Quelle: Jens Peter P aul : Bilanz einer gescheiterten Kommunikation
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<strong>Quelle</strong>: <strong>Jens</strong> <strong>Peter</strong> P a u l : <strong>Bilanz</strong> <strong>einer</strong> <strong>gescheiterten</strong> <strong>Kommunikation</strong> (Dissertation)<br />
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BILANZ EINER GESCHEITERTEN KOMMUNIKATION<br />
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Der bayerische Grünen-Abgeordnete Gerald Hefner berichtet, die Wirkung <strong>einer</strong><br />
Schweigespirale in seinem politischen Umfeld und auch mindestens einmal am eigenen<br />
Leibe verspürt und beobachtet zu haben:<br />
Menschen, auch Abg. (!) hatten Angst, ihre Bedenken deutl. zu äußern. Kritische<br />
Haltung zum Euro (oft sogar schon Nachfragen), galten weithin als nationalistisch,<br />
chauvinistisch, dumpf, unmodern, uneuropäisch, antieurop. etc.<br />
Wer keine oder keine starke Meinung hatte oder unsicher war (und das waren<br />
viele), schlug sich auf die Seite der stärkeren Bataillone. 152<br />
Gab es das Euro-Schweigekartell von Bonn? Der ehemalige Kanzleramtsminister<br />
Horst Ehmke sagt, „Desinteresse und Feigheit“ der Eliten seien schuld gewesen<br />
am Ausbleiben <strong>einer</strong> rechtzeitigen und offenen Auseinandersetzung mit dem Euro.<br />
Zudem störe ihn „der ganze politikverdrossene Impuls“ derartiger Klagen. 153<br />
Im Tenor ähnlich Werner Hoyer. Nur die wenigsten Vertreter der politischen<br />
Klasse träten in Veranstaltungen ,,draußen“ offensiv für den Euro ein, klagte der<br />
Staatsminister im Auswärtigen Amt. Der größte Teil der politischen Klasse sei „genauso<br />
verunsichert, was den Euro angeht, wie die Bürgerinnen und Bürger selber“.<br />
Im Parlament werde der Euro forciert von wenigen „Überzeugungstätern“:<br />
Die meisten Abgeordneten des Deutschen Bundestages spüren den Bürgerzorn<br />
oder den Frust oder die Skepsis und ziehen den Kopf lieber in die Ackerfurche.<br />
Die ganzen Landesvorstände der im Deutschen Bundestag vertretenen<br />
Parteien halten sich schön aus der Diskussion heraus. Die Multiplikatoren<br />
halten sich lieber heraus, überlassen das ein paar Fachleuten aus Bonn. Das<br />
wäre alles anders, wenn es eine Volksabstimmung gäbe ... Dann wären unsere<br />
Kreisvorsitzenden vor Ort, unsere Landtags-, Bundestagsabgeordneten<br />
auch ganz anders gefordert, als das jetzt der Fall ist. 154<br />
Norbert Wieczorek, Euro-Experte der SPD, schätzt die Anzahl der Bundestagsabgeordneten,<br />
die sich intensiv mit der EWU auseinandersetzten, auf maximal 20:<br />
Wer intensiv gearbeitet hat, waren zum Beispiel Kurt Faltlhauser, auch Hansgeorg<br />
Hauser als Parlamentarischer Staatssekretär, bei uns Joachim Poß –<br />
da gab es ein paar, die auch ‘mal gerne in die Details eingestiegen sind, und<br />
Ingrid Matthäus-Maier als stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Aber wenn<br />
Sie richtig hinschauen, war es eine Handvoll Leute. 155<br />
Laut Wieczorek ist dieses Phänomen auch auf äußere Zwänge zurückzuführen:<br />
Es ist alles so komplex geworden, selbst für die Akteure, daß sie immer nur<br />
noch Teilbereiche selbst überschauen können. Da müssen sie schon sehr viel<br />
arbeiten, damit sie das können. Für die Öffentlichkeit ist gerade das noch relevant,<br />
was eben gerade in den Schlagzeilen ist oder im Fernsehen. Breitere<br />
politische Diskussionen finden an der Basis nicht mehr statt. Das sage ich<br />
nach 30 Jahren Politik und 22 Jahren im Bundestag. Als ich anfing, gab es<br />
permanent … Ortsversammlungen, wo Sie die Themen, die anstanden, diskutiert<br />
haben. Heute gibt es kaum noch Interesse daran. 156<br />
152 Antworten auf Fragen 18 und 19 im von Gerald Häfner MdB ausgefüllten Fragebogen.<br />
153 Ehmke bei der Vorstellung der Neuauflage des Buches von Reimut Jochimsen<br />
,,Perspektiven der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion“ am 6. Februar 1998.<br />
154 Interview mit Werner Hoyer (S. 5-7).<br />
155 Interview mit Norbert Wieczorek (S. 12).<br />
156 Ebenda.