Reychs-Postille Nr. 13, im Ostermond a. U - Fremdling oder Freund ...
Reychs-Postille Nr. 13, im Ostermond a. U - Fremdling oder Freund ...
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Sehen wir doch endlich ein, dass die Oper<br />
unter dem Deckmantel schöner, hehrer<br />
Musik die Saat der Gewalt unter das Volk<br />
bringt. Durch Koloratur-Arien, jauchzende<br />
Akkorde und verspielte Motive kaschiert,<br />
wird gemordet, selbstgemordet, geraubt und<br />
geschändet, so dass man fast dazu neigt,<br />
die Opernlibrettis als Testprogramm für die<br />
leichen übersäten TV-Kr<strong>im</strong>is anzusehen.<br />
Wie heißt es doch: Was bei der Operette das<br />
Happy-End am Schluss, ist bei der Oper der<br />
Exitus.<br />
Dieses Schmackhaft-Machen der Friedhofs-Atmosphäre,<br />
dieses Streben bei<br />
schöner Musik, kann man nur mit dem verderblichen<br />
Einfl uss der heutigen Rauschgiftszene<br />
vergleichen.<br />
Ich habe versucht, diese musikalisch verbrämten<br />
Gemetzel auf den Opernbühnen<br />
an Hand von zwei Komponisten aufzuzeigen,<br />
die stellvertretend für viele andere stehen.<br />
Einmal Giacomo Puccini, der den Tod mit zu<br />
Herzen gehenden Melodien kaschiert und zum<br />
anderen Richard Wagner, bei dem man eher zu<br />
heroischen anschwellenden Akkorden einen<br />
lauten Tod stirbt.<br />
Beginnen wir bei Puccini. Welch melodienreiche<br />
Brutalität offenbart sich<br />
uns. In Tosca wird Cavaradossi füsiliert, der<br />
böse Scarpia bekommt den kalten Stahl in sein<br />
heißes Herz und die holde Tosca springt ohne<br />
Fallschirm vom Söller in die Tiefe. Bilanz:<br />
Drei Tote<br />
Turandot, die alte chinesische Quiz-Oper<br />
beschert uns den attraktiven Selbstmord<br />
der kleinen Liu, die sich ins Messer und damit<br />
ins eigene Unglück stürzt und gibt Kunde von<br />
zahlreichen Kandidaten, die über die Elfer-<br />
Opernbetrachtungen<br />
frage und damit ins Henkerbeil gestolpert sind.<br />
Fazit: Ein authentischer und zahlreiche nicht<br />
fassbare Todesfäll.<br />
Be<strong>im</strong> fernöstlichen Schmetterlings drama<br />
begeht die Butterfl iege klassisches<br />
Harakiri und schließlich haucht M<strong>im</strong>i in der<br />
Boheme ihr Leben aus. Ziehen wir eine Zwischenbilanz.<br />
Vier Opern mir sechs erfassbaren<br />
und zahlreich nicht erfassbaren Todesfällen.<br />
Wie gesagt, das war aus der italienischen<br />
Opernszene lediglich Puccini. Man<br />
könnte die Liste beliebig fortsetzen, beispielsweise<br />
mit Verdi, wo Radames und Aida von<br />
alt-ägyptischen Maurern einbetoniert werden,<br />
<strong>oder</strong> wo Rigoletto zur einschmeichelnden<br />
Melodie „Ach wie so trügerisch“ eine falsche<br />
Leiche <strong>im</strong> Sack fi ndet.<br />
Aber wechseln wir nun zu Richard<br />
Wagner und sein breit gefächertes<br />
Leichensort<strong>im</strong>ent.<br />
Bei „Rienzi“ muss man <strong>im</strong>merhin fünf Akte<br />
lang aushalten, ehe man sich daran ergötzen<br />
kann, wie der Titelheld samt seiner Irene und<br />
dem von einem schlechten Architekten erbauten<br />
Balkon in die Tiefe stürzt, wo just Adriano steht,<br />
um von den Trümmern begraben zu werden.<br />
„Tannhäuser“ – der erste Song-Contest des<br />
Mittelalters endet mit dem Tod des minnesingenden<br />
Lustmolchs gleichen Namens und<br />
seiner angebeteten Elisabeth. Zwei Tote,<br />
während Venus in der Grotte kichert.<br />
„Lohengrin“, jene Oper, die von Professor<br />
Konrad Lorenz wegen Missbrauch des<br />
Schwans als Verkehrsmittel angefeindet wird.<br />
– Lohengrin, der Ahnherr der beliebten Fernsehsendung<br />
„Was bin ich?“ meuchelt Telramund<br />
und als der letzte Schwan geht, sinkt<br />
Elsa entseelt zu Boden. – Zwei Tote und das<br />
Schönbronner <strong>Reychs</strong>-<strong>Postille</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>13</strong> – 12 –<br />
27. <strong>Ostermond</strong> a. U. 152