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Quelle: Jens Peter P aul : Bilanz einer gescheiterten Kommunikation

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<strong>Quelle</strong>: <strong>Jens</strong> <strong>Peter</strong> P a u l : <strong>Bilanz</strong> <strong>einer</strong> <strong>gescheiterten</strong> <strong>Kommunikation</strong> (Dissertation)<br />

6<br />

BILANZ EINER GESCHEITERTEN KOMMUNIKATION<br />

_________________________________________________________________________________________________________________<br />

Abläufen, Verhältnissen, den Zwängen der Beteiligten. Er weiß nicht, was und wie<br />

es im Berliner Regierungsviertel und anderswo läuft.<br />

Jeder tarifvertraglich abgesicherte Angestellte würde, nur als Beispiel, den ganz<br />

normalen 14-Stunden-Arbeitsalltagswahnsinn eines beliebigen Abgeordneten <strong>einer</strong><br />

beliebigen Sitzungswoche mit nervenden Sitzungen, hastigem Zwischendurchessen,<br />

Streß mit Parteifreunden, Dauerbeobachtung (schlimm) oder Dauerignorierung<br />

(schlimmer) durch die Medien, seltenen Erfolgserlebnissen und häufigen Enttäuschungen<br />

bei wenig Privatleben und null Kündigungsschutz – wie soeben wieder<br />

von einem Drittel der SPD-Parlamentarier erlitten – dankend ablehnen.<br />

Wenn dieser Angestellte sähe, wie am Wochenende der Darwinismus im Wahlkampf<br />

(und der ist auf irgend<strong>einer</strong> Ebene immer) weitergeht, wäre er von seinen<br />

Vorurteilen geheilt.<br />

Liegt der Politiker schief in seinen Prognosen, ist er eine Niete. Behält er recht<br />

(wie etwa Oskar Lafontaine beim Thema Finanzmärkte) und sagt das auch noch, ist<br />

es Besserwisserei und erst recht verkehrt – bis zu dem Moment, wo es auch die anderen<br />

schon immer gewußt haben. 3 Und da sie glauben, nicht einmal mehr richtig<br />

Urlaub machen zu können, schlittern sie in sogenannte Dienstwagenaffären und<br />

verstehen die Welt nicht mehr. Die wichtigen Dinge bleiben solange liegen.<br />

Die Kanzlerin, die zum Abendessen mit den verkehrten Leuten verkehrt, hat<br />

ebenfalls eine wichtige Regel nicht begriffen, die da lautet: Bloß nichts tun, was<br />

vom Mittelmaß abweicht, den Verdacht erregen könnte, das habe auch etwas mit<br />

Freude am Leben, am Job, am Umgang mit interessanten Menschen zu tun.<br />

Anstatt sich gemeinsam als angegriffener Berufsstand gegen alberne Vorwürfe<br />

zu wehren, geloben sie Besserung oder freuen sich insgeheim über das Mißgeschick<br />

der Konkurrenz, die nächste Beliebtheitsumfrage im Blick. Sie sind auch selbst<br />

schuld an ihrer Misere. Wer heute noch Berufspolitiker werden will, muß zwar<br />

nicht unbedingt verrückt sein, aber es erleichterte die Sache doch ungemein.<br />

Schließlich Helmut Kohl, die zentrale Figur dieser Abhandlung. Kaum ein Leser<br />

wird nach Lektüre der Vermutung anheimfallen, ich könnte eine Schwäche, ein<br />

Faible für diesen Mann haben. Und doch ist es so. Kohl wird unter Wert behandelt.<br />

Nichts gegen Helmut Schmidt. Die jeweils wochenlangen Lobeshymnen anläßlich<br />

s<strong>einer</strong> runden Geburtstage seien ihm gegönnt. Nur: An die Lebensleistung<br />

Kohls, an seine Verdienste kommt er nicht ganz heran. Das ist nicht seine Schuld –<br />

Schmidt hatte eben nicht einen Wirbelsturm der Geschichte als Herausforderung,<br />

sondern die armen Irren von der RAF, und für diese Krise war er der richtige<br />

Mann. Wie überhaupt die Bundesrepublik bisher Glück mit ihren Kanzlern hatte. 4<br />

3 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. September 2009, S. 1: „Merkel offen für internationale<br />

Börsensteuer auf alle Finanzmarkttransaktionen“ (eine bis dahin häufig kritisierte<br />

Forderung Lafontaines).<br />

4 Ludwig Erhard und Kurt-Georg Kiesinger haben im Kanzleramt zumindest keinen großen<br />

Schaden angerichtet; die destruktive Kraft von Schröders Politik wird allmählich<br />

deutlich, wie die Schmach der SPD in der Bundestagswahl 2009 zeigt. Für ein Urteil über<br />

Angela Merkel ist es zu früh, die Frage „Wie gut ist sie wirklich?“ (Patrik Schwarz) auch<br />

nach vier Jahren ohne Antwort.

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