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GEW-ZEITUNG Rheinland-Pfalz

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SCHULEN<br />

auch deutsche Forschung zeigt nun, dass kleinere Klassen effektiv<br />

sind für die Sprachkompetenz (Englisch, DESI) als auch in den ersten<br />

Grundschulklassen für leistungsschwache und sozial benachteiligte<br />

Kinder. In kleineren Klassen scheinen günstigere Sozialformen<br />

und passungsgerechtere und lernmotivierende Unterrichtsmethoden<br />

eher möglich (Nachweise im Bildungsmonitor 2007 des IW Köln,<br />

vgl. Plünnecke u.a.S. 41).<br />

9. Slow learner lernen in leistungshomogenen Lerngruppen, also<br />

in Klassen für sog. Lernbehinderte, weniger als in „normalen“, leistungsgemischten<br />

Klassen. Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler<br />

werden, entgegen verbreiteter Ängste von Eltern und öffentlicher<br />

Vorurteilen, in Integrationsklassen weder leistungsmäßig noch sozial<br />

beeinträchtigt, eher im Gegenteil. Gleich intelligente Kinder lernen,<br />

wie Tent schon 1991 vergleichend feststellen musste, in Sonderschulen<br />

trotz besserer Rahmenbedingungen weniger als in Regelschulen,<br />

ja ihre Intelligenz nimmt sogar ab, je früher sie dort beschult werden.<br />

Die Arbeit von Sonderpädagogen ist in Sonderschulen, entgegen<br />

ihrem Wollen, ineffektiv. Der Sonderpädagoge Wocken hat dies<br />

jüngst in mehreren Bundesländern nochmals empirisch nachweisen<br />

können (Wocken 2007). Je früher Kinder in Sonderschulen kommen,<br />

desto dümmer werden sie, bringt Wocken dies jüngst in der<br />

„Zeit“ auf den polemischen Punkt (Wocken in Scholz 2007). Das<br />

gilt analog auch für Sinnes- und Körperbehinderte, auch Kinder mit<br />

geistigen Behinderungen, sie erfahren keine günstigeren Lern- und<br />

Entwicklungschancen, wenn sie nur mit anderen Kindern gleicher<br />

Behinderung zusammen lernen und interagieren. Auch hier gilt: Das<br />

reduzierte Anregungsmilieu motiviert weniger, regt weniger an und<br />

führt zu latenter Selbst- und Fremdisolation, die wiederum Lernen<br />

und Entwicklung behindern. Um so unverständlicher, dass auch<br />

in <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> immer noch 18.732 Kinder in Sonderschulen<br />

separat unterrichtet werden, darunter 10.127 in allg. Förderschulen,<br />

den alten Lernbehindertenschulen, und 858 in Klassen und Schulen<br />

für Erziehungshilfe (Stat. Landesamt <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong>, 2007), die<br />

besser Schulen für Erziehungsbehinderung hießen - was soll dabei<br />

heraus kommen aus jenem von Baumert als<br />

„ungünstiges Lern- und Entwicklungsmilieu“<br />

benannten aggressiven Gruppen mit je 10<br />

schwierigen Kindern?<br />

10. Und nicht zuletzt: Nicht nur die Dauer<br />

des Vorschulbereichs korreliert positiv mit<br />

den Leseleistungen am Ende der Grundschulzeit,<br />

sondern auch der Besuch von<br />

Ganztagsschulen, insbesondere von gebundenen<br />

Ganztagsschulen (vgl. Steg-Ergebnisse,<br />

auch in Plünnecke 2007 zusammengefasst).<br />

Ganztagsschulen haben, allein durch den<br />

verstärkten nachmittäglichen Besuch, kompensatorische<br />

Effekte gerade für Kinder mit<br />

Migrationshintergrund und für sozial isolierte<br />

und benachteiligte Kinder - und erleichtern<br />

Eltern ihre berufliche Situation.<br />

Diese 10 Ergebnisse der Lern- und Schulforschung<br />

sind unter den Fachleuten kaum<br />

umstritten. Anders sieht es in der Politik<br />

aus: Je nach Ideologie wird das eine erwähnt,<br />

das andere ignoriert oder gar geleugnet. Wer<br />

eine Versachlichung sucht, sollte jedoch zur<br />

Kenntnis nehmen, dass wir heute sehr viel mehr über die Wirkungen<br />

von Schule und Unterricht wissen also noch vor 10, 30 oder<br />

gar 50 Jahren. Die Politik sollte diese Forschungsergebnisse endlich<br />

umsetzen in konkrete Verbesserung, damit wirklich kein Kind mehr<br />

zurück gelassen wird.<br />

Kindheit und Grundschule<br />

Viele Lehrkräfte sagen, dass Unterricht und Erziehung schwieriger<br />

geworden sind, nicht nur wegen der Rahmenbedingungen, sondern<br />

weil Kinder heute anders sind als vor einer Generation. Kindheitsforscher<br />

beobachten, dass es günstigere wie zugleich belastendere<br />

Faktoren des Aufwachsens gibt, dass eine Polarisierung beobachtbar<br />

ist: reiche und arme Kinder, bewegungsreich und bewegungsarm<br />

aufwachsende Kinder, Kinder mit vielen kulturellen Aktivitäten<br />

und solche, die in Passivität verharren, technisch versierte Kinder<br />

und solche ohne Technikzugang, liebevoll aufwachsende Kinder<br />

und solche, die Gewalt und Vernachlässigung erfahren, gesunde<br />

Kinder und solche mit Krankheiten und Behinderungen, isolierte<br />

Kinder und solche mit vielen Freunden.<br />

Zugleich sind die Ansprüche an Kinder gestiegen, in den Familien<br />

und in der Schule. Die wenigen Kinder der Familien sollen nun<br />

frühzeitig selbständig werden, um den Alltag auch ohne Mutter<br />

und Vater zu bewältigen; sie sollen ihre Woche planen können,<br />

Termine einhalten und den Wochenplan selbständig umsetzen, sie<br />

sollen Freundschaften finden und pflegen, sie sollen argumentieren<br />

lernen, damit sie innerhalb und außerhalb der Familie Wünsche<br />

und Konflikte verbal aushandeln lernen, also frühzeitig sprachliche<br />

Kompetenz erwerben, und sie sollen in einer pluralen, multikulturellen<br />

Umwelt das Andere, das Fremde nicht als bedrohlich erleben,<br />

sondern mit ihm leben, im günstigen Fall sich davon bereichern<br />

lassen. Dazu trägt auch bei, dass Kinder heute viel mehr von der<br />

- vielfältigen - Welt erfahren als frühere Kindergenerationen: durch<br />

Reisen mit den Eltern, durch eingewanderte Nachbarn oder durch<br />

die eigene familiäre Migrationsgeschichte, durch das Fernsehen,<br />

durch das Internet.<br />

8<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 12 / 2007

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