Ausgabe Dezember/Januar 2006/2007 - Martin-Luther-Kirche
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THEMA<br />
„Heilendes <strong>Kirche</strong>njahr“<br />
Kirchliche Feste im Jahreskreis<br />
Ich liebe die vielen Feste des <strong>Kirche</strong>njahres<br />
und habe im Laufe des jährlichen<br />
Feierns immer mehr die Verschiedenheit<br />
der Zeiten und Feste schätzen gelernt.<br />
Ja, das ist das erste, es gibt Feste und es gibt<br />
Zeiten. Zu den Festen gehört natürlich<br />
Weihnachten. Wir wissen es alle, was da für<br />
Schätze an Themen, Anstößen und Herausforderungen<br />
in dem Feiern der Weihnachtsgeschichte<br />
enthalten sind. Ein Kind wird<br />
geboren, in einem kleinen Menschen beginnt<br />
Gott ein neues Wunder. Mit jeder und<br />
jedem von uns hat es so angefangen. Darum<br />
denke ich zu Weihnachten auch gerne nach<br />
über das Kind in mir, in uns. Und wie viel<br />
Wärme und Zärtlichkeit brauchten wir und<br />
weckt das Neugeborene zugleich in uns.<br />
Unsere Fähigkeit zur Behutsamkeit, zum<br />
Lieben kann erinnert und in diesen Tagen<br />
neu eingeübt werden.<br />
Im Jahreslauf begegne<br />
ich so vielen Dimensionen<br />
meines, unseres<br />
Lebens. Sind es zu<br />
Pfingsten die Gemeinschaft<br />
und die Erfahrung<br />
von Begeisterung,<br />
ist es zu Ostern<br />
das Entdecken neuer<br />
Lebendigkeit, die Gott<br />
uns und allem, was<br />
lebt, immer wieder<br />
schenkt, so ist es in der<br />
Zeit um Halloween,<br />
Bußtag, Volkstrauertag<br />
und Ewigkeitssonntag<br />
die Gelegenheit<br />
zum Trauern, zum<br />
Trauern um Sackgassen<br />
in unserem Leben,<br />
zum Trauern um Verstorbene und die eigene<br />
Begrenztheit. Ein Trauern, das zusammengebracht<br />
wird mit Gottes Treue zu uns,<br />
selbst durch den Tod hindurch.<br />
Leonardo da Vinci, Maria mit Kind (um 1490/91) Foto: Asa 90<br />
dass in dieser Begegnung Gott an uns handelt.<br />
Wie arm sind die Menschen, die Weihnachten<br />
und Ostern feiern ohne die biblische<br />
Geschichte von Jesus.<br />
Engel-Pietà (um 1470)<br />
Foto: Asa 90<br />
Jede Zeit und jedes Fest spricht mich in anderen<br />
Bereichen meines Lebens und unseres<br />
Zusammenlebens an. Bei jedem Fest<br />
wird ein anderer Teil meiner Seele aufgeweckt,<br />
zum Leben gebracht. In jeder Zeit<br />
und zu jedem Fest spricht Gott uns an einer<br />
anderen Stelle unseres Daseins an: als Liebe-<br />
und Schutzbedürftige, als Kindlein –<br />
egal wie alt wir sind, als Engelgleiche und<br />
wieder als solche Menschen, in denen<br />
Angst und Eifersucht herrschen … als Leidende<br />
und das Leben Suchende, als Träumende,<br />
Trauernde, Begeisterte, Verschlossene<br />
und vieles mehr.<br />
Die vielfältigen Dimensionen dieser Feste<br />
und Zeiten erreichen uns da, wo wir uns<br />
den biblischen Geschichten, die zu ihnen<br />
gehören, stellen und aussetzen. Ja, es mag<br />
sein, dass jemand zu Weihnachten die<br />
Weihnachtsgeschichte nicht ertragen kann.<br />
Wie hört sie sich auch an ohne Familie oder<br />
ohne das Kind, das so vermisst wird. Die<br />
Feste und Geschichten hören sich für uns in<br />
der Tat sehr verschieden an und berühren<br />
uns auch an ganz verschiedenen Orten unseres<br />
Lebens, manchmal als Schmerz und<br />
Konfrontation. Und trotzdem glaube ich,<br />
Ich behaupte: Wir brauchen nicht viel zum<br />
Feiern, aber die Geschichten der Bibel, die<br />
brauchen wir unbedingt, denn sie erzählen<br />
so eindeutig und zugewandt von Gott, dass<br />
wir darauf nicht verzichten sollten. Ja, ein<br />
eigentliches Fest im kirchlichen Sinne ist<br />
das, wo etwas zur Sprache kommt, das uns<br />
eine neue Sichtweise unserer selbst und unseres<br />
Daseins schenkt. Für die Alten gab es<br />
darum ein echtes Fest nur, wenn Gott und<br />
seine Taten gefeiert wurden. Die „Alten“<br />
wussten, dass sie im Feiern einer Gottestat<br />
wieder zu Menschen werden könnten, zu<br />
Menschen, die um ihre Würde wissen, um<br />
ihre Wurzeln, um ihre Möglichkeiten.<br />
Feste helfen uns, in der Aktivität des Alltags<br />
nicht innerlich zu vertrocknen. Aber<br />
gerade darum gehören zu den Festen nicht<br />
nur Aktivitäten, sondern Zeiten des Hörens,<br />
des Schauens, des sich Ansprechen lassen<br />
wie wir es in den Gemeinden auf vielfältige<br />
Weise einüben und leben.<br />
Das <strong>Kirche</strong>njahr hilft mir, mich selbst immer<br />
besser kennen zu lernen in meinen Höhen<br />
und Tiefen. An der Wurzel und Datierung<br />
mancher kirchlichen Feste steht ein<br />
heidnisches Naturfest. Das mag manchen<br />
GEMEINDEzeitung <strong>Dezember</strong> <strong>2006</strong> | <strong>Januar</strong> <strong>2007</strong> Seite 3