10.11.2013 Aufrufe

Universitätsblätter 2012 - Gießener Hochschulgesellschaft

Universitätsblätter 2012 - Gießener Hochschulgesellschaft

Universitätsblätter 2012 - Gießener Hochschulgesellschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

zwischen Ost und West in unserem Untersuchungsfeld<br />

manifestieren. Zu denken wäre etwa<br />

an Diskrepanzen in Ausmaß und Intensität<br />

dogmatischer Kontroversen. 2. In der Frage<br />

nach Kontinuität oder Wandel dürften nach<br />

momentaner Einschätzung bei einer Erforschung<br />

der Selbstinszenierung in der verbalen<br />

Kommunikation die Kontinuitäten stärker hervortreten<br />

als bei den meisten vorliegenden<br />

Studien: Der Wandel in der rechtlichen Stellung<br />

des Bischofs führt nicht zu einer grundlegenden<br />

Veränderung seines Status in der Gemeinde.<br />

Staatlicherseits verliehene Privilegien<br />

werden in den von uns betrachteten Kommunikationszusammenhängen<br />

kaum je als Argumente<br />

angeführt. Inwieweit Beziehungen zu<br />

Kaisern bzw. staatlichen Amtsträgern an der<br />

Stelle thematisiert werden können, wird zu erkunden<br />

sein. Die Tatsache, dass zunehmend<br />

Angehörige höherer sozialer Schichten ins Bischofsamt<br />

gelangen, dürfte keinen nennenswerten<br />

Niederschlag in der Selbstdarstellung<br />

finden, was auf den ersten Blick erstaunen<br />

könnte, sich aber aus der Überlieferungslage<br />

unschwer erklären lässt: Sowohl aus dem Prinzipat<br />

wie aus der Spätantike liegen uns vorrangig<br />

Selbstzeugnisse von Bischöfen vor, die zumindest<br />

dem Kurialen- bzw. Dekurionenstand<br />

zuzurechnen sind, eine klassische Bildung erfahren<br />

haben und somit ähnlich sozialisiert<br />

sind. Dieser Umstand hat zur Konsequenz,<br />

dass wir aus beiden Phasen nur einen Ausschnitt<br />

aus der Gesamtheit der Gruppe der Bischöfe<br />

greifen können, was aber kein Manko<br />

speziell des geplanten Projekts ist, sondern<br />

auch auf Studien anderen methodischen Zugriffs<br />

zutrifft. Insgesamt ist – soweit es sich<br />

zum jetzigen Zeitpunkt beurteilen lässt – von<br />

wesentlichen Kontinuitätsfaktoren auszugehen,<br />

die in unserem Kontext relevant sind: An<br />

vorderster Stelle ist das Moment anzuführen,<br />

dass der Bischof auf die Akzeptanz der betreffenden<br />

Gruppierungen angewiesen ist und diese<br />

sicherzustellen hat. Das geschieht mittels<br />

diverser Praktiken, nicht zuletzt durch<br />

Selbstinszenierung in der verbalen Kommunikation.<br />

Die Akzeptanzkriterien dürften dabei –<br />

ungeachtet der Zunahme der episkopalen<br />

Handlungsfelder – ein hohes Maß an Konstanz<br />

aufweisen. 3. Abschließend ist zu resümieren,<br />

welchen spezifischen Beitrag eine derart konzipierte<br />

Studie für die Erforschung des kaiserzeitlichen<br />

und spätantiken Episkopats zu leisten<br />

vermag und welche Konsequenzen hieraus<br />

für weitere Projekte zu ziehen sind.<br />

Anmerkungen:<br />

1<br />

Eines der jüngsten Beispiele ist die Dissertation von<br />

Claudia Tiersch, Johannes Chrysostomus von Konstantinopel<br />

(398–404). Weltsicht und Wirken eines Bischofs<br />

in der Hauptstadt des Oströmischen Reiches, Tübingen<br />

2002.<br />

2<br />

Anstelle vieler Beiträge der älteren Forschung sei genannt<br />

Maria Rosa Cimma, L’episcopalis audientia nelle<br />

costituzioni imperiali da Costantino à Giustiniano, Turin<br />

1989.<br />

3<br />

Siehe etwa Susanne Baumgart, Die Bischofsherrschaft<br />

im Gallien des 5. Jahrhunderts. Eine Untersuchung zu<br />

den Gründen und Anfängen weltlicher Herrschaft der<br />

Kirche, München 1995.<br />

4<br />

So beispielsweise Werner Eck, Das Eindringen des Christentums<br />

in den Senatorenstand, in: Chiron 1 (1971)<br />

381–406; ders., Der Einfluß der konstantinischen Wende<br />

auf die Auswahl der Bischöfe im 4. und 5. Jahrhundert,<br />

in: Chiron 8 (1978) 561–585.<br />

5<br />

Dieses Phänomen ist allen voran von Peter Brown eingehend<br />

erforscht worden; siehe besonders seinen Aufsatz<br />

The Rise and Function of the Holy Man in Late Antiquity,<br />

in: Journal of Roman Studies 61 (1971) 80–101<br />

(wiederabgedruckt in: ders., Society and the Holy in<br />

Late Antiquity, Berkeley-Los Angeles 1982), sowie The<br />

Rise and Function of the Holy Man in Late Antiquity,<br />

1971–1997, in: The Journal of Eastern Christian Studies<br />

6 (1998) 353–376.<br />

6<br />

Dies ist eine der Kernthesen der Monographie von<br />

Claudia Rapp, Holy Bishops in Late Antiquity. The Nature<br />

of Christian Leadership in an Age of Transition,<br />

Berkeley-Los Angeles-London 2005.<br />

Bildnachweis:<br />

Abb. 1 und 2: Ökumenisches Heiligenlexikon (Internetprojekt)<br />

Abb. 3: C. Mango, Materials for the Study of the Mosaics<br />

of St. Sophia at Istanbul. Dumbarton Oaks Research Library,<br />

Washington 1962, Tafel 70.<br />

Kontakt:<br />

Prof. Dr. Karen Piepenbrink<br />

Justus-Liebig-Universität Gießen<br />

Historisches Institut<br />

Professur für Alte Geschichte<br />

Otto-Behaghel-Straße 10, Haus G<br />

D-35394 Gießen<br />

Telefon: 0049-641-99-28080<br />

Karen.Piepenbrink@geschichte.uni-giessen.de<br />

70

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!