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Ausgabe Dezember/Januar 2006/2007 - Martin-Luther-Kirche

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AUS GEMEINDE, KIRCHE UND AUS ALLER WELT<br />

Die Maus im Esel<br />

Von der Restaurierung der Neuköllner Krippe der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<strong>Kirche</strong><br />

Vor 15, 16 oder 17 Jahren hatte die damals<br />

noch neue, bis heute aber noch immer<br />

junge Pfarrerin unserer Gemeinde,<br />

Monika Weber, die Idee, zusammen mit<br />

Konfirmandinnen und Konfirmanden<br />

eine lebensgroße Neuköllner Krippe zu<br />

bauen.<br />

Den Stall zuerst, mit Nut- und Federbrettern<br />

zusammengeschustert und gleich, wie in<br />

Neukölln üblich, mit Graffitis und Sprüchen<br />

besprüht und beschmiert. Dann war Maria<br />

dran und im Jahr darauf Josef und nach und<br />

nach all die anderen lieben bekannten Gestalten:<br />

die Körper aus Kaninchenstalldraht,<br />

in den die Konfis eingewickelt und wieder<br />

herausgeschnitten wurden, mit Pappmaché<br />

stabilisiert; Gesichter und Hände aus Gipsmasken,<br />

abgenommen von den Gesichtern<br />

und Händen von Konfirmandinnen und<br />

Susanne Kirmis bei der Arbeit<br />

Foto: Kirmis<br />

Konfirmanden; die Kleidung aus Basarspenden<br />

zusammengestoppelt.<br />

Kaum war diese erste Neuköllner Krippe<br />

vor ungefähr zehn Jahren fertig, da fiel sie<br />

Ludmila, einer russischen Schneiderin, die<br />

damals als ABM Kraft bei uns arbeitete, in<br />

die Hände. Sie fand sie so heruntergekommen<br />

und bat so inständig darum, dass sie<br />

sie schließlich komplett neu einkleiden<br />

durfte – nach der Vorlage eines ziemlich<br />

kitschigen Krippenbildes aus ihrer orthodoxen<br />

Bibel. Das war das vorläufige Ende<br />

der Neuköllner Krippe. Aber auch an der<br />

orthodoxen Krippe nagte der Zahn der Zeit:<br />

Als letztes Jahr ein paar Tage vor Weihnachten<br />

die ganze Gesellschaft aus dem<br />

Sommerquartier aus dem Kirchturm in die<br />

Sakristei umgezogen war, waren die Verstümmelungen<br />

und die allgemeine Verwahrlosung<br />

unübersehbar.<br />

An das, was dann geschah, erinnern sich<br />

Sabine Funke, gelernte Porzellanmalerin<br />

und ehrenamtliche Mitarbeiterin in unserer<br />

Kita und ihrer Küche, und Susanne Kirmis,<br />

Leiterin der Kindertöpferwerkstatt in unserem<br />

<strong>Kirche</strong>nkeller, in einem Gespräch mit<br />

Pfr. Dieter Spanknebel.<br />

D.Sp.: „Sabine, erinnerst du dich noch?“<br />

Sabine Funke: „Ja, ja, ein paar Pinselstriche<br />

drei Tage vor Weihnachten sollten<br />

es werden …“<br />

D.Sp.: „Und dann?“<br />

Susanne Kirmis: „ … Na, dann ist eine<br />

völlige Restaurierung und Neugestaltung<br />

der Krippe dabei herausgekommen. Aber<br />

das ging auch gar nicht anders: als ich den<br />

Engel letztes Jahr gesehen habe, der war ja<br />

so krank und elend, dass ich einen richtigen<br />

Schrecken bekommen habe. Und auch dem<br />

Rest der heiligen Familie ging es nicht besser.“<br />

Sabine Funke: „Ja, das war schon nötig,<br />

sie alle von Grund auf zu restaurieren. Aber<br />

mit der von dir gewünschten Umgestaltung<br />

wieder zu einer Neuköllner Krippe hatte<br />

und habe ich so meine Schwierigkeiten.“<br />

Susanne Kirmis: „Ich auch: Maria mit<br />

dem Bauchnabelpiercing, wenn das mal<br />

nicht zu einem Aufschrei der Empörung<br />

führt. Andererseits bringt einen das vielleicht<br />

auch dazu, sich mit der Weihnachtsgeschichte<br />

und Jesus auseinanderzusetzen.“<br />

D.Sp.: „Ja, genau das soll es ja bewirken.<br />

Und dass ihr euch auf diese Neugestaltung<br />

eingelassen habt, obwohl ihr davon nicht<br />

völlig überzeugt wart und seid, das finde<br />

ich besonders toll. Hat es denn trotzdem ein<br />

bisschen Spaß gemacht?“<br />

Susanne Kirmis: „Ein bisschen? Das hat<br />

mir einen Riesenspaß gemacht. Ich habe ja<br />

fast das ganze Jahr mit der ganzen Gesellschaft<br />

verbracht. Ganz am Anfang habe ich<br />

einmal abends, als meine Familie schon im<br />

Bett lag, alle Figuren zu mir ins Wohnzimmer<br />

geholt, mit ihnen schöne Musik angehört<br />

und mich mit ihnen unterhalten: Richtig<br />

ans Herz gewachsen sind sie mir.“<br />

D.Sp: „Überhaupt. Was hat denn deine Familie<br />

zu dieser Einquartierung gesagt?“<br />

Susanne Kirmis: „Für die war das o.k..Wir<br />

haben alle unsere Hobbies und pflegen sie.<br />

Und Reiner, mein Mann, hat mir als ehemaliger<br />

Krankenpfleger sogar geholfen, die Figuren<br />

zu wickeln.“<br />

D.Sp.: „Zu wickeln? Was heißt denn das?“<br />

Susanne Kirmis: „Das verrate ich nicht.<br />

Die neue Maria und das Jesuskind<br />

Foto: Betz<br />

Künstlergeheimnis. Mein Mann hat nur einmal<br />

– vergeblich – zu intervenieren versucht,<br />

als ich unseren Lüster geplündert habe<br />

für den Schmuck der Königin.“<br />

D.Sp.: „Aber …“<br />

Susanne Kirmis: „Keine Angst, längst<br />

erledigt und alles geregelt. Ein bisschen<br />

Angst hatten wir allerdings alle, als wir mit<br />

dem Esel aus dem Kirchturm in unsere Küche<br />

kamen und unser ansonsten ruhiger braver<br />

Hund sich nicht einkriegen konnte, an<br />

dem Esel hochsprang und wie wild bellte.<br />

Bis wir das niedliche Mäusenest im Bauch<br />

des Esels entdeckten und keineswegs sicher<br />

waren, ob es tatsächlich leer war.“<br />

D.Sp.: „Ich weiß gar nicht, wie wir euch<br />

danken können für all eure …“<br />

Susanne Kirmis: „Moment mal – Du hast<br />

ja den neuen hübschen schwarzen König<br />

noch gar nicht gesehen und außerdem bin<br />

ich mit der Krippe noch gar nicht fertig.<br />

Nach dem 6. <strong>Januar</strong> hole ich sie alle wieder<br />

zu mir. Ich glaube, so richtig fertig werde<br />

ich mit dieser Krippe nie.“<br />

Dieter Spanknebel<br />

Seite 8 GEMEINDEzeitung <strong>Dezember</strong> <strong>2006</strong> | <strong>Januar</strong> <strong>2007</strong>

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