Download - Österreichisches Bibliothekswerk
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impulse<br />
© © Friar‘s Balsam<br />
des wölfischen Wesens im Form der „Wolfsfrau“<br />
(„Women who run with the wolves“ ,<br />
1992). In emphatischem Ton erläutert Clarissa<br />
Pinkola Estés darin auf über 600 Seiten,<br />
wie nahezu alle bürgerlichen Deformationen<br />
ursprünglicher Weiblichkeit im Rückgriff auf<br />
das wölfische Urbild wieder geheilt werden<br />
könnten. Der Erfolg des Buches zeigt, dass<br />
damit ein zentraler Sehnsuchtspunkt berührt<br />
wurde. Die Freiheit liegt verschüttet und vergraben<br />
tief in uns selbst und somit in greifbarer<br />
Nähe.<br />
Bedeutend resignativer klingt es dagegen,<br />
wenn Ludwig Hirsch vom „oidn Wolf“ singt,<br />
der im Zoo seinem Ende entgegendämmert,<br />
dem die Zähne herausgerissen wurden und<br />
der seinem Traum von Freiheit und einer<br />
Welt in der „der Regen nicht bitter schmeckt“<br />
nur noch in der Erinnerung nachhängt.<br />
Was in den alten Mythen angelegt ist, hat sich<br />
im Lauf der Jahrtausende kaum verändert.<br />
Wer vom Wolf spricht, erzählt vom Menschen.<br />
Wenn Hans Lebert in seinem berühmten Roman<br />
„Die Wolfshaut“ das mörderische und<br />
hinterhältige Wesen der Dorfbewohner aufdeckt,<br />
wird ihm der Wolf zum Symbol für die<br />
Bestie im Menschen. Wenn Käthe Recheis in<br />
ihrer „Wolfssaga“ den Widerstreit von Freiheit<br />
und Tyrannei anhand von Wolfsrudeln beschreibt,<br />
zeichnet sie in ihnen widerstreitende<br />
Formen menschlicher Gesellschaft. Doch hinter<br />
all diesem jahrtausendelangen Ringen lebt<br />
auch noch ein alter, schöner Traum:<br />
Bruder Wolf<br />
In seiner Vision einer friedlichen Endzeit<br />
spricht der Prophet Jesaja von der Versöhnung<br />
der gesamten Schöpfung:<br />
Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der<br />
Panther liegt beim Böcklein. Kalb und<br />
Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe<br />
kann sie hüten. (Jes 11,6)<br />
Franz von Assisi, der mit den Tieren sprach,<br />
wird in der Legende vom „Wolf von Gubbio“<br />
zum Werkzeug dieses Friedens, indem er den<br />
Wolf mit den Stadtbewohnern versöhnt. Es<br />
wird ihnen kein Leid mehr geschehen, dafür<br />
verpflichten sie sich, für den Wolf zu sorgen,<br />
dass er keinen Hunger mehr leidet.<br />
Eingangs wurde geschildert, wie der betrogene<br />
Fenriswolf aus Wut die Hand von Tyr<br />
verschlingt. In Gubbio legt der Wolf zum<br />
Zeichen seiner Treue dem Heiligen Franz die<br />
Pfote auf den Arm.<br />
14<br />
bn 2013 / 1