Brandenburgisches Ärzteblatt 07/2003 - Landesärztekammer ...
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Gesundheitspolitik<br />
Gesundheitspolitische Vorstellungen gegenübergestellt<br />
Was will die Brandenburger SPD, was die CDU?<br />
„Welche gesundheitspolitischen Vorstellungen<br />
haben Sie für das Land Brandenburg?“<br />
Diese Frage stellte „TKspezial Brandenburg“<br />
vor einiger Zeit auch den gesundheitspolitischen<br />
Sprechern der Parteien.<br />
Das Brandenburgische <strong>Ärzteblatt</strong> druckt<br />
auszugsweise die Antworten von Dr. Werner<br />
Kallenbach (SPD) und Dr. Peter Wagner<br />
(CDU) nach. Während Kallenbach fordert,<br />
„die Strukturen in der Selbstverwaltung zu<br />
modernisieren“ und „regelmäßige Fortbildung<br />
für Ärzte verpflichtend“ einzuführen,<br />
meint Wagner, „die Ärzteschaft verfüge „in<br />
ihren <strong>Landesärztekammer</strong>n über ausreichend<br />
geschulte Ausschüsse der Qualitätskontrolle“.<br />
Doch lesen Sie selbst:<br />
Dr. Werner Kallenbach, Gesundeitspolitischer<br />
Sprecher der SPD-Fraktion im Brandenburger<br />
Landtag:<br />
Ein Gesundheitswesen ist immer so gut wie<br />
seine Akteure. Um die Patientenversorgung<br />
zu verbessern, sollten regelmäßige Fortbildungen<br />
für Ärzte verpflichtend eingeführt<br />
werden. An der „Lotsenfunktion“ des Hausarztes<br />
ist festzuhalten. Zur Reform auf der<br />
Akteursebene gehört aber auch, die Strukturren<br />
in der Selbstverwaltung zu modernisieren.<br />
Hierbei sind Monopolstellungen und<br />
Aufwendungen für die jeweilige Verwaltung<br />
zu hinterfragen.<br />
Gesundheitspolitischen Handlungsbedarf sehe<br />
ich in Brandenburg vor allem in der Verzahnung<br />
der ambulanten und stationären Versorgung.<br />
Partiell unterversorgt, vor allem im<br />
Hausärztebereich, sind die Randregionen<br />
unseres Landes. Hier bleibt zu wünschen,<br />
dass der Maßnahmekatalog, der unter Moderation<br />
des Gesundheitsministeriums von<br />
den Kassen und der Kassenärztlichen Vereinigung<br />
vereinbart wurde, bald Wirkung<br />
zeigt und dass die Vorschläge zur Teilöffnung<br />
der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung<br />
und die Überlegungen zur Errichtung<br />
von Gesundheitszentren zeitnah in die Tat<br />
umgesetzt werden können.<br />
Dr. Peter Wagner, Gesundheitspolitischer<br />
Sprecher der CDU-Fraktion im Brandenburger<br />
Landtag:<br />
Der verständliche Ruf nach Qualitätssicherung<br />
im Gesundheitswesen, insbesondere<br />
der ärztlichen Tätigkeit, ist legitim. So sollten<br />
von den Krankenhäusern, den Niedergelassenen<br />
und den Klinikärzten jährlich zwei bezahlte<br />
Wochen einer obligatorischen und intensiven<br />
Weiterbildung im Sinne eines fachlichen<br />
„Updates“ garantiert werden.<br />
Eine Zertifizierung dieser Weiterbildung ist<br />
dann nur noch ein organisatorisches Randproblem.<br />
Dagegen muss der Gedanke eines<br />
so genannten „Instituts für Qualität in der Medizin“<br />
nur als extremer intelektueller Ausfluss<br />
von unkundigen, sich selbst versorgen wollenden<br />
„Gutachtern“ gedeutet werden. Die<br />
Ärzteschaft verfügt in ihren <strong>Landesärztekammer</strong>n<br />
über ausreichend geschulte Ausschüsse<br />
der Qualitätskontrolle. Diese müssen ggf. in<br />
ihrer administrativen Kompetenz gestärkt<br />
werden.<br />
Befristete Zulassungen von Gnaden der Krankenkassen<br />
für fast alle Facharztgruppen – wie<br />
jetzt aktuell von der Regierung in Umlauf gebracht<br />
– sind schlichtweg ökonomischer<br />
Schwachsinn, der jeden Banker und Betriebswirt<br />
das Gruseln lehren würde. Grundsätzlich<br />
wäre eine solche Regelung ohnehin anfechtbar.<br />
Wer die kompletten Stellungnahmen von<br />
Dr. Kallenbach und Dr. Wagner sowie anderer<br />
Politiker und Akteure des Brandenburger<br />
Gesundheitswesens lesen möchte, der hat<br />
dazu im Internet unter www.tk@online.de/<br />
lv-berlin Gelegenheit.<br />
Fortbildungsveranstaltung im Forßmann-Krankenhaus in Barnim<br />
Dem Norwalk-Virus Paroli bieten<br />
Hygiene ist in einem Krankenhaus eine Selbstverständlichkeit.<br />
Dass gegen tückische Viren<br />
manchmal die bewährtesten Methoden<br />
machtlos sind, offenbarte sich im vergangenen<br />
Herbst im Landkreis Barnim. Nicht nur<br />
das dortige Werner-Forßmann-Krankenhaus,<br />
sondern auch eine Reihe anderer Wohn- und<br />
Pflegeeinrichtungen der Region hatten mit einem<br />
besonderen Problem zu kämpfen: Brechund<br />
Durchfallerkrankungen suchten Hunderte<br />
von Menschen heim. „Wir hatten es mit einer<br />
rasenden Ausbreitung zu tun“, erinnerte sich<br />
Dr. Eckhart Braasch, Chefarzt der Medizinischen<br />
Klinik II im Forßmann-Krankenhaus.<br />
Verantwortlich war das so genannte Norwalk-Virus.<br />
„Gastroenteritiden“, die auch<br />
durch Norwalk-like-Viren ausgelöst werden<br />
können, waren Gegenstand einer Informationsveranstaltung<br />
im Klinikum Barnim, die<br />
von der <strong>Landesärztekammer</strong> als Fortbildungsveranstaltung<br />
anerkannt und gefördert wurde.<br />
Erst Anfang der 70er Jahre war das Norwalk-Virus<br />
identifiziert worden, mittlerweile<br />
sind die Erkrankungen nach dem Bundesinfektionsschutzgesetz<br />
meldepflichtig. Nicht nur<br />
die niedergelassenen Ärzte der Region nordöstlich<br />
von Berlin, sondern auch Mitarbeiter<br />
anderer Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen<br />
und Rettungsdienste waren eingeladen. Mit<br />
rund 80 Teilnehmern traf die Veranstaltung<br />
auf unerwartet großes Interesse.<br />
„Zeitweise kamen zu den rund 100 betroffenen<br />
Patienten noch rund 100 erkrankte Mitarbeiter“,<br />
beschrieb Dr. Braasch die angespannte<br />
Situation, wie sie im November 2002<br />
im Klinikum Barnim herrschte. Durch die hohe<br />
Zahl der erkrankten Mitarbeiter war das Personal<br />
nicht nur bei der Patientenversorgung,<br />
sondern auch mit der Aufrechterhaltung des<br />
gesamten Betriebs besonders gefordert. Die<br />
Erfahrungen von damals und Schlussfolgerungen<br />
für die Zukunft wurden während der<br />
Fortbildung mit Martin Eikenberg, einem Experten<br />
aus Freiburg, beraten. Das dort ansässige<br />
Beratungszentrum für Standards im<br />
Hygienemanagement gilt unter Fachleuten als<br />
eine der kompetentesten Stellen für Infektionsschutz.<br />
„Das Zentrum hat uns bei der Bewältigung der<br />
damaligen Probleme ganz wesentlich unterstützt“,<br />
berichtete Braasch. Die Zahl der gemeldeten<br />
Erkrankungen durch Norwalk-Viren<br />
hat sich in den vergangenen zwei Jahren in<br />
Deutschland mehr als verfünffacht. Allerdings<br />
bedeutet das nicht zwangsläufig, dass auch<br />
die absolute Zahl der Erkrankungen so stark<br />
zugenommen hat. Einerseits hat die Forschung<br />
in den letzten Jahren vereinfachte<br />
Nachweismethoden geliefert, andererseits<br />
begegnen Ärzte und Gesundheitsämter den<br />
bekannten Symptomen inzwischen mit größerer<br />
Aufmerksamkeit. Der Praktiker weiß, dass<br />
Kürze und Heftigkeit des Krankheitsbildes<br />
durchaus auch als Magenverstimmung missdeutet<br />
werden können, die folglich keinen<br />
Eingang in amtliche Statistiken findet. Nach<br />
wie vor gehen Ärzte von einer hohen Dunkelziffer<br />
aus.<br />
Norwalk-Viren sind weitaus ansteckender als<br />
andere. Laut Martin Eickenberg ist davon auszugehen,<br />
dass schon einige hundert Keime<br />
ausreichen, um bei einem gesunden Menschen<br />
eine Erkrankung hervorzurufen. Dies<br />
erkläre auch das im vergangenen Herbst<br />
beobachtete Phänomen, dass Patienten in<br />
Krankenhäusern oder Bewohner von Altenheimen<br />
besonders betroffen waren. Ihre eingeschränkte<br />
Widerstandskraft ließ sie zu einer<br />
leichten Beute für die Erreger werden.<br />
Axel F. Busse<br />
210 <strong>Brandenburgisches</strong> <strong>Ärzteblatt</strong> 7/<strong>2003</strong> • 13. Jahrgang