Heft 3/2004: "Sudan - Krise in Darfur" - unhcr
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© A. REHRL/CP/SLE•<strong>2004</strong><br />
Teil ihrer selbst abhanden gekommen. Aber alle<br />
bemühen sich, ihre Würde beizubehalten. Jeder sucht<br />
nach e<strong>in</strong>em neuen Anfangspunkt und e<strong>in</strong>em Stück<br />
Hoffnung, um sich daran festzuklammern.<br />
Im örtlichen Durchgangslager neu e<strong>in</strong>getroffene<br />
sierraleonische Rückkehrer s<strong>in</strong>d ebenfalls hoffnungsvoll.<br />
Nachdem sie 13 Jahre <strong>in</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gslagern<br />
auf der anderen Seite des Flusses <strong>in</strong> Gu<strong>in</strong>ea gelebt<br />
haben, haben sie sich endlich zur Heimkehr entschossen.<br />
UNHCR hat bereits fast 30.000 Rückkehrer<br />
wieder angesiedelt.<br />
An e<strong>in</strong>em milden Tropenmorgen betreten 90<br />
Rückkehrer am Ufer des Moa-Flusses heimischen<br />
Boden, nachdem sie den Fluss auf von UNHCR bereitgestellten<br />
Flößen und Booten überquert haben.<br />
E<strong>in</strong> vier Jahre alter Junge stolpert vom Boot. Er sucht<br />
nach se<strong>in</strong>er Mutter, die ihm <strong>in</strong> der kle<strong>in</strong>en Menschenmenge<br />
abhanden gekommen ist.<br />
„Willkommen daheim“, erkl<strong>in</strong>gt es aus e<strong>in</strong>em<br />
Megaphon.<br />
E<strong>in</strong>e UNHCR-Mitarbeiter<strong>in</strong> sieht das K<strong>in</strong>d und<br />
führt es behutsam an der Hand zu dem Konvoi, wo<br />
se<strong>in</strong>e Mutter wartet. Als sie den Lastwagen besteigt,<br />
ergreift der Junge ihren Rock und wirft zum ersten<br />
Mal e<strong>in</strong>en Blick auf se<strong>in</strong> Heimatland.<br />
Später trifft e<strong>in</strong>e andere Familie im Durchgangslager<br />
von Kailahun e<strong>in</strong>. Die Erwachsenen tragen zwei<br />
Holzstühle, vier Säcke Reis und sieben Taschen bei<br />
sich – sowie drei K<strong>in</strong>der, die alle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Flüchtl<strong>in</strong>gslager<br />
nahe Kissidougou <strong>in</strong> Gu<strong>in</strong>ea geboren wurden.<br />
„S<strong>in</strong>d dies alle Ihre Besitztümer?“<br />
„Ja“, antworten sie. Die von UNHCR ausgehändigten<br />
Matten, Petroleumlampen, Küchenutensilien<br />
und Schüsseln kommen noch h<strong>in</strong>zu.<br />
„Wie sollen wir das alles bis <strong>in</strong> unser Dorf mitnehmen?“<br />
fragt der Mann verzweifelt. Se<strong>in</strong>e<br />
pragmatischer veranlagte Ehefrau füttert zuerst das<br />
mittlere der drei K<strong>in</strong>der und schiebt dann alle ihre<br />
Besitztümer <strong>in</strong> den Schatten, wobei sie das Neugeborene<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Tragetuch auf dem Rücken hat.<br />
Sie stapelt die Taschen übere<strong>in</strong>ander, stellt die Stühle<br />
h<strong>in</strong> und ordnet die Küchenutensilien darauf an. Ihr<br />
Ehemann sieht voller Bewunderung zu. Nach ihrem<br />
gewissenhaften E<strong>in</strong>greifen wirkt ihr Hausrat<br />
deutlich kompakter, aber das Problem se<strong>in</strong>es Transports<br />
<strong>in</strong> ihr 200 Kilometer entfernt liegendes Dorf ist<br />
dadurch nicht kle<strong>in</strong>er geworden. Es s<strong>in</strong>d die ersten<br />
Schritte <strong>in</strong> e<strong>in</strong> neues Leben.<br />
EINE FREMDE NEUE WELT<br />
Viele Sierra-Leoner unternehmen ihre ersten<br />
Schritte <strong>in</strong> diesem neu gefundenen Frieden. Fast alle<br />
s<strong>in</strong>d m<strong>in</strong>destens zehn Jahre „im Rückstand“, aber<br />
niemand will zurückblicken. Was zählt, ist die Zukunft,<br />
sagen sie. In dieser fremden neuen Welt<br />
müssen mittellose Veteranen feststellen, dass sie Tür<br />
an Tür mit Kriegsverbrechern leben. Ehemalige<br />
K<strong>in</strong>dersoldaten stehen auf der Straße plötzlich ihren<br />
Pe<strong>in</strong>igern gegenüber. Kriegs<strong>in</strong>validen, denen<br />
während des Konflikts brutal Gliedmaßen abgehackt<br />
wurden, sehen sich mit den Verantwortlichen für<br />
ihre schrecklichen Verstümmelungen konfrontiert,<br />
wenn sie zufällig <strong>in</strong> derselben Gegend wohnen.<br />
„Wenn der Junge, der me<strong>in</strong>en Arm abgehackt hat,<br />
jetzt <strong>in</strong>s Gefängnis muss, dann mag man das<br />
Gerechtigkeit nennen“, sagt der 45-jährige Siah<br />
Mansaray verärgert. Er lebt im Kriegs<strong>in</strong>validenlager<br />
Aberdeen und wartet auf e<strong>in</strong> neues Heim. „Aber<br />
selbst wenn er <strong>in</strong>s Gefängnis muss, bekomme ich dadurch<br />
nicht me<strong>in</strong>en Arm zurück.“<br />
Die wieder aufgebaute<br />
Moschee <strong>in</strong><br />
Kailahun.<br />
Rückkehrer im<br />
Durchgangszentrum<br />
Kailahun.<br />
FLÜCHTLINGE NR. 3/<strong>2004</strong><br />
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