Quelle: Jens Peter P aul : Bilanz einer gescheiterten Kommunikation
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<strong>Quelle</strong>: <strong>Jens</strong> <strong>Peter</strong> P a u l : <strong>Bilanz</strong> <strong>einer</strong> <strong>gescheiterten</strong> <strong>Kommunikation</strong> (Dissertation)<br />
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BILANZ EINER GESCHEITERTEN KOMMUNIKATION<br />
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übergeordneten volkswirtschaftlichen Erwägungen in den besonders kritischen Jahren<br />
1996 und 1997 nur zögernd, widerwillig den Appellen der Politik, sich endlich<br />
europafreundlich zu zeigen und klar auf die Seite Kohls und Waigels zu stellen.<br />
Auf internationaler Ebene hatten sich die USA zwar seit jeher mokiert über die<br />
Unübersichtlichkeit der EU („Welche Telefonnummer hat Europa?“ 97 ) und die<br />
Vielzahl der nationalen Währungen. Daraus zu schließen, sie hätten europäische<br />
Regierungen unter Druck gesetzt, ihre Währungen zu vereinheitlichen, erlauben der<br />
Forschungsstand insgesamt und das hier vorgelegte Material jedoch ebenfalls nicht.<br />
Im Gegenteil überwog auch in Übersee Skepsis, gelegentlich sogar Spott, zumal das<br />
Interesse von Washington und New York am Entstehen <strong>einer</strong> neuen potentiellen<br />
Weltreservewährung als Konkurrenz zum Dollar zu jeder Zeit als überschaubar<br />
angesehen werden durfte. Ähnliches gilt für Wall Street und die Londoner City.<br />
Daß US-Präsident Barack Obama bei Bundeskanzlerin Angela Merkel am zweiten<br />
Mai-Wochenende 2010 auf einem neuen Höhepunkt der Euro-Krise persönlich<br />
per Telefonanruf intervenierte, um sie zur Unterstützung des 750 Milliarden Euro<br />
schweren sogenannten „Euro-Rettungsschirmes“ zu veranlassen, ist unbestritten.<br />
Allerdings darf man hier Angst vor einem Übergreifen der Schuldenkrise auf weitere<br />
Weltgegenden als Motiv unterstellen, weniger eine Sorge um den Euro an sich. 98<br />
97 US-Außenminister Henry Kissinger zugeschriebenes Bonmot aus 1975.<br />
98 Zog Obama die Fäden bei der Euro-Rettung? Bild-Zeitung vom 13. Mai 2010. – Volkswirt<br />
Eberhardt Unger von Fairresearch hielt 2010 die Angst der US-Administration vor einem<br />
Flächenbrand für berechtigt: Rechne man die Defizite der US-Einzelstaaten sowie<br />
die Schulden verstaatlichter oder mit Staatsgarantien versehener Unternehmen wie Fannie<br />
Mae oder Freddie Mac zur Gesamtverschuldung der USA hinzu, komme man auf ein Gesamtdefizit<br />
von 124 Prozent des BIP. Die USA stünden damit kaum besser da als Griechenland<br />
und verdienten „nach objektiven Maßstäben“ ihre Bonitäts-Bestnote AAA nicht<br />
länger, sondern müßten ebenfalls herabgestuft werden (Ursula Göpfert: USA, der nächste<br />
Wackelkandidat? – Bericht in www.boerse.ard.de vom 8. Juli 2010).<br />
Eine Abwertung der US-Staatsanleihen hätte freilich weltweit dramatische Folgen, etwa<br />
in Form stark anziehender Kapitalkosten für die USA, die wiederum ein weiteres Downgrade<br />
nach sich ziehen könnten sowie – Ergänzung des Verfassers – einen Dollar-Crash<br />
nie gesehenen Ausmaßes. Der Zufluß ausländischen Kapitals, der es den USA jahrzehntelang<br />
gestattete, über ihre Verhältnisse zu leben (und militärisch global zu agieren), geriete<br />
sofort ins Stocken mit der Gefahr <strong>einer</strong> Insolvenz. Unter anderem müßten weltweit Dollarreserven<br />
abgewertet werden, was auch deren Besitzer (aktuell am meisten betroffen wären<br />
China, Japan, Großbritannien und Brasilien) in Probleme stürzen würde.<br />
Letztendlich wäre wohl eine neue Weltordnung Folge <strong>einer</strong> vergleichsweise banalen<br />
Entscheidung weniger Leute in den drei führenden Ratingagenturen – was jenen, die allesamt<br />
ihren Sitz in den USA haben, natürlich bewußt ist und die Aussagekraft ihrer Urteile<br />
relativiert. Ursula Göpferts Fazit: „Vor diesem Hintergrund dürften die USA ihr Traumrating<br />
Triple A bis zum bitteren Ende behalten.“ (ebenda).<br />
Der Vorwurf, die großen Ratingagenturen, ja die US-Finanzindustrie insgesamt sei „europafeindlich“,<br />
wie in Brüssel nach der Degradierung Griechenlands im Frühjahr 2010 zu<br />
hören war (Hedgefonds-Manager John Taylor etwa nannte den Euro ein „Huhn, das mit<br />
abgeschlagenem Kopf noch eine Weile über den Hof rennt, ehe es verendet“), ist somit<br />
nicht plausibel, da man unterstellen darf, daß ihnen die Gefahr <strong>einer</strong> Rückwirkung auf die<br />
Einstufung der USA bewußt ist. Vielmehr zeigt der Vorgang, daß die Agenturen die Bewertung<br />
von systemrelevanten Staaten (was Griechenland durch seine Zugehörigkeit zur