Ausgabe 01-2013 (PDF) - Albert-Schweitzer-Haus
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<strong>Albert</strong>-<strong>Schweitzer</strong>-Bote<br />
<strong>Ausgabe</strong> Januar/Februar 2<strong>01</strong>3<br />
Seite<br />
20<br />
Froh über jeden überstandenen Tag<br />
von Karolina Sinn<br />
Nachdem der Krieg zu Ende war, wurden die zugeteilten Lebensmittel<br />
noch weniger, der Hunger größer. Mit 14 Jahren organisierte<br />
ich vieles in der Familie. Meine Mutter, sehr schüchtern,<br />
schickte mich. Der Vater war noch in Gefangenschaft. Oft<br />
hatte ich Erfolg bei meinen Bitt-Bettelgängen zu Gärtnern für<br />
frisches Gemüse, das besonders für meine beiden kleinen<br />
Schwestern so wichtig war.<br />
Brauchten wir Wasser –<br />
nach den Luftangriffen kam<br />
es nicht aus dem Hahn. Es<br />
musste an einer Pumpe –<br />
etliche Meter entfernt von<br />
unserer Wohnung – in<br />
Kannen und Eimern geholt<br />
werden. Die Suche nach<br />
dem Holz im nahen Wäldchen<br />
war aussichtslos, nur<br />
kleine Äste hier und da.<br />
Auf dem verbotenen Schwarzmarkt tummelten sich viele.<br />
Manchmal konnte ich für Tabakmärkchen etwas Essbares eintauschen.<br />
Dann Wochen ohne Salz. In den Läden gab es keinen<br />
Vorrat. Wiesbadener hatten das Glück in der Innenstadt die<br />
sprudelnde Quelle des salzhaltigen Kochbrunnens zu haben.<br />
Damit schmeckte Gekochtes viel besser als salzlos.<br />
Ich war selten zuhause und hatte Zeit, da die Schulen den Unterricht<br />
noch nicht wieder aufgenommen hatten. Es gab Mitstreiter,<br />
die ich kennenlernte, die oft einen guten Tipp geben<br />
konnten. Ich wurde gelobt, war stolz, wenn wir den Tag gut<br />
überstanden hatten. Aber ich ließ mir auch nicht mehr viel sagen,<br />
kam und ging wann ich wollte.<br />
Wenn es nichts zu essen gab, musste ein Esslöffel Hefeflocken<br />
genügen. „Geh früh schlafen“, sagte meine Mutter. „Schlaf ist<br />
auch ein Stück Brot!“<br />
<strong>Albert</strong>-<strong>Schweitzer</strong>-<strong>Haus</strong>, Viehhofstr. 25-27, 68165 Mannheim