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der seinen Gang macht im Dunkel von Stelle zu Stelle. Denn<br />
wer ist noch unbefangen Formen gegenüber, die einen Namen<br />
haben? Wer wählt nicht schon aus, wenn er etwas Gesicht<br />
nennt? Der Schaffende aber hat nicht das Recht, zu wählen.<br />
Seine Arbeit muß von gleichmäßigem Gehorsam durchdrungen<br />
sein. Uneröffnet gleichsam wie Anvertrautes, müssen die<br />
Formen durch seine Finger gehen, um rein und heil in seinem<br />
Werke zu sein.<br />
Und das sind die Formen in Rodin's Werk: rein und heil;<br />
ohne zu fragen hat er sie weitergegeben an seine Dinge, die<br />
wie nie berührt sind, wenn er sie verläßt. Licht und Schatten<br />
wird leiser über ihnen wie über ganz frischen Früchten und<br />
bewegter, wie vom Morgenwind darüber hingeführt.<br />
Hier muß von der Bewegung gesprochen werden; nicht in<br />
dem Sinne allerdings, in dem es oft und vorwurfsvoll geschah;<br />
denn die Bewegtheit der Gebärden, die in dieser Skulptur viel<br />
bemerkt worden ist, geht innerhalb der Dinge vor sich, gleichsam<br />
als ein innerer Kreislauf, und stört niemals ihre Ruhe und<br />
die Stabilität ihrer Architektur. Es wäre auch keine Neuerung<br />
gewesen, Bewegtheit in die Plastik einzuführen. Neu ist die<br />
Art von Bewegung, zu der das Licht gezwungen wird durch<br />
die eigentümliche Beschaffenheit dieser Oberflächen, deren<br />
Gefälle sovielfach abgewandelt ist, daß es da langsam fließt<br />
und dort stürzt, bald seicht und bald tief erscheint, spiegelnd<br />
oder matt. Das Licht, das eines dieser Dinge berührt, ist nicht<br />
mehr irgend ein Licht, es hat keine zufälligen Wendungen<br />
mehr; das Ding nimmt von ihm Besitz und gebraucht es wie<br />
sein eigenes.<br />
Diese Erwerbung und Aneignung des Lichts als Folge einer<br />
ganz klar bestimmten Oberfläche hat Rodin als eine wesentliche<br />
Eigenschaft plastischer Dinge wiedererkannt. Die Antike<br />
und die Gotik hatten, jede auf ihre Art, Lösungen dieser plastischen<br />
Aufgabe gesucht, und er hat sich in uralte Traditionen<br />
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