full book (pdf) - von Katharina Mommsen
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kümmern, wirkende Mitglieder eurer lobsamen Anstalten zu<br />
werden. Bis ihr dem Genie, wenn es nicht gerade ein falscher<br />
Ehrgeiz stachelt, werdet Genüge geleistet haben, wird noch<br />
manches Wasser den Bach hinunterfließen.<br />
Eine alte Wahrheit, aber immerhin eine Wahrheit: Jede Sache<br />
hat ihre zwei Seiten. Wie sich uns in der Vielschreiberei das<br />
demokratische Prinzip als siegreich herausstellte, so haben<br />
unsere Gegner geglaubt, es werde durch dieselbe für ihre<br />
Sache etwas gewonnen. Ein Mann, der sich an die Spitze der<br />
Ereignisse gestellt hat, möchte ungefähr folgendermaßen<br />
räsonieren: »Warum in aller Welt war denn das atheniensische<br />
Volk so unruhig? Warum waren die Römer so schwer<br />
zu bändigen? Offenbar - weil sie keine Bücher hatten und<br />
sich die Langeweile notwendig durch die Ostrazisierung ihrer<br />
Aristokraten vertreiben mußten. Die Alten waren auf den<br />
Markt, unsere Leute sind auf das Zimmer angewiesen. Wenn<br />
sie überflüssige Zeit oder üble Laune haben, so holen sie sich<br />
ein Buch aus der Leihbibliothek und schlagen sich auf diese<br />
Weise zu unserer großen Freude ihre freien Stunden tot.<br />
Schreibt heute auch einer etwas weniger günstig für unsere<br />
Privilegien, ehe sein Buch ausgelesen ist, erscheint ein zweites,<br />
das doch auch gelesen sein will, und so kommt es niemals zur<br />
Tat. Daß übrigens die Bäume nicht in den Himmel wachsen,<br />
dafür ist durch die Zensur trefflich gesorgt. Unsere bittersten<br />
Gegner sind eigentlich unsere besten Freunde: vor lauter<br />
Schreiben denken sie nicht mehr an das Handeln; sie laden in<br />
einem fort, vergessen aber ewig Pulver aufzuschütten. Ja,<br />
Gutenberg! du warst ein großer Mann, und wir befinden uns<br />
scharmant bei dieser Nation <strong>von</strong> Dichtern und Philosophen.<br />
Sie errichten dir gegenwärtig ein Monument; gut, ich habe dir<br />
so viel zu danken, es soll mir auf ein paar Taler nicht ankommen;<br />
hast du doch die Revolution zu einer Buchhändlerspekulation<br />
gemacht. Zudem wird man durch einen solchen Beitrag<br />
zu einem Denkmal gar populär.«<br />
Noch andere Staatsmänner setzten große Hoffnungen auf<br />
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diese Vielschreiberei, weil den Schriftstellern an der Erhaltung<br />
des Bestehenden zunächst am meisten gelegen sein müsse.<br />
In unruhigen Zeiten, in Zeiten allgemeinen Umsturzes, wo<br />
jeder Tag einen Helden gebiert, schenkt man einem Buche,<br />
das nicht gerade die Politik betrifft, nur wenig Aufmerksamkeit.<br />
Das Schwert des Kriegers mäht die Dichter samt ihren<br />
Blumen hinweg. -<br />
Sie irren sich aber alle, welche also sprechen. Wohl möchte<br />
vielleicht die Welt sich <strong>von</strong> Grund aus umgestalten, wenn nur<br />
einmal zweimal vierundzwanzig Stunden lang durch Zauberei<br />
die Bücher <strong>von</strong> der Erde verschwänden. - Indes ist der<br />
Vorteil der Vielschreiberei ganz auf unserer Seite, und ein<br />
scharfsichtiger Aristokrat sollte eigentlich keine Nacht ruhig<br />
schlafen können. Dieses hochmütige Zugeständnis und unausstehlich<br />
gnädige Herablassen <strong>von</strong> seiten der letztgenannten<br />
Herren verrät die tiefste Verblendung. Unsere Dichter und<br />
Denker sind es, welche an dem schönen Gebäude der Zukunft<br />
arbeiten und die Hallen wölben, in denen nicht nur freie<br />
Menschen Arm in Arm liebend miteinander wandeln werden<br />
- sie sind es, welche die Fundamente legen zu dem Palaste,<br />
der auch den niedrigsten Bettler unseres Geschlechtes in sich<br />
aufnehmen soll. Zu solch einem Weltbau bedarf es aber nicht<br />
nur des Genies eines Baumeisters, sondern auch der weniger<br />
geschickten Hände der Maurer und Zimmermeister. Der Himmel<br />
selbst hat Sterne erster, zweiter und dritter Größe, und<br />
wir wollen uns beklagen, daß in unserer Literatur nicht lauter<br />
Sterne erster Größe sind?<br />
Keine Staatsform ist ewig, und nur vermessener Wahn kann<br />
die unsrige dafür ausgeben. Ist es euch nie aufgefallen, wie so<br />
mancher prometheische Geist es vorzog, in einem Zeitungsbüro<br />
statt in einem Ministerium sich abzuquälen? Habt ihr<br />
auf euren Hochschulen keine Jünglinge kennengelernt, die<br />
ih re 15 oder 20 Semester lang mit allem erdenklichen Fleiße<br />
·i nem Fachstudium ob gelegen hatten, die sich hatten examiniere<br />
n lassen, und für tüchtig in jeder Beziehung erklärt worden<br />
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