Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen Rätsch - AT Verlag
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Die Drogen dürfen nicht länger als ein Jahr –<br />
ganz dem <strong>Pflanzen</strong>wuchsverhalten entsprechend –<br />
aufbewahrt und benutzt wer den (Roth et al. 1994:<br />
88*).<br />
Zubereitung und Dosierung<br />
Das getrocknete Kraut kann geraucht werden<br />
(siehe Aconitum ferox). Über Dosierungen ist allerdings<br />
nichts bekannt. Es muß dringend vor dem<br />
unsachgemäßen Gebrauch dieser Pflanze gewarnt<br />
werden! Bereits beim Pflücken <strong>der</strong> Blätter können<br />
die Wirkstoffe in den Körper gelangen und zu unerwünschten<br />
Vergiftungserscheinungen führen<br />
(Roth et al. 1994: 89*). Bereits 3 bis 6 mg Aconitin,<br />
dem entsprechen oft nur wenige Gramm des getrockneten<br />
o<strong>der</strong> sogar des frischen <strong>Pflanzen</strong>materials,<br />
sind für Erwachsene tödlich. Oral aufgenommen,<br />
können bereits 0,2 mg Aconitin toxische Erscheinungen<br />
auslösen.<br />
Von <strong>der</strong> Tinktur wurden früher bei Migräne und<br />
Neuralgien täglich bis zu fünf Tropfen eingenommen<br />
(Vonarburg 1997a: 65).<br />
Die Wurzeln wurden angeblich bei <strong>der</strong> Herstellung<br />
von Hexensalben verwendet. Auch wurden<br />
sie für Heil- und Berauschungszwecke in Wein<br />
(vgl. Vitis vinifera) eingelegt getrunken (Pahlow<br />
1993: 117*).<br />
Obwohl die Pflanze als sehr giftig gilt, werden in<br />
Island die Blüten von Kin<strong>der</strong>n wegen ihrer Honigsüße<br />
gegessen (Olafsson und Ingolfsdottir<br />
1994).<br />
Rituelle Verwendung<br />
Im Altertum wurde <strong>der</strong> Eisenhut offensichtlich<br />
als Ritualgift benutzt:<br />
»Ihm zum Tode mischt Medea das Gift Akonit,<br />
das sie einst von Skythiens Küsten gebracht hat; es<br />
soll aus den Zähnen des Höllenhundes entstanden<br />
sein. Eine Höhle mit finsterem Rachen gibt es und<br />
einen abschüssigen Weg, auf dem <strong>der</strong> Held von<br />
Tiryns [= Herakles/Herkules] den Cerberus an aus<br />
Stahl geflochtenen Ketten fortzerrte; <strong>der</strong> sträubte<br />
sich, verdrehte angesichts des Tageslichts und <strong>der</strong><br />
blitzenden Strahlen die Augen, erfüllte in rasen<strong>der</strong><br />
Wut die Lüfte mit Gebell, das gleichzeitig aus drei<br />
Kehlen erklang, und besprengte die grünen Fel<strong>der</strong><br />
mit weißem Schaum. Dieser soll sich verdichtet<br />
und im fruchtbaren Boden Nahrung gefunden haben<br />
und Kraft zu schaden. Weil dieses zähe Gewächs<br />
auf hartem Felsen entsteht, nennen es die<br />
Bauern Steinkraut.« (Ovid, Metamorphosen VII,<br />
406ff.)<br />
Vermutlich wurde er auch in an<strong>der</strong>en skythischen<br />
Präparaten und schamanisch-magischen Ritualen,<br />
z.B. zur Wolfsverwandlung, verwen det. Er<br />
diente vielleicht schon in <strong>der</strong> Antike zur Herstellung<br />
von Flug salben. Seit <strong>der</strong> frühen Neuzeit zählt<br />
man den Eisenhut zu den wesent lichen Ingredienzien<br />
<strong>der</strong> Hexensalben. Viele seiner volkstümlichen<br />
Namen suggerieren eine rituelle und psychoaktive<br />
Nutzung <strong>der</strong> Pflanze: Hut des Jupiter, Venuswagen,<br />
Wolfskraut, Hut des Trolls, Odins Hut, Hex usw.<br />
Artefakte<br />
In <strong>der</strong> christlichen Kunst erscheint die Pflanze<br />
auf Gemälden (z.B. auf dem Bild »Maria lactans«<br />
des Meisters von Flémalle und in <strong>der</strong> »Bewei nung<br />
Christi«) als Symbol des Todes (Gallwitz 1992:<br />
113f.). In Europa dient die Pflanze als Symbol für<br />
die Giftigkeit <strong>der</strong> Natur. Der Eisenhut ist neben<br />
Aconitum ferox und Aconitum spp. auf tibeti schen<br />
Medizinthankas dargestellt (Aris 1992: 233*).<br />
Der okkultistische und alchemistisch erfahrene<br />
Schriftsteller Gustav Meyrink (1868–1932), <strong>der</strong><br />
über viele psychoaktive <strong>Pflanzen</strong> geschrie ben hat<br />
(vgl. Cannabis indica, Lophophora williamsii, Veratrum<br />
album, Amanita muscaria), hat eine sehr<br />
aufschlußreiche Erzählung über den Eisenhut verfaßt:<br />
»Der Kardinal Napellus« (Meyrink 1984).<br />
Darin wird eine Sekte beschrieben, »die man die<br />
›Blauen Brü<strong>der</strong>‹ nennt, <strong>der</strong>en Anhänger, wenn sie<br />
ihr Ende nahen fühlen, sich lebendig begra ben lassen.«<br />
Der Ordensgrün<strong>der</strong> Kardinal Napellus verwandelte<br />
sich nach seinem Tode in den ersten Eisenhut.<br />
Von ihm sollen alle <strong>Pflanzen</strong> abstammen.<br />
Das Zeichen des Ordens ist natürlich die Blüte von<br />
Aconi tum napellus, und im Klostergarten liegt ein<br />
Eisenhutfeld. Die Pflan zen werden bei <strong>der</strong> Aufnahme<br />
von den Novizen eingepflanzt, mit Blut getauft<br />
und mit dem Blut begossen, das aus den<br />
Geißelwunden fließt. »Der symbolische Sinn dieser<br />
seltsamen Zeremonie <strong>der</strong> Bluttaufe ist, daß <strong>der</strong><br />
Mensch seine Seele magisch einpflanzen soll in den<br />
Garten des Para dieses und ihr Wachstum düngen<br />
mit dem Blut seiner Wünsche.« Die Ordensbrü<strong>der</strong><br />
nutzen die Pflanze psychoaktiv: »Wenn die Blumen<br />
im Herbst verdorrten, sammelten wir ihre giftigen<br />
Samenkeime, die kleinen menschlichen Herzen<br />
gleichen und nach <strong>der</strong> geheimen Überlieferung<br />
<strong>der</strong> Blauen Brü<strong>der</strong> das ›Senfkorn‹ des<br />
Glaubens vorstellen, von dem ge schrie ben steht,<br />
daß Berge versetzen könne, wer es hat, und aßen<br />
davon. So, wie ihr furchtbares Gift das Herz verän<strong>der</strong>t<br />
und den Menschen in den Zustand zwischen<br />
Leben und Sterben bringt, so sollte die Essenz des<br />
Glaubens unser Blut verwandeln – zur wun<strong>der</strong>wirkenden<br />
Kraft werden in den Stunden zwischen nagen<strong>der</strong><br />
Todespein und ekstatischer Ver zückung.«<br />
(Meyrink 1984) – Die Geschichte erinnert an den<br />
tantrischen Gebrauch von Aconitum ferox.<br />
Medizinische Anwendung<br />
Volksmedizinisch hat <strong>der</strong> als starkes Gift gefürchtete<br />
Eisenhut keine große Bedeutung gewonnen.<br />
In <strong>der</strong> westlichen Phytotherapie werden Eisenhuttinkturen<br />
zur Schmerzlin<strong>der</strong>ung bei Gicht,<br />
Ischias und Neural gien und zur Behandlung aufkommen<strong>der</strong><br />
fiebriger Erkältungen äußer lich, seltener<br />
innerlich verwendet (Pahlow 1993: 116*).<br />
In <strong>der</strong> Homöopathie wird »Aconitum napellus<br />
Aconitum napellus<br />
»Wer den Akonit denn gereicht<br />
drei Vatersbrü<strong>der</strong>n, dahinziehen<br />
Soll er auf schwebendem Flaum und<br />
auf uns von da oben herabsehen?<br />
Kommt er dir in den Weg, dann<br />
leg auf die Lippen den Finger;<br />
Als Ankläger erscheint, wer das<br />
Wort ›Der ist es!‹ gesprochen.«<br />
Juvenal<br />
Satiren (I, 158–161)<br />
»Eisenhut ist mit dem nordischen<br />
Gott Odin und <strong>der</strong> Göttin Hel<br />
verbunden, er wurde in früheren<br />
Erzählungen als ›Odins Helm‹<br />
erwähnt [und] wurde angeblich<br />
als Zutat zu ›Lykantropischen Verwandlungssalben‹<br />
genutzt.«<br />
Magister Botanicus<br />
Magisches Kreutherkompendium<br />
(1995: 194*)<br />
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