Das Grundeinkommen - Werner Friedl
Das Grundeinkommen - Werner Friedl
Das Grundeinkommen - Werner Friedl
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„Nein, nein, du verstehst das nicht. Doch, ich freu mich. Und ich bin auch dankbar, wirklich. Aber ich<br />
verstehe es trotzdem nicht.“<br />
Er wollte mir nicht mehr dazu erklären und verabschiedete sich nach kurzer Zeit. Er wolle jetzt allein sein,<br />
sagte er. Äußerlich hatte er seine Fassung wieder zurückgewonnen. „Es wird schon seine Richtigkeit<br />
haben. Die wissen schon, was sie tun“, sagte er an der Tür.<br />
Am nächsten Tag, Sonntag, traf ich Arne noch einmal, wir hatten uns zum Frühstück in unserem<br />
Stammcafé verabredet. Er hatte sich wieder vollständig gefangen, strahlte wieder jene ruhige Sicherheit<br />
aus, die ich an ihm gewohnt war und die ich so schätzte.<br />
„Es ist immer in Ordnung, wie ‚die’ es wenden. Ich bin sehr dankbar, es ist ein großartiges Geschenk. Ich<br />
war nur so sicher, dass meine Bitte vollständig verstanden worden war und erfüllt würde. Der Kontakt<br />
war irgendwie so ... so perfekt, verstehst du?“<br />
Ich verstand nicht ganz, aber ich vertraute darauf, dass Arne wusste, wovon er sprach. „Ich hab gestern<br />
noch im Internet gesucht, wie viel deine Fünf mit Zusatzzahl bringen könnte“, sagte ich zu ihm. Willst du<br />
es wissen?“<br />
„Lass hören.“<br />
„Es schwankt sehr. Ich hab die letzten drei Jahre durchgeschaut, zwischen zwölf- und zweihunderttausend<br />
Euro waren es, meistens so um die sechzig- bis achtzigtausend. Ein vernünftiges <strong>Grundeinkommen</strong> für<br />
den Rest deines Lebens gibt das eher nicht.“<br />
„Schon klar.“ Wieso schien Arne so mäßig interessiert, dachte ich, ließ aber nicht locker und zog einen<br />
Zettel hervor, auf dem ich mir zuhause Notizen gemacht hatte.<br />
„Ich hab mal angefangen zu rechnen, mit den Zahlen, die du mir genannt hast. Also, wenn du 492 Monate<br />
lang etwas von dem Geld haben willst, vorher deine 15.000 Euro Schulden bezahlst und vom Rest zehn<br />
Prozent spendest, dann bleiben dir, wenn wir mal den höchstmöglichen Gewinn von ungefähr<br />
zweihunderttausend nehmen, jeden Monat 338 Euro. Wenn du das mit den zehn Prozent sein lässt, wird’s<br />
etwas mehr.“<br />
„Kommt nicht in Frage. <strong>Das</strong> ist eine feste Abmachung, ein Vertrag, verstehst du. <strong>Das</strong> war wichtig bei<br />
meinen Verhandlungen.“<br />
Verhandlungen. <strong>Das</strong> fand ich bemerkenswert.<br />
„Aber“, fuhr er fort, „mit diesen Zweihunderttausend brauche ich nicht zu rechnen. Du sagst doch selber,<br />
dass das wahrscheinlich der höchstmögliche Gewinn ist. Genauso gut kann ich den geringsten Betrag,<br />
zwölftausend, nehmen, dann bleiben mir sogar noch Schulden.“<br />
Wir wendeten die Angelegenheit noch ein bisschen hin und her, aber ich spürte, dass Arne nicht in<br />
geselliger Stimmung war, und wir trennten uns bald. „Vielleicht fahre ich einige Zeit weg“, sagte er beim<br />
Abschied. Ich ahnte nicht, dass ich meinen Freund nie wieder sehen würde. Er schien mir zu schwanken<br />
zwischen respektvoller Dankbarkeit dafür, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Schulden los war<br />
und einer grüblerischen Unruhe über die Beweggründe der geistigen Welt, ihm ein ausreichendes<br />
<strong>Grundeinkommen</strong> zu verweigern. Er war immer noch vollkommen von der Richtigkeit seiner Idee<br />
überzeugt, es gab seiner Ansicht nach kein vernünftiges Argument dagegen.<br />
Am Montagabend besorgte ich mir im Internet die Gewinnquoten. Gewinnklasse drei, Fünf Richtige mit<br />
Zusatzzahl brachten 18.121 Euro und 50 Cent. Ein weit unterdurchschnittliches Ergebnis, aber Arne war<br />
mit einem Schlag seine Schulden los und es blieb ihm noch genug Geld, um einen Urlaub zu finanzieren.<br />
Ich wusste, dass er seit langem brennend gerne eine richtig große Wanderung in den Hochalpen gemacht<br />
hätte, mehrere Wochen lang, aber keine Ahnung hatte, wovon er die Reisekosten bezahlen sollte. Die<br />
hohen Berge waren für ihn immer eine Art Seelenheimat gewesen, dort war er den spirituellen Sphären<br />
näher. Ich hoffte sehr für Arne, dass er trotz des geringen Gewinns zufrieden sein würde. Ich ließ ihn<br />
einige Tage in Ruhe.<br />
Als ich am Freitagabend bei ihm anrief, schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Arnes Stimme sagte, dass<br />
er in die Alpen gefahren war und zwei Monate wandern wollte. Für mich hatte er einen kleinen<br />
persönlichen Gruß hinterlassen, er hätte mich nicht erreicht, und er würde sich Anfang Oktober wieder<br />
melden. <strong>Das</strong> war nicht ungewöhnlich, er hatte öfter persönliche Nachrichten für mich oder andere<br />
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