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Rainer Maria Rilke

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Aber mir ist, als säh ich Eines und noch Eines in Ihrer Erinnerung<br />

und als könnt ich sie dort herausheben, um sie mitten<br />

unter uns zu stellen:<br />

diesen Mann mit der gebrochenen Nase, unvergeßlich wie<br />

eine plötzlich erhobene Faust;<br />

diesen Jüngling, dessen aufrechte dehnende Bewegung<br />

Ihnen so nahe ist wie das eigene Erwachen;<br />

diesen Gehenden, der wie ein neues Wort für gehen in dem<br />

Wortschatz Ihres Gefühles steht;<br />

und den, der sitzt, denkend mit dem ganzen Körper, sich<br />

einsaugend in sich selbst;<br />

und den Bürger mit dem Schlüssel, wie ein großer Schrank,<br />

in dem lauter Schmerz eingeschlossen ist.<br />

Und die Eva, wie von weit in die Arme hineingebogen, deren<br />

nach auswärts gewendete Hände alles abwehren möchten,<br />

auch den eigenen, sich verwandelnden Leib.<br />

Und die süße leise Innere Stimme, armlos wie Inneres und<br />

wie ein Organ ausgelöst aus dem Kreislauf jener Gruppe.<br />

Und irgend ein kleines Ding, dessen Namen Sie vergessen<br />

haben, gemacht aus einer weißen, schimmernden Umarmung,<br />

die wie ein Knoten zusammenhält; und jenes andere, das vielleicht<br />

Paolo und Francesca heißt, und kleinere noch, die Sie<br />

in sich finden wie Früchte mit ganz dünner Schale – und: da<br />

werfen Ihre Augen, wie die Linsen einer Laterna magica, über<br />

mich fort, einen riesigen Balzac an die Wand. Das Bild eines<br />

Schöpfers in seinem Hochmut, stehend in seiner eigenen Bewegung<br />

wie in einem Sturmwirbel, der die ganze Welt hinaufreißt<br />

in dieses kreißende Haupt. Soll ich neben die Dinge aus<br />

Ihrer Erinnerung, nun, da sie da sind, andere von diesen hundert<br />

und hundert Dingen stellen? Diesen Orpheus, diesen Ugolino,<br />

diese heilige Therese, die die Wundenmale empfängt,<br />

diesen Victor Hugo mit seiner großen, schrägen, beherrschenden<br />

Gebärde und jenen anderen, ganz hingegeben an Einflüs-<br />

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