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GEW-ZEITUNG Rheinland-Pfalz

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SCHULEN<br />

plädiere für eine durchschnittliche Rechengröße von rd. 4,5 h, d.h.<br />

für eine VZStelle pro 6 Förderkinder, über alle Behinderungsarten<br />

hinweg. Ich habe an anderer Stelle ein Modell entwickelt, dass aus<br />

dem bekannten Ressourcen-Etikettierungs-Dilemma herausführt<br />

und die sonderpädagogischen Finanzen an die gesamte Schülerzahl<br />

eines Einzugsgebietes bindet und nicht mehr an die problematischen<br />

Feststellungsgutachten, die ja oft im Verdacht der Ressourcensicherung<br />

von Sonderschulen oder Schwerpunktschulen stehen (vgl. die<br />

Modellrechung in Preuss-Lausitz 2008). Es kann weder ökonomisch<br />

noch vom Lernergebnis noch demokratietheoretisch akzeptiert<br />

werden, dass Regelschulen sich ständig von schwierigen Kindern<br />

entlasten, Sonderschulen schon aus Bestandssicherungsgründen sie<br />

gern aufnehmen, die Kinder aber im Bildungsgetto bleiben.<br />

4. Wir führen landesweit die flexible, jahrgangsübergreifende Eingangsstufe<br />

ein, in der zwei Kolleginnen zusammen arbeiten, mit der<br />

Möglichkeit für die Kinder, kürzer oder länger darin zu verweilen,<br />

und um bei möglichst jedem Kind die Lernziele der zweijährigen<br />

Schulanfangsphase zu erreichen. Die wiss. Begleitung in Baden-<br />

Württembergs Flexibler Eingangsstufe und die Erfahrungen in<br />

Berlin zeigen, dass entscheidend für den teilweise sehr guten Erfolg<br />

die Bereitschaft der Lehrkräfte zur Zusammenarbeit und zur inneren<br />

Differenzierung ist. Fortbildung innerhalb einer neu zu regelnden<br />

Jahresarbeitszeit der Lehrer muss also verbindlich angeboten und<br />

innerhalb der Jahresarbeitszeit auch realisiert werden.<br />

5. Wir machen zu Beginn der Grundschule bei jedem Kind eine<br />

Lernausgangsdiagnose, die auch die körperliche, soziale und<br />

emotionale Entwicklung einschließt. Nur so können individuelle<br />

Förderansätze entwickelt und auf ihre Wirksamkeit hin überprüft<br />

werden.<br />

6. Wir verzichten auf das zwangsweise Sitzenbleiben. Wir schaffen<br />

stattdessen innerschulische Möglichkeiten der individuellen Lernhilfen,<br />

auch am Nachmittag, wie es uns etwa selbst das LernZentrum<br />

des Gymnasiums Beckum vormacht (Kleinlosen in SchulVerwaltung<br />

2006).<br />

7. Wir wandeln alle Grundschulen schrittweise in ganztägig offene<br />

Schulen um, die auch offen sind für vielfältige nachmittägliche<br />

Aktivitäten anderer Akteure, von den Musik- und Sportgruppen der<br />

Vereine bis hin zu Angeboten der Jugendhilfe und freier Künstler.<br />

Ziel sollte sein, dass an drei Nachmittagen alle Schüler anwesend<br />

sind („gebundene Ganztagsschule“), damit die kompensatorischen<br />

Angebote, auch gezielte Lernhilfen, auch greifen. Ich halte es für ein<br />

sozialpolitisches Gebot, dass, wie in Finnland, in Ganztagsschulen<br />

das Mittagessen kostenlos ist.<br />

8. Wir verzichten auf Grundschulempfehlungen, sondern etablieren<br />

stattdessen ab der dritten Klasse halbjährliche verbindliche Beratungsgespräche<br />

zwischen Klassenlehrkraft, Eltern und dem Kind,<br />

um das Zeugnis zu reflektieren und die Perspektive für die nächsten<br />

Schritte gemeinsam mit dem Kind zu verabreden (wie es in der<br />

Gesamtschule Bremen, Xylander 2007, gemacht wird).<br />

9. Wir setzen uns als Ziel, im Jahr 2010 alle Grundschulklassen mit<br />

einer Frequenzobergrenze von 20-22 Kindern zu planen.<br />

10. Wir führen bei der zuständigen Jugendhilfe eine feste Zuordnung<br />

der Grundschulen und eine niedrigschwellige Beratungsstunde in<br />

den Grundschulen für Eltern und Lehrer ein. Wo dies praktiziert<br />

wird (Preuss-Lausitz 2005), hat sich die soziale Distanz der bildungsfernen<br />

und migrantischen Eltern deutlich verringert, und die<br />

Wirkung der Förderung konnte gesteigert werden.<br />

Angesichts der demografischen Entwicklung ist darüber hinaus zu<br />

klären, wie langfristig kurze Schulwege für kleine Kinder gesichert<br />

werden können. Schon heute ist dies ein zentrales Problem in Ostdeutschland;<br />

es wird jedoch spätestens 2015 auch in den übrigen<br />

Regionen Deutschlands zum Handeln zwingen. M.E. muss man<br />

darüber nachdenken, ob Standorte als flexible jahrgangsübergreifende<br />

Eingangsstufen vor Ort gehalten werden, ohne dass sie als<br />

selbständige Grundschulen geführt werden, sondern als Außenstellen<br />

größerer Grundschulen.<br />

Die genannten Punkte sind nicht nur bildungspolitisch realisierbar.<br />

Sie müssen auch von den Schulträgern und vor allem von den<br />

Grundschulen gewollt und mitgetragen werden, und man muss<br />

auch mit den Eltern vor Ort sprechen, die ja andere Erfahrungen<br />

in ihrer eigenen Kindheit hatten. Ein Bündnis für eine wirkliche<br />

Grundschule für alle verlangt die Vernetzung mit allen Akteuren.<br />

Guter Unterricht auch mit schwierigen Kindern<br />

Veränderte Rahmenbedingungen eröffnen die Chance, kein Kind<br />

mehr zurück zu lassen. Eine Garantie ist es nicht. Ich will daher<br />

im letzten Teil auf die Frage eingehen, wie der Unterricht gestaltet<br />

werden sollte, wenn er nicht nur „guter“ Unterricht ist, sondern für<br />

eine pädagogisch besonders schwierige Gruppe, jene mit Verhaltensproblemen,<br />

gelingend sein soll.<br />

Zuvor erinnere ich an das, was die Unterrichtsforschung als „guten<br />

Unterricht“ oder lernförderlichen Unterricht bezeichnet. Andreas<br />

Helmke (2004, 2006) und Hilbert Meyer (2003, 2004) haben die<br />

wichtigsten Aspekte zusammengestellt 1 . Ich fasse sie hier zu acht<br />

Punkten zusammen:<br />

1. Intensive Nutzung der Lernzeit. Zielführende Gespräche.<br />

2. Klares, aufmerksames, freundliches und respektvolles Lehrerverhalten.<br />

3. Klarheit der Aufgaben und Arbeitsabläufe.<br />

4. Methodenvielfalt und intelligentes (!) Üben, Training von Präsentationstechniken.<br />

5. Wahl- und Partizipationsmöglichkeiten auf allen Ebenen des<br />

Unterrichts.<br />

6. Ermöglichung individueller Lerninteressen und Lernwege,<br />

Anknüpfung an individuelle Lern- und -entwicklungsstände (individuelle<br />

Passung).<br />

7. Ritualisierung eines konsequenten Lehrer-Feedbacks und des<br />

Schüler-Feedbacks, auch bei Hausaufgaben.<br />

10<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 12 / 2007

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