Wirksame Wege…
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Walter Werner<br />
Dr. Ingo Gottschalk<br />
Geleitwort<br />
Verein für Sozialplanung e.V.<br />
Sozialplanung ist das Analyse- und Steuerungsinstrument<br />
für kommunale Sozialpolitik. Die vom<br />
Diakonischen Werk Braunschweig in Auftrag gegebene<br />
und von der Gesellschaft für Organisation und Entscheidung<br />
(GOE) durchgeführte Studie „Handlungsorientierte<br />
Sozialberichterstattung für das Braunschweiger Land“ ist<br />
ein Musterbeispiel für eine ausgereifte sozialplanerische<br />
Herangehensweise, welche die Lebenswirklichkeit von<br />
Familien mit Kindern im Hartz-IV-Bezug und mit geringem<br />
Einkommen anschaulich abbildet und mit konkreten<br />
Empfehlungen zur Verbesserung ihrer Lebenslagen<br />
verknüpft. Das Besondere an dieser Studie ist, dass sie<br />
die Deutung der Lebenswirklichkeit aus verschiedenen<br />
Perspektiven vornimmt, die kulturellen und sprachlichen<br />
Differenzen der Deutungswelt der professionellen<br />
Akteure und der Betroffenen selbst sichtbar macht und<br />
daraus ganz praktische Empfehlungen im Dialog mit<br />
beiden Seiten ableitet.<br />
Der analytische Teil liefert mit seiner methodischen Kombination<br />
der Auswertung einschlägiger Sozialdaten zur<br />
Einkommens-, Wohn-, Bildungs-, Erwerbs- und Gesundheitssituation,<br />
der Befragung von Repräsentanten aus<br />
Einrichtungen, mit denen es die Betroffenen ständig zu<br />
tun haben, und mehr als 300 Intensiv-Interviews tiefe<br />
Einsichten in die alltägliche Lebenswelt von allein und<br />
gemeinsam erziehenden Familien mit Kindern und ihre<br />
familiären Arrangements zur permanenten Krisen- und<br />
Problembewältigung.<br />
Die Vorgehensweise dieser wohl umfangreichsten Studie<br />
zur Familien- und Kinderarmut auf kommunaler<br />
Ebene in den letzten Jahren ist in mehrfacher Hinsicht<br />
einmalig. Einbezogen sind fünf Gebietskörperschaften,<br />
die getrennt betrachtet werden können. Beindruckend ist<br />
die breite Beteiligung an der Studie. Der Fremdwahrnehmung<br />
durch die „Armutsbehörden“ wird die Selbstwahrnehmung<br />
Betroffener gegenübergestellt. Zu den Interviews<br />
gibt es einen Kontrollgruppenvergleich mit besser<br />
gestellten Familien. In die Empfehlungen sind auch die<br />
Ergebnisse der fünf durchgeführten Akteurskonferenzen<br />
eingeflossen.<br />
Bemerkenswert sind die Ergebnisse der Studie, die gängige<br />
Vorurteile in der Öffentlichkeit, aber auch bei etlichen<br />
Profis auf Behörden- und Trägerseite ausräumen.<br />
Die einkommensschwachen Familien sind keineswegs<br />
„Rabeneltern“, sondern sparen bei ihren Kindern zuletzt,<br />
sorgen für sie und wünschen ausdrücklich Unterstützung<br />
besonders bei Erziehungs- und schulischen Problemen.<br />
Zweifel an der Mittelverwendung zuungunsten der Kinder<br />
und ihre Umschichtung in Alkohol und Zigaretten<br />
sind weitgehend unbegründet. Sie sind keine „Faulenzer“,<br />
die meisten von ihnen gehören zur Gruppe der „working<br />
poor“, wollen mehr arbeiten und haben die Hoffnung<br />
auf eine besser bezahlte Arbeit nicht aufgegeben. Und<br />
trotz ihrer prekären Lage erhoffen sich fast die Hälfte eine<br />
Verbesserung ihres Lebensstandards in den kommenden<br />
Jahren. Menschen mit Migrationshintergrund haben<br />
dabei in vielem eine vergleichbare Einschätzung wie die<br />
deutschen Haushalte.<br />
Beachtlich sind auch die in der Studie vorgeschlagenen<br />
Empfehlungen. Sie haben einen so konkreten Praxisbezug,<br />
dass man sich von Seiten der Verantwortlichen nur<br />
ihre baldige Umsetzung wünscht oder zumindest konkrete<br />
Schritte dahin. Dazu zählen die Neuausrichtung auf<br />
ein lebenslagenbezogenes Hilfesystem, das sich auf „Hilfen<br />
aus einer Hand“ umstellt. Die Förderung „Hauswirtschaftlicher<br />
Kompetenz“ setzt an dem zentralen Problem<br />
der untersuchten Familien an. Zwei Drittel kommen mit<br />
dem Geld nicht aus oder es reicht nur für zwei Drittel des