Download - Österreichisches Bibliothekswerk
Download - Österreichisches Bibliothekswerk
Download - Österreichisches Bibliothekswerk
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
impulse<br />
Übergänge: Werwölfe, Elfen und Vampire<br />
bevölkern die Lebenswelten der Fantasyliteratur.<br />
Ein letztes Mal werden die Übergänge<br />
der menschlichen und tierischen Lebensformen<br />
aufgerufen, nun meist nicht mehr<br />
spielerisch-lustig, sondern in ihrer beunruhigenden<br />
und beängstigenden Form.<br />
Literarische Entfremdungen<br />
Kafka gelingt es in seinem „Bericht für eine<br />
Akademie“, in dem ein Affe seine Menschwerdung<br />
schildert, oder in der „Verwandlung“,<br />
wo sich ein Mensch in ein riesiges<br />
Ungeziefer verwandelt, in ähnlicher Form<br />
die menschlichen und tierischen Ebenen auf<br />
einem düsteren Hintergrund zu verbinden.<br />
Günter Grass zeigte seine Faszination gegenüber<br />
den Tieren unter anderem darin, dass<br />
er seine „Tier-Bücher“ („Der Butt“, „Die Rättin“,<br />
„Im Krebsgang“) selbst illustrierte.<br />
Aber dies sind Einzelerscheinungen, die<br />
„große“ Literatur interessiert sich nicht für<br />
Tiere. Die Beispiele, die einem dennoch<br />
einfallen, sind im Verhältnis zur schriftstellerischen<br />
Gesamtproduktion nahezu verschwindend,<br />
und selbst E. T. A. Hoffmanns<br />
„Kater Murr“, George Orwells „Animal farm“<br />
oder Felix Saltens „Bambi“ erzählen letztlich<br />
kaum von den Tieren, sondern von den Vorstellungswelten<br />
der Menschen.<br />
Bachmann, Bernhard, Handke oder Jelinek<br />
stehen in ganz anderen Bezugssystemen,<br />
die Welt der Tiere bleibt zumeist jenen literarischen<br />
Gattungen vorbehalten, die in ältere<br />
Bewusstseinsschichten eintauchen: den<br />
Mythen, den Märchen - und eben auch der<br />
Kinderliteratur.<br />
Bedeuten Kunst und Kultur die Entfremdung<br />
von Natur und Tier? Wirft man einen Blick auf<br />
die europäische Kulturgeschichte der letzten<br />
Jahrhunderte, so scheint diese Annahme zu<br />
stimmen. Die Tierwelt gehört den Biologen<br />
- Mozart, Einstein, Kant und Freud interessierten<br />
sich kaum für Tiere, Nietzsche erst im<br />
geistigen Zusammenbruch, in dem er voller<br />
Mitleid ein geschlagenes Pferd umarmte.<br />
Auch bei den monotheistischen Religionen<br />
sind Tiere von sehr nachrangiger Bedeutung.<br />
Hier ist etwas von unseren Weltbezügen und<br />
Wurzeln verloren gegangen.<br />
„Wenn es im Paradies keine Tiere gibt,<br />
möchte ich dort nicht hinkommen!“ Soweit<br />
die nüchterne Bemerkung einer Hauptschülerin,<br />
die dabei einen schmerzlichen Punkt<br />
unserer religiösen Konzepte trifft. Wie steril<br />
ist das Paradies, soll eine erlöste Schöpfung<br />
den Tieren keinen Raum geben? Keine Arche,<br />
die sie rettet?<br />
Für viele Menschen ist ein Tier das letzte personelle<br />
Gegenüber, dem sie sich noch zuwenden<br />
oder dem sie sich anvertrauen können.<br />
In vielen Haushalten älterer Menschen, aber<br />
auch in verschiedensten Therapiebereichen<br />
und Sozialprojekten werden so die Tiere zu<br />
den Heilern von Wunden, die wir uns selber<br />
zugefügt haben, als wir begonnen haben, sie<br />
zu vergessen.<br />
10<br />
bn 2013 / 1