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Rainer Maria Rilke

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hat, die frisch ist, als käme sie ihm immer wieder aus der Erde<br />

zu.<br />

Und Sie selbst fragen, ungeduldiger, nochmals: Wie ist sein<br />

Leben gewesen?<br />

Wenn ich zögere, es Ihnen zu erzählen, der Zeit nach, wie<br />

man Lebensläufe berichtet, so ist es, weil es mir scheint, ab ob<br />

alle Daten, die man kennt (und es sind nur sehr vereinzelte),<br />

wenig persönlich und recht allgemein wären im Vergleich zu<br />

dem, was dieser Mann aus ihnen gemacht hat. Von allem was<br />

vorher war abgetrennt, durch das ungangbare Gebirge des gewaltigen<br />

Werkes, hat man es schwer, Vergangenes zu erkennen;<br />

man ist auf das angewiesen, was der Meister selbst gelegentlich<br />

erzählt hat und was von Anderen wiedererzählt worden<br />

ist.<br />

Von der Kindheit hat man nur erfahren, daß der Knabe<br />

frühzeitig aus Paris in eine kleine Pension nach Beauvais<br />

gebracht worden ist, wo er das Haus entbehrt und, zart und<br />

empfindsam, unter denen leidet, die ihn mit Fremdheit und<br />

Rücksichtslosigkeit umgeben. Er kommt als Vierzehnjähriger<br />

zurück nach Paris und lernt in einer kleinen Zeichenschule<br />

zuerst den Ton kennen, den er am liebsten nicht wieder aus<br />

den Händen ließe: so sehr sagt dieses Material ihm zu. Wie<br />

überhaupt alles ihm gefällt, was Arbeit ist: er arbeitet sogar<br />

während des Essens, er liest, er zeichnet. Er zeichnet unterwegs<br />

auf der Straße und ganz früh am Morgen, im Jardin des<br />

Plantes, die verschlafenen Tiere. Und wozu ihn die Lust nicht<br />

verlockt, dazu treibt ihn die Armut. Die Armut, ohne die sein<br />

Leben nicht denkbar wäre, und der er es nie vergißt, daß sie<br />

ihn mit Tieren und Blumen gehalten hat, besitzlos unter all<br />

dem Besitzlosen, das von Gott abhängt und nur von ihm.<br />

Mit siebzehn Jahren tritt er bei einem Dekorateur ein und<br />

arbeitet für ihn, wie später an der Manufaktur von Sèvres für<br />

Carrier-Belleuse und für van Rasbourg in Antwerpen und in<br />

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