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Ernst Topitsch: Naturrecht im Wandel des Jahrhunderts

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80 AUFKLÄRUNG UND KRITIK März 1994 Nr. 1<br />

nicht einmal eine wahrscheinlichkeitstheoretische.<br />

5.2 Der Zufall<br />

Die Umgangssprache nennt einen<br />

Vorgang wie das Ziehen einer Lottokugel<br />

zufällig.<br />

Man sieht zunächst, daß die Trommel<br />

mit den Kugeln natürlich den Gesetzen<br />

der Physik genügt und daher alle<br />

Vorgänge streng kausal ablaufen. Woher<br />

kommt dann die sogenannte Zufälligkeit?<br />

Im vorliegenden Fall liegt sie in<br />

dem Sachverhalt, daß der Zustand der<br />

Kugeln in der Trommel nicht exakt festzustellen<br />

ist und bereits die kleinste Ungenauigkeit<br />

<strong>im</strong> Anfangszustand nach<br />

einer Weile zu unvorhersagbaren, großen<br />

Abweichungen <strong>im</strong> Endzustand führt.<br />

Diesen Sachverhalt jedoch kennen<br />

wir bereits von Systemen mit chaotischem<br />

Verhalten.<br />

Es ist also festzustellen:<br />

Alle Vorgänge laufen streng deterministisch<br />

ab. Die Kausalität wird an<br />

keiner Stelle verletzt. Nur dann, wenn<br />

aus Mangel an Information ein Anfangszustand<br />

nicht genau genug best<strong>im</strong>mt werden<br />

kann und sich daher ein unerwartetes,<br />

nicht vorhersagbares Endergebnis<br />

einstellt, nennen wir einen derartigen<br />

Vorgang zufällig.<br />

Es gibt also keinen „wirklichen Zufall“,<br />

der das Kausalgesetz verletzen würde.<br />

Zufällig heißt ein Vorgang, der zwar<br />

an sich streng determiniert abläuft, <strong>des</strong>sen<br />

Verhalten wir jedoch nicht kennen<br />

und der daher zu unvorhersagbaren Ergebnissen<br />

führt.<br />

Anmerkung:<br />

Die bisher gemachten Feststellungen<br />

beziehen sich auf meso- und makrophysikalische<br />

Vorgänge, in denen die Quantenmechanik<br />

keine Rolle spielt. Die Diskussion<br />

der Ergebnisse der Quantenmechanik<br />

zu Determinismus und Zufall erfordern<br />

wegen der Schwierigkeit eine gesonderte<br />

Behandlung, die über den an<br />

dieser Stelle angegebenen Rahmen hinausgeht.<br />

6. Das Ergebnis<br />

Die reale Welt durchwaltet eine<br />

wunderbare, faszinierende Ordnung.<br />

Alles „Unordentliche“ wäre durch die<br />

Evolution bereits elementiert worden.<br />

Alle Systeme der Meso- und Makrophysik<br />

folgen streng der Kausalität.<br />

Zufall gibt es in der realen Welt nicht.<br />

Einige Systeme zeigen chaotisches<br />

Verhalten. Für die Praxis <strong>des</strong> Alltagslebens<br />

ist von Bedeutung, daß das Verhalten<br />

dieser Systeme nicht <strong>im</strong>mer<br />

vorhersagbar ist.<br />

Bei aller planenden Zukunftsvorsorge<br />

muß damit gerechnet werden,<br />

daß sich grundsätzlich unvorhersagbare<br />

Folgen einstellen können. Das<br />

zwingt zu neuen Formen der Zukunftsbewältigung,<br />

die nicht auf Vorausberechenbarkeit<br />

beruhen, sondern die<br />

mögliche Unberechenbarkeit der Zukunft<br />

miteinbeziehen.<br />

Copyright: Prof. Dr. Bernd Schmidt,<br />

Lehrstuhl für Operations Research und<br />

Systemtheorie, Universität Passau.

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