finden Sie die Ausgabe zum Download. - Nordkirche Weltweit
finden Sie die Ausgabe zum Download. - Nordkirche Weltweit
finden Sie die Ausgabe zum Download. - Nordkirche Weltweit
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Elimu ni haki<br />
Uwe Nissen<br />
Die Lernbedingungen<br />
sind auch für<br />
<strong>die</strong> Kleinen nicht<br />
leicht. In den<br />
Klassen sitzen im<br />
Durchschnitt vierzig<br />
Schüler, manchmal<br />
auch mehr.<br />
elimu ni haki – so steht es überall<br />
auf den Eingangsschildern<br />
tansanischer Schulen. Das bedeutet:<br />
Ein jeder Mensch hat ein Anrecht<br />
auf Bildung. Und wer durch Tansania<br />
reist, merkt, wie <strong>die</strong>ses Anrecht<br />
wahrgenommen wird. Tansania ist<br />
von jungen bildungsbeflissenen<br />
Menschen geprägt, und überall<br />
begegnen einem Schüler und Schülerinnen<br />
in ihren unterschiedlichen<br />
Schuluniformen. Seien es <strong>die</strong> Kleinen,<br />
<strong>die</strong> sieben Jahre <strong>die</strong> Shule ya<br />
msingi (Grundschule) besuchen,<br />
seien es <strong>die</strong> Größeren, <strong>die</strong> vier Jahre<br />
auf <strong>die</strong> Shule ya sekondari gehen,<br />
um den sogenannten O-level (ordinary<br />
level, etwa vergleichbar mit<br />
Realschulabschluss) zu schaffen,<br />
oder sechs Jahre <strong>die</strong>se Schule besuchen<br />
für den Abschluss des A-level<br />
(advanced level, gleichbedeutend<br />
mit Hochschulreife). Unzählig sind<br />
sie und dominieren am frühen Morgen<br />
und am späten Nachmittag das<br />
Bild auf Tansanias Straßen. Denn<br />
oft ist mit dem Schulbesuch ein längerer<br />
Fußweg verbunden.<br />
Der Hunger nach Bildung ist groß<br />
und <strong>die</strong> Hoffnung weitverbreitet,<br />
dass es mit einer Zunahme an Wissen<br />
auch wirtschaftlich bergauf<br />
gehen wird. Deswegen legen sich<br />
viele Familien krumm, um ihren<br />
Kindern eine bessere Bildung zu<br />
ermöglichen. Unter großer Mühe<br />
bringen sie das in vielerlei Form<br />
geforderte Schulgeld auf und sind<br />
sich sicher, damit gut investiert zu<br />
haben.<br />
Doch wie sieht <strong>die</strong> Realität aus?<br />
Offiziell gibt es an Tansanias Schulen<br />
ein Lehrer-Schüler-Verhältnis von<br />
1:40. Das bedeutet, ein Lehrer unterrichtet<br />
im Durchschnitt vierzig Kinder<br />
pro Klasse. Bekannt sind Fälle,<br />
wo hundert Kindern ein Lehrer<br />
gegenübersteht, wenn überhaupt.<br />
Denn an vielen Schulen, besonders<br />
auf dem Lande, erscheint der zuständige<br />
Lehrer nicht <strong>zum</strong> Unterrichten<br />
beziehungsweise ist überhaupt nicht<br />
vorhanden. In den nächsten Jahren<br />
wird es einen Mangel von 100.000<br />
Lehrern geben, und in <strong>die</strong> unattraktiven<br />
Dorfschulen geht kaum einer<br />
freiwillig. Zumal auch <strong>die</strong> Bezahlung<br />
nicht immer sichergestellt ist.<br />
Erschwerend kommt hinzu, dass<br />
das gesamte Schulsystem auf reiner<br />
Wissensweitergabe basiert, <strong>die</strong> bei<br />
solch hohen Schülerzahlen nur per<br />
Frontalunterricht geleistet werden<br />
kann. Dementsprechend wichtig ist,<br />
das vom Lehrenden Vorgetragene<br />
und an der Tafel mit Kreide Festgehaltene<br />
in das eigene Schulheft zu<br />
übertragen und rechtzeitig zu den<br />
Examina möglichst wortgetreu wiederzugeben.<br />
So lernt man es in der<br />
Primary School, so setzt sich das in<br />
der Secondary School fort, und auch<br />
an der Universität wird im Grunde<br />
nichts anderes erwartet. „Sag uns,<br />
was wir wissen müssen, damit wir im<br />
Examen gut abschneiden“, lautet <strong>die</strong><br />
ungeschriebene Erwartungshaltung<br />
an <strong>die</strong> Dozenten. Mit <strong>die</strong>ser Haltung<br />
bin ich auch an der Universität in<br />
Mwika konfrontiert. Viele sehen<br />
meine Vorlesungen als Durchgangsstation<br />
für das Abschlussexamen an,<br />
und wer dann eine gute Examensnote<br />
erhält, ist eben ein guter Student.<br />
Gleichwohl verändert sich manches,<br />
wenn auch nur langsam. So<br />
habe ich in meinen bislang vier Jahren<br />
als „Lecturer“ eine zunehmende<br />
Diskussionsbereitschaft erlebt, <strong>die</strong><br />
Fotos: V. Schauer (3), K. Nolte (1)<br />
10 weltbewegt