full book (pdf) - von Katharina Mommsen
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ins Stammbuch zu schreiben, nach des Tages Last und Hitze<br />
einige Silben zu zählen und zu reimen, aber man muß euch<br />
verbieten, auf dem Forum der Offentlichkeit euch damit<br />
bloßzustellen. Wem die Poesie nicht der Atem zum Leben ist,<br />
der unterlasse das Dichten! Sie sei für uns ein Flud1, wie für<br />
Byron, ein Segen, wie für Friedrich Rückert, etwas <strong>von</strong> beiden<br />
unter jeder Bedingung, niemals Spielerei. Blumen allein<br />
machen den Dichter nicht, schwarze oder blonde Locken,<br />
weiße oder braune Nacken geben noch keinen Charakter.<br />
Die Nation soll durch ihre Dichter erhoben werden, der Dilettantismus<br />
hält sie nieder auf der Stufe der Gewöhnlichkeit.<br />
Die süßen, zuckerigen, matten, leidenschaftslosen Gefühle,<br />
dieses Lärmschlagen durch fünfzig Zeilen, wenn man einmal<br />
so kühn war, einen Zweifel anzuregen, aus der bürokratischen<br />
Verfassung der Seele einen Augenblick herauszugehen - pfui<br />
über diese fade Unausstehlichkeit, die um Verzeihung bittet,<br />
wenn sie einmal gefühlt hat, wie ein Mensch, dessen Blut heiß<br />
geworden, fühlen kann.<br />
Der Dilettantismus haßt das Genie. Er wird den ersten Stein<br />
aufheben, wenn ein Werther, ein Manfred oder ein anderes<br />
geistreiches Werk geschrieben wird. Der Dilettant lächelt vom<br />
Morgen bis Mittag, <strong>von</strong> Mittag bis Abend, und schläft nur<br />
ein, um am andern Morgen wieder zu lächeln ...<br />
Karl Rosenkranz<br />
So geht es einem, wenn man sich bei dem Konversationslexikon<br />
Rats erholt! Schlage ich da den Namen Rosenkranz nach,<br />
um mir die chronologische Folge seiner Schriften zu vergegenwärtigen<br />
- was muß ich am Schlusse als einzige Ch~ra~~er~stik<br />
finden? Seine Kritiken seien ansprechender als seme ubngen<br />
Werke mit ihrem nicht selten dunklen Tone ..<br />
Wer nun den Artikel geschrieben haben mag? Bel Rosenkranz<br />
<strong>von</strong> einem dunklen Stile zu reden! Wessen Stil soll klar sein,<br />
wenn es der dieses geistvollen Hegelianers nicht ist? Die Wissenschaft<br />
und ihre Resultate aus erster und zweiter Hand<br />
werden nie aller Welt verständlich sein: die Methode, die<br />
philosophische Taktik, durch welche ein Sieg in ihrem Gebiete<br />
erfochten wurde, sind nur für die Feldherren und Obersten.<br />
Der Gewinst die Beute gehören der ganzen Menschheit, den<br />
Plan zum Feldzug aber entwerfen und begreifen nur wenige.<br />
Er mag so schön und klar gezeichnet sein als er will, den Eingeweihten<br />
Bewunderung und Entzücken ablo~ e n, der Masse<br />
bleibt er ein Rätsel, und die Masse ist bekannthch nur zu gern<br />
geneigt zu schelten, was sie nicht versteht. .<br />
Wir sind in unseren Anforderungen, populär zu schreIben,<br />
viel zu weit gegangen. Indessen kamen dieselben <strong>von</strong> einer<br />
so achtbaren Seite her und waren so gut gemeint, daß man es<br />
lange nicht übers Herz brachte, feindselig gegen sie aufzutreten.<br />
Sie drohen aber nun, wirklich gefährlich zu werden, und<br />
es ist an der Zeit, sie in ihre Grenzen zurückzuweisen.<br />
Wer wollte nicht für sein Volk schreiben? Wer nimmt mit<br />
der elenden Absicht die Feder in die Hand, nur für eine geistige<br />
Aristokratie zu dichten und zu denken? Kein ehrlicher<br />
Mann!<br />
Und wehe auch dem unfruchtbaren Geschäft, das nicht als<br />
Zielpunkt die Nation vor Augen hat! .<br />
Als es in der alten Welt keinen Platz mehr zu geben schIen<br />
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