Ausgabe 7/2011 - Shopping-Intern
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50 50 familie & zuhause<br />
familienfest<br />
zerreissprobe<br />
von Prof. Dr. Gerti Senger, Sexualtherapeutin<br />
Die Atmosphäre ist zum Zerreißen<br />
gespannt: Beiläu fige Bemerkungen<br />
sind so spitz, dass sie aus einer Weihnachtskugel<br />
mühelos ein Teesieb<br />
machen könnten. Und wenn Blicke<br />
töten würden, fielen das plärrende<br />
Kleinkind, der zigarrenrauchende Onkel<br />
und mein Liebster, der mit einem<br />
Gesichtsausdruck bei Tisch sitzt, als<br />
hätte er Mumps und Durchfall gleichzeitig,<br />
auf der Stelle tot um: Das muss<br />
das weihnachtliche Fa milienessen<br />
sein. Hilft mein Bester beim Servieren,<br />
grinst irgend jemand viel sagend:<br />
„Den hast du aber gut abgerichtet.“<br />
Hält er sich im Hintergrund, wird gestichelt:<br />
„Na, wie fühlt man sich denn,<br />
wenn man so ver wöhnt wird?“ Für Geschenke,<br />
die ich mühsam ausge sucht<br />
habe, wird überschwänglich gedankt<br />
und dann in der Küche gefragt, wo<br />
man sie umtauschen kann.<br />
tipp<br />
Gar nicht erst zu reden von den anzüglichen Bemer kungen, die nicht nur<br />
mein Siebzehnjähriger einstecken muss: „Schade, dass Ausgehen kein<br />
Maturafach ist.“ Oder: „Hast du voriges Jahr auch schon Pickel gehabt?“<br />
Überhaupt, die Kinder! Ich könnte jedem der lieben Verwandten, der mir in<br />
puncto Kindererzie hung gute Tipps geben will, an die Gurgel gehen. Das<br />
gilt umgekehrt aber auch für die pubertierenden Fami lienmitglieder, für die<br />
ein Familienfestessen schlimmer als eine Mathe-Schularbeit ist und die nur<br />
mit eisernen Drohungen „Du gehörst zur Familie, und wehe, wenn du nicht<br />
da bist / dich nicht gut benimmst / freche Be merkungen machst / eine nach<br />
der anderen rauchst. . .“ bei der Stange zu halten sind.<br />
Gibt es schon beim Thema „Kind“ Spannungen, finden politische Diskussionen<br />
nur in einer Lautstärke von 110 Dezibel statt. Dafür ist das eisige<br />
Schweigen geradezu körperlich spürbar, wenn die sechzigjährige, angeheiratete<br />
Cousine meine Idee, einen Tanzkurs zu besuchen, mit der Bemerkung<br />
quittiert: „Ach, du meinst das Seniorentanzen.“<br />
Seltsamerweise habe ich dennoch eine Schwäche für Familienzusammenkünfte.<br />
Ich freue mich auf die fei erlichen Mahlzeiten, auf die verschrobenen<br />
oder un freundlichen Familienmitglieder, ja sogar auf die Hek tik des Vorbereitens.<br />
Der Soziologe Dieter Claessens sagte einmal, dass eine Familie<br />
so etwas wie eine „vi brierende Einheit“ sei. Wie vibrierend diese Einheit<br />
sein kann, haben Sie vielleicht selbst gestern oder heute beim Mittag- oder<br />
Abendessen gespürt. Aber wäre es anders besser? Wäre es wirklich schöner,<br />
säßen Sie al leine da? Wenn ich mir die Stille ausmale, die dann um<br />
mich herum wäre, dann packt mich eine so wilde Zärt lichkeit für meine unmögliche<br />
Familie, dass ich beim Abschied hundertprozentig sagen werde:<br />
„Ihr kommt doch hoffentlich bald wieder...“<br />
Quellennachweis: „Mit Lust und Liebe“, erschienen im Ullstein Verlag<br />
Fotos: Fotolia, zVg<br />
Birgit Dittrich<br />
Lebens- und Sozialberatung<br />
ist die professionelle Beratung und<br />
Betreuung von Menschen in Problemund<br />
Entscheidungssituationen.<br />
Ziel ist es, belastende oder schwer zu<br />
bewältigende Situationen zu erleichtern,<br />
zu verändern und der individuellen<br />
Lösung des Klienten zuzuführen.<br />
www.lsb-limes.at<br />
T: 0664 49 48 220<br />
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Dr. Gerti Senger & Dr. Walter Hoffmann: „Schräglage“<br />
Auf der Jagd nach dem Glück geraten Frauen und Männer aller Altersgruppen<br />
in eine Schräglage zwischen Übermaß und Defizit. Aber es<br />
zeichnet sich eine Trendwende ab: Durch die zunehmende Sehnsucht<br />
nach emotionaler Stabilität und Orientierung besinnt man sich auf alte<br />
Werte und Tugenden ...<br />
319 Seiten, Goldegg ISBN-10: 3902729392 ISBN-13: 9783902729392<br />
www.gerti-senger.at<br />
SCS SHOPPING intern 7/<strong>2011</strong>