16.11.2013 Aufrufe

Download - Österreichisches Bibliothekswerk

Download - Österreichisches Bibliothekswerk

Download - Österreichisches Bibliothekswerk

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

impulse<br />

verwelkt, Schnecken und Maulwürfe lagen<br />

tot umher, und den in Monchy untergebrachten<br />

Pferden der Meldereiter lief das<br />

Wasser aus Maul und Augen. (SW 1, S. 90)<br />

Wenn die Tiere der Erde, wie ich oft in<br />

trüben Stunden fürchte, alle ausgerottet<br />

würden, so blieben sie doch in ihrer Unversehrbarkeit<br />

bestehen. Sie ruhen im Schöpfer,<br />

und nur ihr Schein wird ausgetilgt. Die<br />

Zerstörung nimmt nur die Schatten von den<br />

Bildern weg,<br />

versucht Jünger sich im Juli 1939, kurz vor<br />

Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, mit platonischem<br />

Gedankengut zu trösten. (SW 2, S. 63)<br />

In den ersten Jahrzehnten nach 1945 herrschten<br />

allgemein Technikeuphorie und Fortschrittsglauben.<br />

Kaum jemand zerbrach sich<br />

über Naturzerstörung den Kopf und eine Ökologiebewegung<br />

existierte noch lange nicht.<br />

Ganz gegen den Zeitgeist schrieb Ernst Jünger<br />

bereits damals vom Artensterben. Auf seinen<br />

Expeditionen stellt er fest, dass immer mehr<br />

Insekten einfach verschwinden.<br />

Der Katalog der Tiere, die unsere Väter<br />

noch mit Augen sahen und die wir nur aus<br />

Beschreibungen oder Abbildungen kennen,<br />

wächst beängstigend,<br />

bemerkt er 1967 und lässt keinen Zweifel an<br />

den Ursachen, nämlich Zerstörung von Lebensräumen<br />

und gezielter Gifteinsatz (SW<br />

10, S. 115). Den Biologen wirft er vor, dass sie<br />

ihre Wissenschaft dem ökonomischen Nutzen<br />

unterstellten und zur Entwicklung immer<br />

wirksamerer Insektizide beitrügen (ebd., S. 116).<br />

Mehrfach erwähnt er Rachel Carson, deren<br />

aufrüttelndes Buch „Stummer Frühling“ Jahre<br />

später zu einer Bibel der Grünen wurde.<br />

Sardinien liebt er, weil es so archaisch ist. Die<br />

touristische Erschließung der Insel, die Anfang<br />

der 1960er Jahre einsetzt, missfällt ihm<br />

naturgemäß. Seine Kritik ist aber nicht bloß<br />

nostalgisch und ästhetizistisch, sondern führt<br />

handfeste ökologische Argumente ins Treffen.<br />

So prangert er etwa den enormen Wasserverbrauch<br />

der Luxushotels an. Ähnlich wie bei seinem<br />

Bruder Friedrich Georg, der 1946 das Buch<br />

„Die Perfektion der Technik“ veröffentlichte und<br />

als Vordenker der Grünen noch weniger beachtet<br />

wird, steht Ernst Jüngers Protest gegen die<br />

Naturzerstörung im Kontext eines radikalen,<br />

wenn auch nicht widerspruchsfreien Konservativismus<br />

und einer umfassenden Fortschrittskritik,<br />

die sich auch in seinen späten Tagebüchern<br />

„Siebzig verweht“ fortsetzt.<br />

Zugegeben, es ist nicht ganz einfach und eher<br />

ungemütlich, Ernst Jüngers Werke zu lesen.<br />

Maxim Biller nannte ihn 1998 „den kältesten<br />

Schriftsteller, den Deutschland in diesem Jahrhundert<br />

hervorgebracht hat“ (zit. n. Fachdienst<br />

Germanistik 16/1998, S. 64). Die Anstrengung würde<br />

sich aber lohnen – nicht nur für die Grünen, denen<br />

es nicht schaden könnte, sich über die konservativen<br />

Wurzeln ihrer Ideen klar zu werden.<br />

Literatur<br />

Dacke, Marie et al.: Dung Beetles Use the Milky Way for<br />

Orientation. In: Current Biology, 24. 1. 2013. http://www.<br />

cell.com/current-biology/retrieve/pii/S0960982212015072.<br />

Jünger, Ernst: Sämtliche Werke. Stuttgart: Klett-Cotta<br />

1978ff. (Zit. als SW).<br />

Jünger, Friedrich Georg: Die Perfektion der Technik.<br />

Frankfurt a. M.: Klostermann 1946.<br />

Magenau, Jörg: Brüder unterm Sternenzelt. Friedrich<br />

Georg und Ernst Jünger. Eine Biografie. Stuttgart: Klett-<br />

Cotta 2012.<br />

Zarska, Natalia u. a.: Ernst Jünger – eine Bilanz. Leipziger<br />

Universitätsverlag 2010.<br />

Dr. Renate Langer ist Lehrbeauftragte im Fachbereich<br />

Germanistik der Universität Salzburg und Rezensentin<br />

der bn.bibliotheksnachrichten.<br />

24<br />

bn 2013 / 1

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!