Das Magazin 01/13 - Mwk-koeln.de
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Sir John Eliot Gardiner<br />
Epochale<br />
Meisterwerke<br />
Von <strong>de</strong>r Johannespassion zu Oedipus Rex: Sir John Eliot Gardiner beschließt die Kölner Porträtreihe<br />
Kein Komponist hat die Musikgeschichte so geprägt wie Bach - »und<br />
niemand«, ergänzte die »Times«, »ist imstan<strong>de</strong>, ihn so aufzuführen wie<br />
Sir John Eliot Gardiner«. Mit <strong>de</strong>r »Bach Cantatas Pilgrimage« hatte <strong>de</strong>r<br />
britische Maestro zum Jahrtausendwechsel <strong>de</strong>m legendären Thomaskantor<br />
ein Projekt gewidmet, das mit 59 Konzerten in 50 Städten<br />
ganz Europa beeindruckte. <strong>Das</strong> war sensationell, und nun ist es wie<strong>de</strong>r<br />
soweit. Der von Gardiner initiierte Bach-Marathon am Ostermontag<br />
bringt 12 Stun<strong>de</strong>n Bach unter seinem Taktstock auf die Bühne <strong>de</strong>r<br />
Royal Albert Hall – und ist zugleich Anlass für eine Bach-Tournee, die<br />
Gardiner zum Auftakt <strong>de</strong>s Osterfests mit <strong>de</strong>r Johannespassion auch<br />
in die Kölner Philharmonie führen wird. Beim Konzert am Karfreitag<br />
steht ihm ein erlesenes Gefolge barockerfahrener Ensembles zur Seite:<br />
Die 1978 von Gardiner gegrün<strong>de</strong>ten English Baroque Soloists widmen<br />
sich seit Jahrzehnten <strong>de</strong>r authentischen Interpretationskunst im<br />
Sinne historischer Aufführungspraxis. Mit <strong>de</strong>m 1968 ebenfalls von Gardiner<br />
gegrün<strong>de</strong>ten, weltweit gefeierten Monteverdi-Chor verbin<strong>de</strong>t<br />
das Ensemble eine enge künstlerische Freundschaft. Bei<strong>de</strong> »Kin<strong>de</strong>r«<br />
Gardiners spielen seit ihrer Grün<strong>de</strong>rzeit zusammen und haben u. a.<br />
mit Beethovens »Missa solemnis« und auch <strong>de</strong>r Johannespassion<br />
be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Einspielungen unter Gardiner vorgelegt. Zur Johannespassion<br />
hegt <strong>de</strong>r Chor- und Orchesterchef eine beson<strong>de</strong>re Beziehung.<br />
»Es ist ein radikales, kontroverses Stück«, bemerkt er im Interview mit<br />
<strong>de</strong>r Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 8. August 2008. »Man kann<br />
nur spekulieren, wie das damals auf die Menschen gewirkt haben<br />
muss: wie eine Bombe. Ich sehe das Werk heute noch dramatischer<br />
als früher. Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Vergleich mit <strong>de</strong>n Passionen von Bachs Zeitgenossen<br />
zeigt, welche menschlichen und spirituellen Dimensionen die-<br />
ses Werk hat. <strong>Das</strong> ist von einer fast antiken Größe, wie Euripi<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r<br />
Sophokles. Man hat unglaublich lebendige Charaktere, mit <strong>de</strong>nen wir<br />
uns noch heute i<strong>de</strong>ntifizieren können – nehmen Sie die Darstellung<br />
<strong>de</strong>s verzweifelten Petrus o<strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>s Pontius Pilatus, <strong>de</strong>r hier eine<br />
tragisch zerrissene Figur ist.« Wer noch mehr über die Tiefendimensionen<br />
dieser neben <strong>de</strong>r Matthäuspassion als einzige vollständig erhaltenen<br />
Bach-Passion erfahren will, <strong>de</strong>m sei das Gesprächskonzert am<br />
28. 3. empfohlen: Bei diesem wird Gardiner nicht nur über die Passionsgeschichte,<br />
son<strong>de</strong>rn auch, übrigens unter Einbindung seiner Frau<br />
Isabella <strong>de</strong> Sabata, über die Kantate »Christ lag in To<strong>de</strong>s Ban<strong>de</strong>n«<br />
sprechen und aufführen. Und: Mitsingen ist ausdrücklich erwünscht.<br />
Doch für <strong>de</strong>n umtriebigen Maestro ist nach 27 Bach-Einspielungen<br />
und weltweit fast tausend Bach-Konzerten die musikalische Pilgerreise<br />
noch nicht zu En<strong>de</strong>. Im Gegenteil. Vielseitigkeit ist sein Lebenselixier,<br />
und so sehr man ihn auch als Bach-Interpreten verehrt: Gardiner<br />
kann – salopp gesagt – auch an<strong>de</strong>rs. Sogar mo<strong>de</strong>rn! Grund genug,<br />
in einem Son<strong>de</strong>rprojekt am 28. 4. zwei Meisterwerke Strawinskys<br />
vorzustellen. Dessen »Oedipus Rex« verbin<strong>de</strong>t – trotz <strong>de</strong>r epochalen<br />
und tonalen Entfernung – mit Bachs Passionswerk einiges: Bei<strong>de</strong> sind<br />
Oratorien, bei<strong>de</strong> behan<strong>de</strong>ln einen tragischen Stoff. Strawinskys 1927<br />
geschriebene Komposition liegt Sophokles’ »Oedipus Tyrannos« zugrun<strong>de</strong><br />
- jene Geschichte <strong>de</strong>s jugendlichen Herrschers, <strong>de</strong>r von Iokaste<br />
<strong>de</strong>s Vatermords entlarvt wird. Strawinsky formte diesen Stoff<br />
zusammen mit <strong>de</strong>m Dichter Jean Cocteau, <strong>de</strong>ssen Antigone-Fassung<br />
ihn 1922 begeistert hatte, ab 1925 zum Oratorien-Zweiakter um: Es entstand<br />
ein Mix aus Arien, Duetten und Chorstücken, die <strong>de</strong>swegen so<br />
bestechen, weil sie in ihrer Expressivität, ihrer Inspiration ein echter