Quelle: Jens Peter P aul : Bilanz einer gescheiterten Kommunikation
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<strong>Quelle</strong>: <strong>Jens</strong> <strong>Peter</strong> P a u l : <strong>Bilanz</strong> <strong>einer</strong> <strong>gescheiterten</strong> <strong>Kommunikation</strong> (Dissertation)<br />
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BILANZ EINER GESCHEITERTEN KOMMUNIKATION<br />
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Eine ähnliche Erfahrung machte vier Jahre später der Finanzausschuß des Bundestages,<br />
ebenfalls mit <strong>einer</strong> öffentlichen Anhörung mit prominenter Besetzung.<br />
Befragt wurden unter anderen der Bundesbankpräsident, der Präsident der Europäischen<br />
Zentralbank und der Bundesminister der Finanzen. Das öffentliche Interesse,<br />
so der FDP-Politiker und damalige Vorsitzende des Ausschusses Carl-Ludwig<br />
Thiele, sei jedoch gleich null gewesen:<br />
Die Medien haben fast keine Notiz davon genommen. 143<br />
Möglicherweise waren nach der Ratifizierung 1992 nicht allein Ignoranz Ursache<br />
für Mißachtung und Fehlbehandlung eines existentiellen Themas, sondern auch die<br />
Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie. Für einen demokratischen Diskurs über<br />
Sinn und Zweck <strong>einer</strong> Währungsunion ist ein Zustand vollendeter Tatsachen, ein<br />
fait accompli, nach Meinung des Akzeptanzforschers Hans-Christian Röglin eine<br />
denkbar schlechte Voraussetzung:<br />
Ein intelligenter Mensch befaßt sich jetzt mit diesem Thema nicht mehr, weil er<br />
ganz genau weiß: Wir sitzen jetzt in <strong>einer</strong> Falle und jetzt laufen die Dinge. Da<br />
ist nichts mehr dran zu tun und zu bewegen. 144<br />
Tatsächlich entwickelte sich in den folgenden acht Jahren eine Auseinandersetzung<br />
mit dem Projekt, die s<strong>einer</strong> Bedeutung nicht entsprechen wollte. Beobachter<br />
und Teilnehmer empfanden sie als verkrampft, verklemmt, unaufrichtig, unangemessen,<br />
undemokratisch, unbefriedigend – oft für Verfechter wie Skeptiker.<br />
3.3 „Nach Auschwitz darf niemand mehr gegen Europa sein“<br />
Nach Darstellung von Axel Bunz, s<strong>einer</strong>zeit Leiter der Bonner Vertretung der<br />
Europäischen Kommission, war spätestens ab Mitte der 90er Jahre eine umfassende<br />
Auseinandersetzung über den Euro mit der Bevölkerung von den Verantwortlichen<br />
nicht mehr gewollt und geplant:<br />
Alle <strong>Kommunikation</strong> konzentrierte sich allein auf die politischen Gremien. Die<br />
Bevölkerung wurde absichtlich außen vor gelassen – weil es auf sie nicht ankam.<br />
Und es hatte ja Erfolg. 145<br />
Folgerichtig entsprach die Debatte nicht den Diskurstheorien, etwa von Habermas,<br />
nach der demokratische Legitimation entsteht ,,aus dem Zusammenspiel der<br />
institutionalisierten Beratungs- und Entscheidungsprozesse mit der informellen,<br />
über Massenmedien laufenden Meinungsbildung in den Arenen der öffentlichen<br />
<strong>Kommunikation</strong>“. 146 Statt dessen wurde zu Lasten der Öffentlichkeit gegen die Regeln<br />
des fair play verstoßen. Als unaufrichtig empfand Zeit-Redakteur Klaus-<strong>Peter</strong><br />
Schmid etwa das Verhalten von Georg Milbradt, s<strong>einer</strong>zeit Finanzminister von<br />
Sachsen. Im kleinen Kreis habe Milbradt sich als ausgeprägter Euro-Skeptiker ge-<br />
143 Interview mit Carl-Ludwig Thiele im Deutschlandfunk, Wortlaut veröffentlicht in<br />
Pressemitteilung der FDP-Bundestagsfraktion Nr. 249 vom 21. April 1998.<br />
144 Interview mit Hans-Christian Röglin (S. 1).<br />
145 Axel Bunz in einem Telefongespräch am 23. Januar 2002 zum Verfasser.<br />
146 Jürgen Habermas: Warum braucht Europa eine Verfassung?, in Die Zeit vom 28. Juni<br />
2001, S. 7.