Das Generalgouverments - Biblioteka Multimedialna Teatrnn.pl
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Vertreter der 3. Abteilung abgeschlagen. Vielleicht hatte er durchblicken lassen, daß ihre Erfüllung<br />
von der Arbeitsleistung abhänge. Jedenfalls war Stanislaus der Unermüdlichste unter uns. Er stand auch<br />
noch im Wasser, als schon der Herbstwind übers Land rauschte und des Morgens Reif auf den Dächern<br />
lag. Eines Tages überfiel Stanislaus das Fieber. Man brachte ihn ins Lazarett. Dort starb er. Seine<br />
Eltern werden nie erfahren, wo er sich befindet, obwohl er nur einige Stunden von ihnen entfernt<br />
begraben liegt.<br />
Unsere Hingabe an die Arbeit war zum Teil gegen das Bajonett hinter uns gerichtet. Wir hatten<br />
das Bedürfnis, so zu tun, als ob wir freie Arbeiter wären. Die freien Tagelöhner hingegen, die keine<br />
anderen Götter hatten als die rote Fahne über sich und den gemeinsamen Boden des sozialistischen<br />
Vaterlandes unter sich, hatten kein anderes Bestreben, als wenig zu tun und viel zu verdienen. Sie<br />
waren Gewerkschaftsmitglieder, zum Teil sogar Komsomolzen und also ein Stück des siegreichen<br />
Proletariats, das nach den Worten der ,Prawda' bewußt, fröhlich und der Idee des Sozialismus ergeben<br />
in freiwilligem Wettbewerb schaffte und nach dem Vorbild Stachanows Höchstleistungen<br />
anstrebte. Die sowjetische Phrase ist immer die Umkehrung der Wirklichkeit. Die Verwilderung<br />
und Gedankenlosigkeit, von der ein großer Teil der russischen Jugend ergriffen war, enthüllte sich<br />
auch hier. Die Scheu der Jugend vor uns Gefangenen beruhte auf der Angst, sich verdächtig zu<br />
machen. Vor sich selbst hatten sie keine Scheu und gaben sich schamlos. Sie arbeiteten widerwillig und<br />
lungerten viel herum, die Mädchen fluchten so zotig wie die Burschen und ließen sich vor aller Augen<br />
abtasten und küssen. In ihrer Schamlosigkeit war jedoch keine Primitivität, sondern bewußte Frechheit.<br />
Sie widersetzten sich dem Gesetz auf die gefahrloseste und leichteste, jedoch gemeinste Weise.<br />
Oft kamen sie betrunken zur Arbeit, und die Paare gingen, vom Grölen der Zurückbleibenden verfolgt,<br />
trunkenen Schrittes ins Gebüsch.<br />
<strong>Das</strong> Holz, das wir ins Wasser warfen, ging nach England. Es brachte Gold. Der Boden, auf dem wir<br />
mit den gleichen zerfetzten Bastschuhen wie die Freien schritten — hierin glichen wir einander —,<br />
gehörte dem ganzen Volke und sollte es zum glücklichen Kollektiv zusammenschmieden. Aber nun<br />
waren fast zwei Jahrzehnte nach der großen Umwälzung vergangen, und von dem ,ganzen Volk'<br />
war nur der nackte, hungrige Einzelne zurückgeblieben, der die Lust raffte, wie er es verstand.<br />
Es war zu sehen, daß vielen der Freien das Leben ebenso sinnlos erschien wie den meisten von uns<br />
Gefangenen. Immerhin aber besaßen die Freien als Ausweg den Rausch. Wodka war ihr Heil. Wir<br />
hatten nicht einmal dies. Als wir uns einmal auf dem Heimweg befanden, scheuchten wir in den<br />
Dünen ein Eichhörnchen auf, das in einem Stapel alter Stämme sein Versteck hatte. Ungeschickt<br />
lief es durch den weichen Sand. Als die Gefangenen es sahen, heulten sie auf wie eine Meute Jagdhunde,<br />
stürzten ihm nach und warfen mit Mützen, Äxten und Knüppeln nach ihm. <strong>Das</strong> Tierchen<br />
lief um sein Leben. Johlend und hetzend, Mordgier in den greifenden Händen und stierenden Augen,<br />
sprangen die Burschen durch den Sand. Endlich, endlich hatten sie ein Ziel, endlich konnten sich<br />
die Vergewaltigten selbst an etwas vergreifen. <strong>Das</strong> Eichhörnchen wurde getroffen, hinkte jedoch<br />
weiter den rettenden Stämmen zu. Sein Tod war gewiß. Da rief Kyrill Petrowitsch, der neben mir<br />
auf dem Pfad stehengeblieben war, zu den Mordlüsternen hin: „Ihr spielt wohl GPU.?" Der Ruf<br />
ließ sie <strong>pl</strong>ötzlich verharren und zur Einsicht kommen. Indes das Eichhörnchen unter die Stämme<br />
schlüpfte, schämten sie sich mit einem Male, noch weniger gewesen zu sein als ein Eichhörnchen.<br />
Sie sahen nicht ein, warum man sie hetzte. Es war kein Kapitalist zu sehen, und dennoch beutete<br />
man sie aus. Sie hatten kein Verbrechen begangen, und dennoch bestrafte man sie. Sie waren zumeist<br />
tüchtig in ihren Berufen, und dennoch trugen sie nur Holz. Sie sahen keinen Sinn in der Arbeit.<br />
Offensichtlich war er auch nicht vorhanden. Nicht weit vom Holz<strong>pl</strong>atz führte eine Eisenbahnlinie<br />
in den Wald. Sie war vor Jahren von Gefangenen gebaut worden und verlief in Richtung der im<br />
Norden gelegenen Hauptstadt der Eingeborenen. Nachdem man mit der üblichen Verschwendung<br />
von Material, Kraft und Gesundheit einige achtzig Kilometer der Linie fertig gebaut hatte, kam<br />
der Befehl, die Arbeit einzustellen. <strong>Das</strong> Innenkommissariat errichtete eine eigene zentrale Stadt in<br />
der Taiga. Die alte Stadt der Eingeborenen interessierte nicht mehr. Wir befanden uns zwar in der<br />
Republik dieser Eingeborenen, und sie besaßen Sitz und Stimme im Rat der Nationalitäten, doch<br />
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