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Schwerpunkt<br />
Fotos: T. Ruppenthal/Volx Mobil (2), NMZ-Bildarchiv (1)<br />
11.000-Einwohnergemeinde im Westen<br />
Mecklenburgs, auftauchte, war<br />
das Team des „Mobils“ auf Jugendliche<br />
fixiert. Jugendliche, <strong>die</strong> auf Parkbänken<br />
saßen und sich durch den Tag<br />
langweilten. Bald tauchten aber Kinder<br />
auf und wollten mit den Mitarbeitenden<br />
in den Bäumen klettern oder<br />
auf der Straße spielen. Mit den Kindern<br />
kamen <strong>die</strong> Eltern. Aus Misstrauen<br />
und Abwehr wuchsen erste Kontakte<br />
und im Laufe der Monate auch<br />
Vertrauen und Offenheit. Inzwischen<br />
fragen wir nicht nur Jugendliche, was<br />
sich in ihren Stadtteilen <strong>zum</strong> Besseren<br />
verändern müsse, sondern Menschen<br />
aus allen Altersgruppen. Dabei<br />
wird immer deutlicher, dass ein Drittel<br />
der Bewohner der Plattenbausiedlungen<br />
in einer eigenen Kultur lebt.<br />
Ihre Themen drehen sich oft nur<br />
noch um das, was gerade oben auf<br />
liegt. Über Hintergrundwissen verfügen<br />
<strong>die</strong> wenigsten. Es geht darum, <strong>die</strong><br />
Armut und den Alltag zu bewältigen,<br />
da hat Bildung keinen Raum mehr.<br />
Und <strong>die</strong> Bildungslosigkeit überträgt<br />
sich von den Eltern auf <strong>die</strong> Kinder.<br />
Die kleinstädtische Welt fällt auseinander.<br />
Bei vielen Gesprächen mit den<br />
sogenannten guten Bürgern springt<br />
uns das geballte Unverständnis entgegen.<br />
<strong>Sie</strong> können nicht verstehen,<br />
warum Eltern sich nicht dahinter<br />
klemmen, damit sich ihre Kinder aus<br />
der Armutsfalle befreien können.<br />
„Wer will, der kann doch!“, hören wir<br />
immer wieder.<br />
Die Sehnsucht ist groß<br />
Wer in <strong>die</strong>sen Vierteln arbeitet,<br />
sieht zwei Seiten der gleichen Medallie.<br />
Da ist <strong>die</strong> problematische. Schüler<br />
fallen nach der Schule oft ohne ein<br />
vernünftiges Mittagessen aus ihren<br />
Wohnblocks auf <strong>die</strong> Straße. Kreisen<br />
durch <strong>die</strong> Viertel auf der Suche nach<br />
etwas Aufregendem. Eltern verlieren<br />
schon früh den Kontakt zu ihren Kindern.<br />
Das Leben mit Hartz IV oder<br />
einer Arbeit unter jedem Mindestlohn<br />
ist schon schwer genug. Für Kultur,<br />
für Weiterbildung oder das Lesen<br />
einer guten Zeitung bleibt nichts<br />
übrig. Das als bildend beschriebene<br />
Reisen findet nicht statt. Das Geld<br />
reicht ja kaum <strong>zum</strong> Hierbleiben.<br />
Horizonterweiterung: Fehlanzeige!<br />
Das Bildungs- und Teilhabepaket der<br />
Bundesregierung wird oft nicht beantragt.<br />
Und dann verschwindet das<br />
Geld in der Schulspeisung, als ob das<br />
Stillen von Hunger etwas mit Bildung<br />
zu tun hätte. Aber <strong>die</strong> Sehnsucht<br />
nach einem anderen, besseren Leben<br />
ist riesig. Auch Eltern mit geringem<br />
Einkommen und wenig Bildungshintergrund<br />
wollen<br />
wenigstens für<br />
ihre Kinder eine<br />
positivere Lebensperspektive.<br />
Längst haben<br />
auch <strong>die</strong> Erwachsenen<br />
in den von uns angelaufenen<br />
Vierteln gespürt, dass bei den Mitarbeitern<br />
des Volx Mobils mehr zu<br />
holen ist. Heute sitzen <strong>die</strong> Mütter<br />
(selten <strong>die</strong> Väter) im Stadtteilbüro<br />
und kehren, nachdem sie Vertrauen<br />
gewonnen haben, ihre Seele nach<br />
außen. Da geht es um das Gefühl,<br />
wertlos zu sein, <strong>die</strong> eigenen Gefühle<br />
nicht mehr zu kennen, von Respektlosigkeit<br />
der Behörden und dem Leiden<br />
an den vom Job-Center angebotenen<br />
Bewerbungstrainings, <strong>die</strong> am<br />
Ende doch nicht helfen, einen Job zu<br />
<strong>finden</strong>. Diese Mütter sind nicht weniger<br />
wissbegierig als ihre Kinder. <strong>Sie</strong><br />
greifen nach jedem Buch, das auf<br />
dem Tisch liegt (auch nach der Kinderbibel!),<br />
schauen sich <strong>die</strong> von uns<br />
mitgebrachten DVDs an. Einige<br />
schreiben seit Dezember 2011 an<br />
einer eigenen Stadtteilzeitung,<br />
machen Bürgerumfragen <strong>zum</strong> Müllnotstand<br />
in der <strong>Sie</strong>dlung oder kommunizieren<br />
per Facebook mit dem<br />
Bürgermeister.<br />
Derweil drehen ihre Kinder <strong>die</strong><br />
mitgebrachten Mikroskope scharf,<br />
bauen Maschinen mit den von „Ein-<br />
Herz-für-Kinder“ gesponserten Technikbaukästen.<br />
<strong>Sie</strong> fragen nach dem<br />
Namen der Käfer im Wald und nach<br />
letzten Antworten zu Themen wie<br />
Tod und Sterben.<br />
Hier gibt es nicht<br />
nur kostenlose<br />
Bücher. Gespräche<br />
mit den<br />
Mitarbeitenden<br />
des Volx Mobils<br />
gehören auch<br />
dazu.<br />
weltbewegt 15