Universitätsblätter 2012 - Gießener Hochschulgesellschaft
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<strong>Gießener</strong><br />
<strong>Universitätsblätter</strong><br />
45 | <strong>2012</strong><br />
Thilo Marauhn<br />
„… die normative Kraft des Faktischen in<br />
ihrer ganzen schöpferischen Bedeutung zu erfassen …“<br />
(Franz von Liszt, 1851–1919)<br />
Das Franz-von-Liszt-Institut für internationales Recht und Rechtsvergleichung<br />
Dass sich die 1607 für die Region geschaffene<br />
Ludoviciana im 19. Jahrhundert zu einer nicht<br />
nur über die engeren Landesgrenzen hinaus,<br />
sondern auch international bekannten Wissenschaftseinrichtung<br />
entwickeln konnte, hat sie<br />
nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, dass<br />
herausragende Persönlichkeiten an die Universität<br />
berufen wurden und offensichtlich ein<br />
Umfeld vorfanden, das ihnen beachtliche Entfaltungsmöglichkeiten<br />
in Forschung und Lehre<br />
bot. Justus Liebig (1803–1873), den die Hochschule<br />
nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs<br />
und der nationalsozialistischen Diktatur 1946<br />
zu ihrem neuen Namensgeber wählte, war in<br />
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für die<br />
Ludoviciana prägend. Mit ihm, der von 1824<br />
bis 1852 Professor der Chemie an der <strong>Gießener</strong><br />
Universität war, ist der Aufschwung und die erste<br />
Blütezeit der Naturwissenschaften verbunden.<br />
Zu den Persönlichkeiten, die in vergleichbarer<br />
Weise ihre jeweilige Disziplin geprägt haben<br />
und die im 19. Jahrhundert ihren Weg an<br />
die Ludoviciana fanden, gehörten in der Rechtswissenschaft<br />
Rudolf von Jhering (1818–1892)<br />
und Franz von Liszt (1851–1919). Franz von<br />
Liszt hatte von 1879 bis 1882 einen Lehrstuhl<br />
an der Universität Gießen inne. Dies war seine<br />
erste Professur nach der Habilitation 1846 in<br />
Graz. Zuvor hatte der gebürtige Wiener den<br />
dort tätigen Rudolf von Jhering im Rahmen seines<br />
Studiums kennen gelernt. Von Gießen aus<br />
ging Franz von Liszt zunächst nach Marburg,<br />
dann nach Halle (ab 1889) und schließlich<br />
1898 nach Berlin, wo er neben seiner wissenschaftlichen<br />
Laufbahn auch ein beachtliches<br />
politisches Engagement entwickelte.<br />
Heute trägt im Fachbereich Rechtswissenschaft<br />
der Justus-Liebig-Universität das Institut<br />
für internationales Recht und Rechtsvergleichung<br />
den Namen dieses Rechtsgelehrten. Die<br />
Gründung des Franz-von-Liszt-Instituts für internationales<br />
Recht und Rechtsvergleichung<br />
erfolgte im Jahre 2006 nach etwas mehr als<br />
dreijährigen Vorarbeiten einer universitären<br />
Forschungsstelle und einer externen Begutachtung<br />
der bis dahin durchgeführten Projekte.<br />
Anders als die meisten international ausgerichteten<br />
rechtswissenschaftlichen Forschungsinstitute<br />
in der Bundesrepublik Deutschland ist<br />
das Franz-von-Liszt-Institut weder auf das Völkerrecht<br />
noch auf eine der rechtswissenschaftlichen<br />
Teildisziplinen beschränkt. Es bündelt<br />
vielmehr die internationalen Fragestellungen<br />
des Privat-, des Straf- und des Öffentlichen<br />
Rechts und zielt auf die Erforschung der Gemeinsamkeiten<br />
und Unterschiede nicht nur<br />
hier, sondern auch im Kontext der privat-, strafund<br />
öffentlich-rechtlichen Rechtsvergleichung.<br />
Entsprechend dieser Ausrichtung setzt sich das<br />
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