Jesaja 5,1-7 Reminiscere 12 - Sonnenhof-Gemeinde
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<strong>Jesaja</strong> 5,1-7 Reminiszere 4.3.20<strong>12</strong> Pforzheim-<strong>Sonnenhof</strong><br />
Kanzelgruß – Lesung<br />
Liebe <strong>Gemeinde</strong>, liebe Schwestern und Brüder,<br />
als 17Jähriger habe ich drei Wochen als Erntehelfer bei einem Bauern in<br />
Schwaigern gearbeitet, das liegt auf der nördlichen Seite des Heuchelbergs<br />
zwischen Eppingen und Heilbronn. Zu dem landwirtschaftlichen Betrieb<br />
gehören auch einige Weinberge, einer davon an den Steilhängen des<br />
Heuchelbergs. Neben vielen anderen Arbeiten musste ich die Reben<br />
schneiden, damit der Saft in die Trauben steigt und nicht in die neuen Triebe,<br />
im Hochsommer schossen die Triebe sehr schnell nach oben. Zudem musste<br />
ich auch immer wieder zwischen den Weinstöcken das Unkraut hacken.<br />
Dabei ist es mir einmal passiert, dass ich einen Weinstock abhackte. Ich<br />
sagte dem Bauer nichts, aber natürlich hat er es entdeckt und mich zur Rede<br />
gestellt. Da merkte ich, wie wichtig den Weinbauern jede einzelne Rebe ist,<br />
dass sie sich um jeden einzelnen Rebstock bemühen, dass sie ihn pflanzen,<br />
schneiden, düngen und den Boden um ihn herum mit der Hacke lockern, so<br />
dass er schön wächst und gute Trauben bringt.<br />
Im Herbst war ich dann für ein Wochenende wieder dort zur Traubenernte.<br />
Das war eine fröhliche Sache, wo viele mithalfen. Wir arbeiteten alle für ein<br />
Vesper und ein/zwei Becher Wein.<br />
Dort in Schwaigern lernte ich schon in jungen Jahren die Vorzüge eines<br />
guten trockenen Rieslings kennen, von dem man hinterher keinen dicken<br />
Kopf bekommt.<br />
Der Boden an den Weinbergen am Heuchelberg ist steinig und steil, der<br />
Boden in der Ebene unten ist viel fruchtbarer, feuchter und fetter. Und<br />
trotzdem ist der Wein von den Hanglagen besser. Die Trauben bekommen<br />
mehr Sonne und deshalb auch mehr Süße.
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In den Sommerferien waren wir schon oft in Südfrankreich im Urlaub. Und der<br />
Wein dort ist meistens sehr gut. Auch in der Ebene bekommen die Trauben<br />
dort soviel Sonne, dass sie süß werden. Doch in den Weinbergen<br />
Südfrankreichs ist der Boden oft noch viel steiniger und trockener als bei uns.<br />
Die Weinbauern wissen, dass ein fetter, gut gedüngter Boden nicht ideal für<br />
einen guten Wein ist. Man muss auch wissen, welche Rebsorte zu welchem<br />
Boden passt, damit ein guter Wein wachsen kann.<br />
So könnte es doch auch sein, dass der Weinbergbesitzer im Weinberglied<br />
des <strong>Jesaja</strong> nicht die richtigen Reben in den Boden gesetzt hat. Vielleicht ist<br />
diese Rebsorte für den Boden nicht geeignet? Die Konsequenz wäre: Dann<br />
muss er die Reben wieder herausreißen und andere einpflanzen.<br />
Wir haben bestimmt alle gemerkt, dass dieses Lied vom Weinberg ein<br />
Gleichnis, eine Beispielgeschichte ist. Wir können uns das so vorstellen, dass<br />
der Prophet <strong>Jesaja</strong> seinen öffentlichen Auftritt ganz genau vorher geplant<br />
hatte. Er war schon mehrere Male durch unangenehme Gerichtsworte<br />
aufgefallen. Zuvor schon hatte er mehrfach versucht, die Mächtigen<br />
aufzurütteln und sie von ihren falschen Wegen abzubringen. Aber sie hatten<br />
sich über seine düsteren Vorhersagen nur geärgert, hatten ihn angegriffen<br />
und beschimpft. <strong>Jesaja</strong> sagte den Einflussreichen und Mächti-gen, den<br />
Großgrundbesitzern und Reichen im Auftrag Gottes immer wieder, was Gott<br />
an ihrem Verhalten auszusetzen hatte. Das war ja nicht seine eigene<br />
Meinung, sondern das, was Gott ihm eingegeben hatte in Visionen und durch<br />
eine innere Stimme. Aber diese Aufgabe erfüllte <strong>Jesaja</strong> keinesfalls mit Stolz<br />
und Freude, sondern sie belastete ihn schwer. Wie gern hätte er seine Ruhe<br />
gehabt, aber die Stimmen und Visionen hörten nicht auf. Gott ließ nicht<br />
locker, bis der Prophet seine Aufgabe erfüllt hatte.<br />
Der Weinberg soll verwüstet werden und an Stelle der Reben sollen dort<br />
Dornen und Disteln wachsen. Das hieße übertragen auf das Volk Israel, dass<br />
das Land verwüstet würde, das Volk entwurzelt und an seiner Stelle fremde<br />
Menschen im Land angesiedelt würden. Doch die Reichen und Mächtigen
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ließen sich von <strong>Jesaja</strong>s düsteren Vorhersagen nicht beeindrucken. Sie hielten<br />
an ihren verkehrten Wegen und an ihrem gottlosen Tun fest.<br />
Nun müssen wir aber mal genauer hinschauen, worin diese falschen Wege<br />
bestanden? Direkt im Anschluss an das Weinberglied beginnen Weherufe<br />
des Propheten (V.8+9 vorlesen). Da ist zuerst Rede von solchen, die Haus<br />
um Haus und Acker um Acker in ihren Besitz bringen, bis sie das ganze Land<br />
besitzen. Ich möchte mal konkret werden: Solche Leute gibt es auch bei uns.<br />
Sie kaufen immer mehr Immobilien, aber auch ganze Firmen und Konzerne<br />
und gliedern immer wieder neue Konzerne in ihr Imperium ein. Jetzt kommt<br />
das „Aber“: Leider wird in den letzten Jahren bei der Übernahme von Firmen<br />
immer wieder ein Teil der Belegschaft freigesetzt oder die eine oder andere<br />
Firma sogar ganz dichtgemacht und die Leute entlassen. Man nennt das<br />
Globalisierung. Dabei wird es für einzelne Unternehmen immer schwieriger,<br />
sich auf dem Weltmarkt zu behaupten. Die Interessen der Aktionäre rücken<br />
immer mehr in den Vordergrund. Die Interessen der Menschen aber, die<br />
Lohn und Brot brauchen, werden immer mehr in den Hintergrund gedrängt.<br />
Der Aktienwert wird zum Maß aller Dinge. Aber wenn es nur noch um<br />
Gewinnmaximierung geht, dann sind hohe Lohnkosten eine Hypothek, ein<br />
Nachteil, den es möglichst zu eliminieren gilt.<br />
Ich denke, wir können die Botschaften der biblischen Propheten nicht nur so<br />
lesen, als ginge uns das heute gar nichts mehr an. Sondern die Bibel und ihre<br />
Botschaft wird heute nur dann richtig verstanden werden, wenn klargemacht<br />
wird, wie sehr die Bibel immer wieder in ganz aktuelle Bezüge hineinspricht,<br />
ja hineinruft oder sogar schreit. „Wehe denen, die ein Haus ans andere und<br />
einen Acker an den anderen reihen“. Das heißt doch für uns heute: Weh<br />
denen, die Besitz an Besitz reihen, die Kapital auf Kapital häufen, ohne dass<br />
es für die Menschen arbeitet, ohne dass Arbeitsplätze geschaffen werden<br />
und Menschen in Arbeit, Lohn und Brot kommen. Die großen Konzerne sind<br />
zwar keine alttestamentlichen Großgrundbesitzer mehr, aber sie haben in der<br />
Welt heute mehr Macht als die gewählten Regierungen, die doch im Grunde
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das Sagen haben müssten. Sie sind jedoch von Sachzwängen eingeengt und<br />
streben nur noch nach dem kleinsten Übel streben. Das Geld der<br />
Steuerzahler, von dem nie genug da ist, schichten sie von einer Baustelle zur<br />
nächsten um und flicken nur noch die schlimmsten Finanz- und Schlaglöcher.<br />
<strong>Jesaja</strong> lässt weitere Weherufe folgen: (V. 11+<strong>12</strong> lesen).<br />
Hier ist die Rede von denen, die nur noch auf ihr Vergnügen und ihren<br />
Genuss bedacht sind. Die von einer Party zum nächsten Fest und von einem<br />
Gelage und Vergnügen zum nächsten taumeln. Man könnte auch sagen: die<br />
von einem Event, von einem gesellschaftlichen Ereignis zum nächsten<br />
hasten, um ihrem Leben einen Inhalt zu geben. Von Verantwortung für das<br />
Ganze wollen sie kaum mehr etwas wissen, Hauptsache, sie kommen nicht<br />
zu kurz. Das sind ja nicht nur Reiche, sondern auch so viele, die sich<br />
nirgends mehr engagieren in den Vereinen, Kirchen oder Hilfsorganisationen.<br />
Nach dem Motto: Das Leben sollte möglichst viel zu bieten haben, aber ich<br />
selber möchte möglichst wenig dafür einbringen, außer vielleicht, wenn es mir<br />
einen Vorteil verschafft. Und so lastet immer mehr ehrenamtliche Arbeit auf<br />
immer weniger Schultern.<br />
<strong>Jesaja</strong>s Weherufe wenden sich weiter gegen solche, die lügen, bestechen<br />
und ganz bewusst und massiv Unrecht tun, die Böse und Gut, Richtig und<br />
Falsch zu ihrem eigenen Vorteil bewusst verdrehen.<br />
Aber unser heutiger Predigttext ist ja das Weinberglied. Am Ende seines<br />
Liedes redet der Prophet Tacheles: (V.6 zitieren). D.h. Wo wir schlechte<br />
Früchte bringen, d.h. wo wir Gottes Gaben, seine Mühe um uns, mit<br />
Rechtsbruch und Schlechtigkeit erwidern, wird es ein Böses Ende nehmen.<br />
Gott wird seinen Weinberg zerstört und wüst links liegen lassen. Von<br />
blühenden Landschaften kann dann keine Rede mehr sein.<br />
Liebe <strong>Gemeinde</strong>, ich habe heute in dieser Predigt so eine Art „Geschrei über<br />
Schlechtigkeit“ angestimmt. Ich möchte es Ihnen überlassen, das Geschrei<br />
über Schlechtigkeit weiter fortzusetzen. Und es ist wichtig, dass wir – gerade<br />
auch in der Kirche - nicht immer alles kommentarlos hinnehmen, sondern
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dass wir vom Wort Gottes her die Unrecht und ungute Entwicklungen<br />
anprangern, und dass wir dabei auch Ross und Reiter nennen. Gott leidet an<br />
den ungerechten Zuständen in dieser Welt. Wie der Weinbergbesitzer ist<br />
auch er zutiefst angesichts der schlechten Früchte, angesichts der<br />
ungerechten Verteilung der Güter dieser Welt.<br />
Aber als Kirche sind wir nicht außerhalb von dieser Welt. Und auch als Christ<br />
bin ich ein Teil dieser Welt. Ich gehöre dazu und bin mehr oder weniger<br />
immer auch in Unrecht und Schuld verstrickt. Ich kann nicht mit dem Finger<br />
auf andere zeigen und so tun, als hätte ich mit dem Ganzen nichts zu tun.<br />
Gottes Wort ergeht an sein ganzes Volk, es ergeht an die Reichen und<br />
Mächtigen, und es ergeht auch an mich ganz persönlich, auch wenn ich nicht<br />
zu den oberen Zehntausend gehöre.<br />
Und so muss ich mich auch immer wieder fragen, wo ist mein Anteil am<br />
Unrecht in der Welt, wo trage ich mit dazu bei, dass ungerechte Verhältnisse<br />
weiter bestehen, dass die Armen dieser Welt immer ärmer werden und dass<br />
immer mehr Menschen am Hunger und seinen Folgen zu Grunde gehen?<br />
Deshalb bitte ich Gott, dass er mir die Augen öffnet und mich sehen und<br />
begreifen lässt, dass ich etwas tun kann und wo ich etwas tun kann für mehr<br />
Gerechtigkeit und Frieden in der Welt. Damit im Weinberg des Herrn keine<br />
sauren, sondern süße Trauben wachsen.<br />
Und der Friede Gottes, welcher höher ist alle Vernunft, bewahre eure Herzen<br />
und Sinne in Christus Jesus. Amen.