Heft 3/2004: "Sudan - Krise in Darfur" - unhcr
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LIBERIA<br />
wuchert. Manche sehen <strong>in</strong> den langen Monsunregen<br />
e<strong>in</strong> Zeichen dafür, dass die Götter über den sche<strong>in</strong>bar<br />
unendlichen Albtraum Liberias we<strong>in</strong>en.<br />
Doch viele andere s<strong>in</strong>d optimistisch und stimmen<br />
mit ihren Füßen über die Zukunft ihres Landes ab,<br />
nachdem Taylor, der Verantwortliche für ihre elende<br />
Lage <strong>in</strong> den letzten Jahren, im August 2003 nach<br />
Nigeria <strong>in</strong>s Exil g<strong>in</strong>g. Seitdem s<strong>in</strong>d mehrere tausend<br />
vertriebener Liberianer aus Flüchtl<strong>in</strong>gslagern <strong>in</strong> den<br />
Nachbarländern Gu<strong>in</strong>ea, Sierra Leone und Côte<br />
d'Ivoire, aber auch aus anderen Regionen ihres Heimatlandes<br />
an ihre früheren Wohnorte zurückgekehrt.<br />
Manche Flüchtl<strong>in</strong>ge haben das Risiko nicht<br />
gescheut, mit undichten Booten aus Nigeria und<br />
Ghana über das Meer <strong>in</strong> ihr Herkunftsland zurückzukehren.<br />
Nach Taylors Ausreise wurde <strong>in</strong> Ghana e<strong>in</strong><br />
Friedensabkommen ausgearbeitet. Der Krieg hatte<br />
200.000 Menschenleben gekostet und fast e<strong>in</strong>e<br />
Million Flüchtl<strong>in</strong>ge h<strong>in</strong>terlassen. Das Abkommen sah<br />
die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er Übergangsregierung <strong>in</strong> dem<br />
Land mit se<strong>in</strong>en 2,6 Millionen E<strong>in</strong>wohnern vor und<br />
Wahlen im Oktober 2005. Das Abkommen wurde von<br />
Rebellen der „Vere<strong>in</strong>igten Liberianer für Versöhnung<br />
und Demokratie“ (LURD) sowie der „Bewegung für<br />
Demokratie“ (MODEL) unterzeichnet.<br />
STÄRKERES ENGAGEMENT<br />
Daraufh<strong>in</strong> wurden im ganzen Land die ersten<br />
Angehörigen e<strong>in</strong>er 15.000 Mann starken UN-Mission<br />
<strong>in</strong> Liberia (UNMIL) stationiert. E<strong>in</strong> landesweites Entwaffnungs-,<br />
Demobilisierungs- und Re<strong>in</strong>tegrationsprogramm<br />
wurde durchgeführt. Bis zum Sommer<br />
<strong>2004</strong> hatten etwa 60.000 Kämpfer ihre Waffen abgegeben,<br />
für die Quartiere e<strong>in</strong>gerichtet wurden.<br />
„Die derzeitigen Aktivitäten der Vere<strong>in</strong>ten<br />
Nationen <strong>in</strong> Liberia s<strong>in</strong>d die ersten ihrer Art seit dem<br />
ursprünglichen Ausbruch des Konflikts im Jahr 1989“,<br />
sagt der UNHCR-Vertreter <strong>in</strong> Liberia Moses Okello.<br />
„Die <strong>in</strong>ternationale Geme<strong>in</strong>schaft engagiert sich jetzt<br />
nachdrücklicher dafür, dass der Konflikt gelöst wird,<br />
und hoffentlich auch, um sicherzustellen, dass er<br />
nicht wieder <strong>in</strong> e<strong>in</strong> früheres Stadium abgleitet.“<br />
Okello fügt jedoch h<strong>in</strong>zu: „Man kann die Probleme<br />
Liberias nicht nur vor dem H<strong>in</strong>tergrund der 14 Jahre<br />
betrachten, <strong>in</strong> denen das Land unter der Gewalt litt.<br />
Die Geschichte Liberias beg<strong>in</strong>nt mit se<strong>in</strong>er<br />
Gründung im Jahr 1847, mit der Ankunft der Amerikanischen<br />
Kolonisierungsgesellschaft ... Die<br />
Liberianer müssen ihre liberianische Identität anerkennen.<br />
E<strong>in</strong> Teil der liberianischen Bevölkerung<br />
tendiert dazu, das politische und wirtschaftliche<br />
Leben des Landes zu kontrollieren, hält sich für amerikanisch<br />
und orientiert sich zu sehr an Amerika -<br />
zum Nachteil der anderen Liberianer.“<br />
Liberia - der Name bedeutet „Land der Freien“ –<br />
wurde von <strong>in</strong> Amerika freigelassenen schwarzafrikanischen<br />
Sklaven gegründet, die dem Land e<strong>in</strong>e<br />
US-ähnliche Verfassung gaben. Trotz der unterschiedlichen<br />
ethnischen Zusammensetzung der<br />
Bevölkerung sprechen die meisten Bewohner liberianisches<br />
Englisch. In e<strong>in</strong>igen Gebieten, <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong><br />
der schönen Hafenstadt Harper im Osten des Landes,<br />
herrscht e<strong>in</strong>e gewisse Vornehmheit, die sich beispielsweise<br />
dadurch äußert, dass die E<strong>in</strong>heimischen<br />
Fremde auf der Straße grüßen. Harper verfügt über<br />
malerische Gebäude und e<strong>in</strong> halbes Dutzend Kirchen,<br />
die an die Zeit vor dem Bürgerkrieg <strong>in</strong> den amerikanischen<br />
Südstaaten er<strong>in</strong>nern. Die Stadt wirkt wie<br />
e<strong>in</strong> Szenenbild aus dem Film „Vom W<strong>in</strong>de verweht“.<br />
Große Teile des Landes werden von majestätischen<br />
Regenwäldern mit drei Baumstockwerken bedeckt.<br />
ABSTIEG IN DIE HÖLLE<br />
Der Abstieg <strong>in</strong> die Hölle begann 133 Jahre nach der<br />
Gründung Liberias, als Hauptfeldwebel Samuel Doe<br />
im Jahr 1980 e<strong>in</strong>en Putsch <strong>in</strong>szenierte und<br />
Staatspräsident Samuel Tolbert Junior ermordete.<br />
Doe selbst wurde e<strong>in</strong> Jahrzehnt später während der<br />
Rebellion getötet, die Taylor und se<strong>in</strong>e „Nationale Patriotische<br />
Front Liberias“ (NPFL) anzettelten. Noch<br />
bevor Taylor, der früher bereits e<strong>in</strong>mal liberianischer<br />
Wirtschaftsm<strong>in</strong>ister gewesen und <strong>in</strong> den USA als<br />
verurteilter Straftäter aus dem Gefängnis geflohen<br />
war, schließlich liberianischer Staatspräsident<br />
wurde, hatte sich die NPFL zersplittert. Damit e<strong>in</strong>her<br />
g<strong>in</strong>gen Entwicklungen, die Westafrika von Grund<br />
auf veränderten.<br />
E<strong>in</strong> siegreicher und Vergeltung suchender Taylor<br />
nahm Sierra Leone <strong>in</strong>s Visier, das als Bereitstellungsraum<br />
für e<strong>in</strong>e westafrikanische Friedenstruppe<br />
gedient hatte, die e<strong>in</strong> Blutbad der NPFL-Truppen <strong>in</strong><br />
Monrovia nach dem Mord an Doe verh<strong>in</strong>dern sollte.<br />
Verbündete Truppen <strong>in</strong> der „Revolutionären Vere<strong>in</strong>igten<br />
Front“ (RUF) unter Führung von Foday<br />
Sankoh und Sam Bukarie alias Mosquito stürzten<br />
Sierra Leone <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Jahrzehnt der Brutalität, das erst<br />
vor zwei Jahren mit der Ankunft britischer und UN-<br />
Friedenstruppen endete.<br />
Taylor f<strong>in</strong>anzierte se<strong>in</strong>e Abenteuer <strong>in</strong> der politisch<br />
<strong>in</strong>stabilen Region entlang der Grenze zwischen<br />
Sierra Leone und Liberia mit Diamanten, Drogen<br />
und Tropenholz. Liberianische Milizen und Soldaten<br />
im Teenager-Alter überquerten durchlässige<br />
Grenzen, über die Gewehre und Beutegut aus dem<br />
Krieg unbeh<strong>in</strong>dert gehandelt wurden. Lokale Konflikte<br />
brachen aus. Für Flüchtl<strong>in</strong>ge, die immer wieder<br />
<strong>in</strong> das hieraus resultierende Chaos gerieten, gab es<br />
ke<strong>in</strong>en dauerhaft sicheren Zufluchtsort. Côte<br />
d'Ivoire, das e<strong>in</strong>st wie e<strong>in</strong> Licht aus dem Dunkel der<br />
Nacht herausragte und e<strong>in</strong>mal der weltweit größte<br />
Kakaoproduzent war, ist das jüngste Opfer der <strong>in</strong>nerstaatlichen<br />
Konflikte, unter denen viele afrikanische<br />
Länder zu leiden haben. Dort entwickelte sich 2002<br />
e<strong>in</strong>e gescheiterte Meuterei zu e<strong>in</strong>er ausgewachsenen<br />
Rebellion. Die kriegführenden Parteien <strong>in</strong> Côte<br />
d'Ivoire warben liberianische Kämpfer an, und<br />
Taylor stellte dem damaligen ivorischen General<br />
20 FLÜCHTLINGE NR. 3/<strong>2004</strong>