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Das Magazin 01/13 - Mwk-koeln.de

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16 17<br />

Jonathan Nott<br />

Christian Tetzlaff<br />

»Schönheit<br />

ist <strong>de</strong>r<br />

Feind <strong>de</strong>s<br />

Ausdrucks!«<br />

Christian Tetzlaff spielt das<br />

Violinkonzert Nr. 1 von Schostakowitsch<br />

Er hat die Figur eines Turners und <strong>de</strong>n Haarschnitt eines Schwimmers.<br />

Mit seiner hohen Denkerstirn und <strong>de</strong>n blauen Augen, die sehr direkt gucken<br />

und zuweilen auch sehr entrückt, kann man ihn sich auch als Dozent<br />

im Philosophie-Seminar vorstellen. Doch Christian Tetzlaff ist Geiger –<br />

aber nicht nur. Er ist Solist, Duopartner und Kammermusiker, Spezialist<br />

für Bach, für Klassik und Romantik, für das 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt – also eher<br />

ein Generalist mit unglaublichem Wissen und enormem Anspruch. Er ist<br />

Dozent und Familienvater, Vollblutmusiker und Privatmensch, ein Nord<strong>de</strong>utscher<br />

mit Wohnsitz bei Frankfurt, ein Weltenbummler, <strong>de</strong>r gern nach<br />

Hause kommt. Christian Tetzlaff ist ein sehr eindrucksvoller Mensch.<br />

Der finnische Dirigent Esa-Pekka Salonen, mit <strong>de</strong>m Tetzlaff seit mehr als<br />

zwanzig Jahren zusammenarbeitet, sagt über ihn: »Was mich je<strong>de</strong>s Mal<br />

überwältigt, wenn ich ihn spielen höre und wenn ich selbst mit ihm zusammenarbeite:<br />

<strong>Das</strong>s bei ihm nicht die Violine im Mittelpunkt steht. Es<br />

geht um Musik und ihre Umsetzung, um Abstraktion, die zur Wirklichkeit<br />

wird, mithilfe <strong>de</strong>r Geige. Er spielt sie extrem gut, aber darum geht es ihm<br />

nicht.«<br />

Christian Tetzlaffs Eltern lernten sich im Kirchenchor kennen und machten<br />

zu Hause Kammermusik. <strong>Das</strong> hat offenbar alle vier Tetzlaff-Kin<strong>de</strong>r<br />

geprägt: Sie schlugen allesamt die Musikerlaufbahn ein. Angela, die<br />

Älteste, unterrichtet Flöte an <strong>de</strong>r Musikhochschule in Lübeck, <strong>de</strong>r ältere<br />

Bru<strong>de</strong>r Stephan ist Generalmusikdirektor am Stadttheater Bremerhaven<br />

und Tanja, die Jüngste, ist Cellistin im Tetzlaff-Quartett, in <strong>de</strong>m Christian<br />

Violine spielt. Kammermusik hat für ihn einen sehr hohen Stellenwert<br />

und Termine für Konzerte und Aufnahmen mit seinem Quartett und mit<br />

vielen an<strong>de</strong>ren versierten Musikern, die diese Lei<strong>de</strong>nschaft teilen, fin<strong>de</strong>n<br />

auf gera<strong>de</strong>zu mirakulöse Weise ihren Platz im übervollen Terminkalen<strong>de</strong>r.<br />

Der Pianist Lars Vogt, mit <strong>de</strong>m Christian Tetzlaff befreun<strong>de</strong>t ist und<br />

mit <strong>de</strong>m er regelmäßig zusammen auftritt, berichtet: »Ich kenne kaum<br />

jeman<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r so viel über Musik weiß, <strong>de</strong>r aber gleichzeitig so ein intuitiver<br />

und wil<strong>de</strong>r Musiker ist, <strong>de</strong>r über <strong>de</strong>n Bauch einen Zugang zur Musik<br />

fin<strong>de</strong>t.«<br />

Christian Tetzlaff spielt ein mo<strong>de</strong>rnes Instrument <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Geigenbauers<br />

Peter Greiner und entlockt ihm eine große Bandbreite an Klangfarben.<br />

Raues und Fahles haben dabei ebenso ihre Berechtigung wie<br />

Weiches und Strahlen<strong>de</strong>s. Christian Tetzlaff warnt vor <strong>de</strong>m inflationären<br />

Umgang mit <strong>de</strong>m Schönklang: »Der Zuhörer hat irgendwann kein Ohr<br />

mehr für die schönsten Klänge, wenn sie nur für beliebige, unwichtige<br />

Dinge eingesetzt wer<strong>de</strong>n.« Zu seinen Stu<strong>de</strong>nten sagte er einmal mit<br />

gespieltem Ernst: »Schönheit ist <strong>de</strong>r Feind <strong>de</strong>s Ausdrucks!« Er glaubt,<br />

dass zu viel Schönheit das narrative Potenzial eines Stücks limitiert. Dieses<br />

»narrative Potenzial« ist im Violinkonzert Nr. 1 von Schostakowitsch<br />

reichlich vorhan<strong>de</strong>n. Eine dunkle Welt tut sich da auf, das Konzert ist bald<br />

Trauerklage, bald spöttisches Gelächter. Schostakowitsch schrieb es für<br />

<strong>de</strong>n großen russischen Geiger David Oistrach und dieser sah sich eher<br />

in <strong>de</strong>r Rolle eines Schauspielers als in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Geigers. <strong>Das</strong> Werk ist eine<br />

sehr willkommene Herausfor<strong>de</strong>rung für Christian Tetzlaff. »Ich glaube,<br />

dass Musik die am höchsten entwickelte Errungenschaft <strong>de</strong>s Menschen<br />

ist, noch vor <strong>de</strong>r Malerei und <strong>de</strong>r Literatur, <strong>de</strong>nn sie ist mysteriöser, magischer<br />

und sie übt ihre Wirkung auf so direktem Weg aus. Aus Blei Gold<br />

zu machen, ist ein Kin<strong>de</strong>rspiel im Vergleich zu <strong>de</strong>r Kunst, etwas Mechanisches<br />

wie ein Instrument zu nehmen – eine Saite und einen Bogen – und<br />

damit eine menschliche Seele heraufzubeschwören.« Dorle Ellmers<br />

Konzerttermin<br />

24.03.2<strong>01</strong>3 Sonntag 18:00<br />

Christian Tetzlaff Violine<br />

Junge Deutsche Philharmonie<br />

Jonathan Nott Dirigent<br />

Dmitrij Schostakowitsch Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 a-Moll op. 99<br />

Gustav Mahler Sinfonie Nr. 9 D-Dur<br />

€ 32,– 27,– 21,– 16,– 12,– 10,– | Z: € 21,–

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