oder gar dritten Mann mehr, um die Tonne in den Greifer<br />

einzuhängen, das macht jetzt der Fahrer mit einem Knopfdruck vom seinem Sitz aus. Gezielte, öffentlich<br />

geförderte und gewollte Herbeiführung von Arbeitslosigkeit ist das. Und das geht überall so, wo<br />

irgendetwas produziert oder wo überhaupt noch mit körperlichem Einsatz gearbeitet wird. Schau dir die<br />

Landwirtschaft an, um ein anderes Beispiel zu nehmen: alles nur noch Ein-Mann-Betriebe, wo noch vor<br />

zwei Generationen die ganze Familie mit fünf, sechs Arbeitskräften beschäftigt war. Der Bauer steigt doch<br />

heute nicht mehr von seinem Schlepper ab, nur weil er den Ladewagen an- oder abkuppeln will. Ein<br />

Druck auf den Hydraulikhebel reicht. Er pflügt mit den heutigen Maschinen in derselben Zeit einen<br />

zwanzigmal so großen Acker wie sein Großvater, der ja auch schon nicht mehr mit dem Pferd gearbeitet<br />

hat. Aber ich will das gar nicht kritisieren, versteh mich nicht falsch, das ist der Lauf der Welt. Und im<br />

Grunde wollen das auch alle so haben. Man sollte nur aufhören so zu tun, als könne man das Rad<br />

zurückdrehen und Arbeit für jeden herbeizaubern. <strong>Das</strong> Geld, das wir zum Leben brauchen, kann einfach<br />

nicht mehr aus der Arbeit kommen, wenn es keine mehr gibt.“<br />

Ich war nicht ganz vom Segen dieses allgemeinen Geldes überzeugt. „Aber werden wir nicht auf diese<br />

Weise diese Parallelgesellschaft noch verstärken, die wir schon jetzt andeutungsweise haben. Ich meine,<br />

dass diese Leute, denen Arbeit, Leistung, Kreativität, Bildung und so weiter völlig schnuppe sind, sich<br />

einfach nur immer noch mehr ihren faulen Lenz machen und sich ins gesellschaftliche Nirwana abseilen,<br />

immer dicker, dümmer und arbeitsscheuer und zur riesigen Last für alle werden?“<br />

„Nein, das glaube ich eben nicht. Kein Jugendlicher träumt im Alter von zwölf oder dreizehn davon, ein<br />

Leben lang nichts zu tun außer Sozialhilfe einzuschieben. Im Gegenteil, sie haben alle irgendwelche<br />

Vorstellungen davon, was sie später einmal machen wollen, vom Automechaniker oder der<br />

Kindergärtnerin bis zum Raumfahrtingenieur oder der Biologin oder was weiß ich. Aber da geht’s doch<br />

schon los: Als Automechaniker musst du heute EDV-Spezialist sein und dass Kindergärtnerinnen am<br />

besten ein Studium hätten, darin ist man sich auch einig. Jetzt scheitern sie im Grunde doch alle daran,<br />

dass ihnen keiner was beibringt, solange sie jung sind und sie keiner braucht, wenn sie älter sind, weil<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!