Heft 3/2004: "Sudan - Krise in Darfur" - unhcr

DARFUR DIE DERZEIT SCHLIMMSTE KRISE
TSCHAD
Iridimi
Touloum
Mile
Kounoungo
Oure Cassoni
SUDAN
ABÉCHÉ
Farchana
Bredjing
EL GENEINA
EL FASHER
West-Darfur
Djabal
Goz Amer
NYALA
Angehörige trauern
bei der Leiche des
einjährigen Ali, der
in einem provisorischen
Lager in
El Dscheneina an
Unterernährung
starb.
Von Kitty McKinsey
Man ahnt das ungeheure
Ausmaß
von Tod,
Zerstörung und
blankem Terror,
von dem die
westsudanesische
Region Darfur heimgesucht wurde,
wenn man vor den „Unterkünften“ von
Babiker Yahya steht. Der 70 Jahre alte Patriarch
und fünf andere Mitglieder seiner
Großfamilie bewohnen eine winzige
Strohhütte, die sogar über ein Dach verfügt.
Zwölf weitere Familienangehörige leben
in zwei „Löchern“ ein paar Meter entfernt:
runde, kniehohe Gebilde von der Größe
eines kleinen Frühstückstisches in einer
europäischen oder nordamerikanischen
Küche. Ihre „Wände“ bestehen aus in den
Sand gesteckten Zweigen und verwelkten
Blättern, die kaum mehr bewirken, als ein
Stück Boden in der unermesslichen Wüste
abzustecken. Dächer fehlen. Wenn spät
nachts die sintflutartigen jahreszeitlichen
„SIE RISSEN MIR MEIN KIND VOM RÜCKEN,
Niederschläge fallen, eilen alle 18 Familien-
mitglieder in ein stabileres Haus aus Lehmziegeln, wo
sie mit Dutzenden anderen eng aneinander gekauert
auf das Ende des heftigen Unwetters warten.
Die Tatsache, dass Babikers Familie in den
armseligen Behausungen in Dorti, einem Lager für
Vertriebene am Rand von El Dscheneina, der Hauptstadt
von West-Darfur bleibt, obwohl ihr intaktes
Heim und landwirtschaftlich genutzter Grundbesitz
nur wenige Kilometern entfernt sind. Grund:
die schrecklichen Erfahrungen, die sie durchlebt
haben.
Babikers Familie wurde von bewaffneten Reitern,
die willkürlich töteten und vergewaltigten, aus
ihrem Heimatdorf Schariken verjagt. Die so genannten
Dschandschawid-Milizen plünderten anschließend
die strohgedeckten Häuser aus
Lehmziegeln und steckten die meisten davon in
Brand. Wie Babikers Familie erging es mehr als
einer Million Menschen, die durch die seit 18
Monaten anhaltende Gewalt in Darfur vertrieben
wurden.
Babiker, ein dünner Mann mit einem weißen Bart,
trägt ein schmutziges traditionelles weißes Gewand
und eine eng sitzende weiße Kopfbedeckung. Er berichtet,
er habe drei seiner Nachbarn beerdigt, die bei
dem Angriff getötet wurden. Er hält sich dennoch für
einen der glücklichsten Menschen in Darfur. Er
stand einem der Reiter von Angesicht zu Angesicht
6 FLÜCHTLINGE NR. 3/2004