Café33 - KPÖ Oberösterreich
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Seite 12<br />
Asche auf<br />
das Haupt<br />
Meilensteine des Arbeiterwohnbaus wurden einfach geschleift. Von Edith Friedl.<br />
Gut erinnere ich mich noch<br />
daran, wie ich vor einigen Jahren<br />
in der TEXTIL AG<br />
vorsprach. Ich recherchierte<br />
wegen eines Forschungsauftrags<br />
des Zeitgeschichte-Instituts<br />
an der Johannes-<br />
Kepler-Universität, der sich<br />
mit dem sozialen Wohnbau in<br />
Linz von seinen Anfängen im<br />
19. Jahrhundert bis 1945<br />
beschäftigte. Mein Job war es<br />
damals, den Architektur-Teil<br />
der Studie zu verfassen.<br />
Deshalb saß ich also im Büro<br />
des Direktors des<br />
Textilkonzerns, der aus einem<br />
alteingesessenen Spinnereibetrieb<br />
hervorging.<br />
Das Projekt hatte es dem<br />
damaligen Chef angetan, vor<br />
allem deshalb, weil die Fabrik<br />
als eine der ersten Linzer<br />
Unternehmen in größerem Umfang<br />
Wohnungen für<br />
ArbeiterInnen errichten ließ.<br />
Stolz ging er daher zum Safe<br />
und holte die alten Pläne heraus<br />
– handkoloriert und auf<br />
Seide gezeichnet. Einige davon<br />
zeigten ein architektonisches<br />
Kleinod: Es waren die Entwürfe<br />
für die sogenannten<br />
„Aschenhäuser“ in der<br />
Schnopfhagenstraße 17-33. Die<br />
kleine Siedlung, erbaut<br />
zwischen 1896 und 1900,<br />
bestand aus Häusern mit zwei<br />
bzw. vier Wohnungen mit<br />
bereits eigenen Toiletten und<br />
Nutzgärten für Kleintierzucht,<br />
Gemüse- und Obstanbau. Sie<br />
machten mit ihren<br />
Proportionen, ihrer Fassadengestaltung<br />
und Farbgebung einen<br />
äußerst anheimelnden, ja<br />
liebenswerten Eindruck. Das<br />
war mit ein Grund, weshalb<br />
das Ensemble in etlichen angesehenen<br />
Fachbüchern Eingang fand. Ein anderer<br />
Aspekt dafür – von dem sich auch sein<br />
Name ableitet - war sicher auch die ungewöhnliche<br />
Zusammensetzung des<br />
Baumaterials: Dem Mörtel mischte man<br />
Asche bei, um so Baukosten zu sparen.<br />
Ein nicht alltäglicher Materialmix, der jedoch<br />
über mehr als hundert Jahre gute<br />
Dienste leistete.<br />
Kürzlich rief mich Gerlinde Grünn, Linzer<br />
<strong>KPÖ</strong>-Gemeinderätin, an und teilte mir<br />
ziemlich irritiert mit, dass die „Aschenhäuser“<br />
verschwunden wären. Alle. Einfach<br />
weg. Ich konnte es kaum glauben und fuhr<br />
deshalb, ausgerüstet mit meinem<br />
Fotoapparat, in die Schnopfhagenstraße.<br />
Tatsächlich bot sich mir eine völlig öde<br />
Wüste. Kein Haus weit und breit – nur<br />
Gestrüpp. Schließlich erzählte man mir,<br />
dass es seit etwa einem Jahr diese<br />
denkwürdige Arbeitersiedlung mit ihren<br />
hübschen „Aschenhäusern“ nicht mehr<br />
gibt. In der TEXTIL AG wechselte die<br />
Direktion und mit ihr kehrte offenbar<br />
„modernes“ Denken ein: Zu den alten Profitinteressen<br />
gesellte sich ein neues<br />
Bedürfnis nach „ästhetischer Präzision“.<br />
Das alte Zeug passt da naturgemäß nicht<br />
mehr dazu. Schon gar nicht diese kleinen<br />
Häuschen, die man im Laufe der Zeit - ich<br />
vermute stark, mit Absicht - systematisch<br />
herunterkommen ließ. Neue große Wohnbauten<br />
sollen bald hochgezogen werden,<br />
erfuhr ich von einem Anrainer, der noch<br />
selber in einem „Aschenhaus“ wohnte und<br />
es schade findet, dass sie vor kurzem zerstört<br />
wurden. Er vermisse auch die heimelige<br />
Atmosphäre, betonte er, wo Kinder<br />
ungestört herumtollen konnten und eine<br />
gute Nachbarschaft bestand.<br />
Jetzt liegt das Areal verlassen da, Tristesse<br />
breitet sich aus und die ehemaligen<br />
Umrisse der „Aschenhäuser“ sind nur noch<br />
bei genauem Hinsehen zu erahnen.<br />
Der Zuständige im Bundesdenkmalamt,<br />
den ich über den Abriss der Siedlung<br />
informierte, ist über die „Nacht-und-<br />
Nebel-Aktion“ frustriert. Ich auch. Aber<br />
zumindest liegen die schönen,<br />
handkolorierten Seidenpläne, wie ich<br />
annehme, immer noch im Safe des<br />
Eigentümer-Konzerns. Da sind sie sicher.<br />
Na hoffentlich!