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Die Wahl der Metaphern: - metaphorik.de

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<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong>:<br />

Kontextbedingte Be<strong>de</strong>utungsverschiebung bei <strong>Metaphern</strong> mit<br />

unterschiedlichem Lexikalisierungsgrad<br />

Alex Deppert 1 , Darmstadt (AlexDeppert@gmx.<strong>de</strong>)<br />

Abstract<br />

Untersucht wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Einfluss <strong><strong>de</strong>r</strong> Konventionalität von <strong>Metaphern</strong> wie Vulkanausbruch für eine frische<br />

Liebesbeziehung auf die von Versuchslesern gesehene Enge <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehung dieser <strong>Metaphern</strong> als<br />

„Stimulusbezeichnungen“ zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>en (Test-) Bezeichnungen. <strong>Die</strong> Testbezeichnungen stehen zu je einem Teil (a)<br />

zur metaphorischen Be<strong>de</strong>utung und (b) zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>en bzw. „wörtlichen“ Verwendungsweisen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Stimulusbezeichnungen in Beziehung – ein Beispiel für ersteres wäre (wir bleiben bei Vulkanausbruch) z.B.<br />

Lei<strong>de</strong>nschaft, eines für letzteres Ascheregen. In einem zu lesen<strong>de</strong>n Versuchstext wer<strong>de</strong>n die<br />

Stimulusbezeichnungen z.B. in ihrer metaphorischen Be<strong>de</strong>utung verwen<strong>de</strong>t. Es zeigt sich, dass das Lesen dieser<br />

Texte die gesehene Beziehung zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> fraglichen Metapher und <strong>de</strong>n „passen<strong>de</strong>n“ Testbezeichnugen stärkt.<br />

Entschei<strong>de</strong>nd ist aber: die über diese Relation erfasste Be<strong>de</strong>utungsverschiebung hängt nicht von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Konventionalität ab und tritt auch bei ungewöhnlichen, unkonventionellen <strong>Metaphern</strong> auf. Das relativiert die<br />

Be<strong>de</strong>utung von konzeptionellen <strong>Metaphern</strong>, wie sie z.B. Lakoff und Johnson (1980; Lakoff 1987) u.a. als<br />

wichtige Einflussgröße auf Denken und Han<strong>de</strong>ln konzipieren und kann als Ermutigung zu unkonventionellem<br />

Sprachgebrauch gesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

We examine the influence of the conventionality of stimulus words – metaphors like Vulkanausbruch („volcanic<br />

eruption”) for a new love relation – on the relation between these expressions and other test expressions as<br />

judged by the participants of our experiment. The test expressions relate either to the metaphorical or to the<br />

literal meaning of the stimulus words. If the participants read a text that uses the stimulus word in its<br />

metaphorical sense before judging, this strengthens the relation between the stimulus words and the test<br />

expressions that fit this metaphorical context (like within the Vulkanausbruch – example Lei<strong>de</strong>nschaft –<br />

„passion”). However, this result does not <strong>de</strong>pend on the conventionality of the metaphors and also appears with<br />

very new and unusual metaphors. These findings reduce the importance of metaphor „groups” which are seen as<br />

a major influence on thought and action by Lakoff (1987). This is an encouragement for using language<br />

unconventionally.<br />

1. Einleitung, Hintergrün<strong>de</strong><br />

Es ist gegenwärtig kaum noch umstritten, dass Metaphorik ein universeller und<br />

allgegenwärtiger Motor <strong><strong>de</strong>r</strong> Sprachentwicklung bis hin zur Grammatikalisierung (Bybee et al.<br />

1994) ist und einen wesentlichen Einfluss auf unser alltägliches Denken hat (Lakoff / Johnson<br />

1980) sowie selbst auf die wissenschaftliche Theoriebildung (Kuhn 1976). <strong>Die</strong> Verwendung<br />

von <strong>Metaphern</strong> ist gera<strong>de</strong> zum Erfassen „neuer“ Information so notwendig wie nützlich.<br />

1 <strong>Die</strong>se Untersuchung dokumentiert einen Teil meiner im Rahmen <strong>de</strong>s DFG-Projekts LexiKurs durchgeführten<br />

Arbeit. Ich danke Swintha Danielsen für Anregungen und Recherche, Cornelia Zelinsky-Wibbelt, Thomas<br />

Bernhard Seiler, Eamon Kiernan und Walter Kintsch für Unterstützung und / o<strong><strong>de</strong>r</strong> Rückmeldungen – sowie allen<br />

126 Versuchspersonen.<br />

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<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

Hörmanns (1976) Sichtweise <strong><strong>de</strong>r</strong> Sprache als „Gefängnis“, außerhalb <strong>de</strong>ssen Mauern sich<br />

jedoch nichts, keine erstrebenswerte „Freiheit“ befin<strong>de</strong>t, bietet sich als starke Metapher für<br />

die Be<strong>de</strong>utsamkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Sprache an. Inwieweit sind wir z.B. in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage, die Metapher<br />

„Sprache als Gefängnis“ durch die einer „Sprache als Schiff“ zu ersetzen – eines Schiffes, das<br />

seine Mannschaft an sich bin<strong>de</strong>t, das sich jedoch bewegt? <strong>Die</strong>se Metapher erscheint uns<br />

nützlicher für die Ver<strong>de</strong>utlichung <strong><strong>de</strong>r</strong> im Rahmen dieser Arbeit im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund stehen<strong>de</strong>n<br />

Fragen. Um „im Bild“ zu bleiben: inwieweit können wir <strong>de</strong>n Kurs <strong>de</strong>s Schiffes bestimmen<br />

und wie frei können wir uns auf diesem bewegen?<br />

Nach<strong>de</strong>m die Diskussion metaphorischer Grundlagen, was die eigene Fachsprache angeht, in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> psychologischen Disziplin bereits eine gewisse Tradition hat (z.B. Ickler 1997: 273;<br />

Deppert 2001b: 254; Danziger 1990), beschäftigt in jüngerer Zeit die Frage <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

„Möglichkeiten und Risiken“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwendung bestimmter <strong>Metaphern</strong> und die<br />

Gestaltungsfreiheit dabei auch die Forschung zur psychologischen Psychotherapie (Rosenblatt<br />

1994, Kopp 1995, Buchholz und Kleist 1998, vgl. auch Brünner und Gülich 2002) 2 . <strong>Die</strong>s sind<br />

Aspekte, die einen Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Motivation für die vorliegen<strong>de</strong> Untersuchung liefern, nicht aber in<br />

noch engerer Beziehung zu ihr stehen, etwa im Sinne einer Zuordnung zu dieser Linie.<br />

Wie frei sind wir in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Wahl</strong> unserer <strong>Metaphern</strong>? <strong>Die</strong>se Frage lässt sich in zwei Aspekte<br />

aufteilen:<br />

(1) Wie leicht kann man sich konventionell vorgebahnten <strong>Metaphern</strong> durch Setzung neuer,<br />

eigener <strong>Metaphern</strong> entziehen?<br />

(2) Wie stark wer<strong>de</strong>n potentiell vorhan<strong>de</strong>ne „unkonventionelle“ Freiheiten dabei tatsächlich<br />

genutzt?<br />

Ein provokatives Beispiel zeigt die Be<strong>de</strong>utsamkeit dieses Unterschieds. Es stammt von einem<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> be<strong>de</strong>utendsten Autoren <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong>forschung: nach Lakoff (1987:412) besteht z.B.<br />

eine durch <strong>Metaphern</strong> hergestellte und durch <strong><strong>de</strong>r</strong>en Untersuchung belegbare enge Verbindung<br />

zwischen Aggression und Sexualität in <strong><strong>de</strong>r</strong> US-amerikanischen Kultur und Sprache. <strong>Die</strong>se<br />

Verbindung ist nach seiner Auffassung konstitutiv für die hohe Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergewaltigungen in<br />

<strong>de</strong>n USA. Eine vertiefen<strong>de</strong> Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung mit dieser Aussage kann hier nicht geleistet<br />

2 Das gestiegene Interesse an letzterem zeigt sich auch darin, dass 2002 und 2003 gleich mehrere Kongresse zu<br />

diesem Thema im <strong>de</strong>utschsprachigen Raum stattfan<strong>de</strong>n, vgl. http://www.eineroseisteinerose.<strong>de</strong>/in<strong>de</strong>x.html,<br />

http://www.suchttherapietage.<strong>de</strong>/, http://www.dgvt.<strong>de</strong>/in<strong>de</strong>x.html?veranstaltungen/kongress_14_klinpsy_psy_<br />

ber.html~Main.<br />

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<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

wer<strong>de</strong>n: dies müsste u.a. die Frage behan<strong>de</strong>ln, wie etwa die statistischen Zahlen in<br />

verschie<strong>de</strong>nen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n zustan<strong>de</strong> kommen, die man einem Vergleich zugrun<strong>de</strong> legen könnte.<br />

Auch müsste man untersuchen, wie die betreffen<strong>de</strong> Metaphorik in Sprachen verschie<strong>de</strong>ner<br />

Kulturkreise genau beschaffen ist (vgl. Deppert 2001a:151). Bei<strong>de</strong>s bleibt bei Lakoff aus, ist<br />

jedoch auch nicht Gegenstand <strong>de</strong>s vorliegen<strong>de</strong>n Artikels. Entschei<strong>de</strong>nd ist hier: wenn ein<br />

Effekt bestimmter <strong>Metaphern</strong>gruppen auf Denken und Han<strong>de</strong>ln angenommen wird, müssen<br />

diese gängig und verbreitet sein. Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Beschreibung solcher „metaphorischer<br />

Konventionen“ tritt die Frage in <strong>de</strong>n Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund, wie bin<strong>de</strong>nd sie für aktuelle<br />

Sprachproduktion und -rezeption sind. Während wir eher auf Wege zur Beantwortung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

ersten oben genannten Frage abzielen, steht die Beschreibung vorhan<strong>de</strong>ner <strong>Metaphern</strong>systeme<br />

eher im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten Frage.<br />

Nach Lakoff (1987; 1993) wie auch nach Goatly (1997:49, 80) wird das Verständnis neuer<br />

Einzelmetaphern von solchen <strong>Metaphern</strong>systemen (bei Goatly „Root Analogies“) getragen.<br />

In Anlehnung an Lakoff & Johnson (1980) wer<strong>de</strong>n diese häufig – wie auch hier – wegen ihrer<br />

kognitiven Relevanz „konzeptionelle <strong>Metaphern</strong>“ genannt. Ein Beispiel wäre etwa<br />

ARGUMENT IS WAR, mit zahlreichen Einzelmetaphern wie z.B. I <strong>de</strong>molished his argument<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> Your claims are in<strong>de</strong>fensible. Mit „metaphor“ bezeichnen Lakoff und Johnson (1980)<br />

sowohl das, was wir hier <strong><strong>de</strong>r</strong> Klarheit halber als Einzelmetapher bezeichnen wollen, als auch<br />

das, was wir als „konzeptionelle Metapher“ fassen. Entschei<strong>de</strong>nd für die aktuelle<br />

Untersuchung ist nun folgen<strong>de</strong>s: Neuformulierungen innerhalb einer solchen konzeptionellen<br />

Metapher wer<strong>de</strong>n nach Goatly (ebd.) und Lakoff und Johnson (ebd.) u.a. leichter verstan<strong>de</strong>n,<br />

was eine Voraussetzung für Be<strong>de</strong>utungsverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung ist. Bezieht man die konventionellen<br />

<strong>Metaphern</strong> in die Klassifikation <strong><strong>de</strong>r</strong> Konventionalität ein, bietet sich die Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Auflösung eines alten Disputs: nämlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage, ob beim Verstehen von <strong>Metaphern</strong> auf<br />

Seiten <strong>de</strong>s Rezipienten zuerst wörtliche Interpretationen stattfin<strong>de</strong>n und erst am En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Versuch einer Interpretation als Metapher steht (vgl. Hörmann 1976:186ff, 208ff, Kintsch<br />

2000, Honeck et al. 1998:257; Sperber und Wilson 1986). Tatsächlich wer<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Literatur<br />

oft <strong>Metaphern</strong> untersucht, die innerhalb einer existieren<strong>de</strong>n, konzeptionellen Metapher stehen.<br />

Womöglich ist es <strong><strong>de</strong>r</strong> dadurch gegebene Grad an Konventionalisierung, <strong><strong>de</strong>r</strong> eine „umweglose“<br />

und zutreffen<strong>de</strong> Interpretation als Metapher zulässt.<br />

Wichtig wird auch Weinrichs Feststellung, dass „isolierte“ <strong>Metaphern</strong>, die nicht in einem<br />

bereits existieren<strong>de</strong>n Bildfeld – wie er es nennt (wir re<strong>de</strong>n von konzeptionellen <strong>Metaphern</strong>) –<br />

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<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

stehen, es schwer haben, sich durchzusetzen (1976:286). Hier soll untersucht wer<strong>de</strong>n, ob sich<br />

das in einem geringeren „Effekt“ <strong><strong>de</strong>r</strong> metaphorischen Verwendungsweise nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlägt.<br />

<strong>Die</strong> vorliegen<strong>de</strong> Untersuchung dient zu<strong>de</strong>m <strong>de</strong>m Ziel, Erkenntnisse über die<br />

Be<strong>de</strong>utungsverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung und ihre Voraussetzungen in aktuellen Kontexten zu gewinnen. In<br />

verschie<strong>de</strong>nen Diskursdomänen sollen Grundprinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utungsverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Lexikalisierung untersucht wer<strong>de</strong>n. Lexikalisierung wird dabei unter <strong>de</strong>n Aspekten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Konventionalisierung und Be<strong>de</strong>utungsverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung betrachtet, wobei <strong>Metaphern</strong> eine wichtige<br />

Rolle spielen. Das lässt sich an <strong>de</strong>m populären Beispiel Maus bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Übertragung <strong>de</strong>s<br />

Wortes auf <strong>de</strong>n Computerbereich und seine Lexikalisierung als Computermaus zeigen.<br />

Obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Kontext für das Verständnis nie unwichtig wird, nimmt mit zunehmen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Konventionalisierung die Abhängigkeit <strong>de</strong>s Verständnisses vom aktuellen Kontext ab. <strong>Die</strong><br />

Abnahme dieser Abhängigkeit ist in scheinbar paradoxer Weise mit einer Zunahme <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

„festen“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> konventionellen Einbettung in neue Kontexte verbun<strong>de</strong>n (vgl. Zelinsky-Wibbelt<br />

2000:216). An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als zu Beginn <strong>de</strong>s Prozesses <strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung wür<strong>de</strong>n gegenwärtig<br />

sicherlich viele Hörer <strong>de</strong>n Satz Ich habe mir eine neue Maus gekauft augenblicklich ohne<br />

weiteren Kontext auf die Computermaus beziehen. Zu Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> Konventionalisierung<br />

dieser Be<strong>de</strong>utung von Maus jedoch war das sicherlich noch nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall. Be<strong>de</strong>utungen<br />

verän<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich permanent. Oft han<strong>de</strong>lt es sich um langwierige Prozesse, bei <strong>de</strong>nen <strong>Metaphern</strong><br />

eine wichtige Rolle spielen. <strong>Die</strong>s ist keine bloß nebensächliche Hilfsfunktion, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

<strong>Metaphern</strong> muss eine erkenntnissteuern<strong>de</strong> Funktion zugeschrieben wer<strong>de</strong>n (vgl. Lakoff /<br />

Johnson 1980; Zelinsky-Wibbelt 2000:216).<br />

Zum Zweck <strong><strong>de</strong>r</strong> anstehen<strong>de</strong>n Untersuchung wer<strong>de</strong>n die verwen<strong>de</strong>ten Bezeichnungen u.a. nach<br />

ihrer Konventionalität kategorisiert. <strong>Die</strong>se nimmt z.B. in Anlehnung an Goatly (1997:35) von<br />

aktiven (o<strong><strong>de</strong>r</strong> lebendigen) über inaktive bis hin zu toten <strong>Metaphern</strong> zu (vgl. auch Linzey<br />

1997). Hier wird jedoch nicht sein Konzept, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ein eigenes zugrun<strong>de</strong>gelegt (u.a., da<br />

Goatlys „tote <strong>Metaphern</strong>“ aus unserer Perspektive allzuviel umfassen).<br />

<strong>Die</strong>ser Arbeit liegt folgen<strong>de</strong> Kategorisierung zugrun<strong>de</strong>:<br />

1. vollständig lexikalisierte Bezeichnungen metaphorischen Ursprungs sind so<br />

weitgehend lexikalisiert, dass sie als Homonyme, min<strong>de</strong>stens aber als Polyseme gelten<br />

können. D.h., die Be<strong>de</strong>utung metaphorischen Ursprungs tritt bei kontextfreier Vorgabe<br />

annähernd gleichberechtigt neben die ursprüngliche Be<strong>de</strong>utung. Ihr Verständnis ist nur in <strong>de</strong>m<br />

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<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

Sinn kontextabhängig, in <strong>de</strong>m das für alle Polyseme gilt, d.h., <strong><strong>de</strong>r</strong> Kontext wird nur zur<br />

Disambiguierung bei verschie<strong>de</strong>nen konventionellen Be<strong>de</strong>utungspotentialen herangezogen.<br />

In diese Kategorie gehören auch Bezeichnungen, die sich von ihrem metaphorischen<br />

Ursprung formal fortentwickelt haben – wie etwa sich unterwerfen (im Vergleich zu sichunter-jeman<strong>de</strong>n/etwas-werfen).<br />

2. Konventionelle <strong>Metaphern</strong> haben zwar einen gewissen Konventionalisierungsgrad<br />

erreicht, jedoch tritt bei kontextfreier Vorgabe die metaphorische Be<strong>de</strong>utung noch nicht<br />

gleichberechtigt neben die ursprüngliche(n) Be<strong>de</strong>utung(en). Ihr Verständnis ist noch in<br />

stärkerem Maße kontextabhängig als das voll konventionalisierter Bezeichnungen. Beispiel:<br />

Maus als Computermaus. <strong>Die</strong>s ist sehr weitgehend lexikalisiert, trotz<strong>de</strong>m wird mit <strong>de</strong>m Wort<br />

Maus bei völlig kontextfreier Vorgabe trotz<strong>de</strong>m noch in erster Linie das Tier verbun<strong>de</strong>n.<br />

Ein Beispiel für hier verwen<strong>de</strong>te solche Bezeichnungen ist Schoßhund in „Parlament<br />

Schoßhund <strong>de</strong>s Premierministers?“.<br />

3. Lebendige bzw. unkonventionelle <strong>Metaphern</strong> sind nur in ihrem aktuellen Kontext<br />

verständlich. Sie sind nicht lexikalisiert, wer<strong>de</strong>n jedoch von einer eher konventionellen,<br />

konzeptuellen Metapher getragen, d.h., sie sind nicht beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s originell. Weinrichs (1976)<br />

„Bildfeld“ SEELE ALS LANDSCHAFT kann so die für die meisten Rezipienten neue, aber<br />

wenig originelle Metapher Garten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gefühle hervorbringen. Ein Beispiel für hier<br />

verwen<strong>de</strong>te solche Bezeichnungen ist Schmieröl (als Ersatz für Schoßhund) in „Parlament<br />

Schmieröl <strong>de</strong>s Premierministers?“<br />

4. Originelle <strong>Metaphern</strong> schließlich sind in keiner Weise lexikalisiert und nur in ihrem<br />

Kontext verständlich – zu<strong>de</strong>m aber wer<strong>de</strong>n sie nicht durch eine bereits existieren<strong>de</strong><br />

konzeptuelle Metapher getragen. Sie erscheinen dadurch origineller und unkonventioneller als<br />

<strong>Metaphern</strong> <strong>de</strong>s dritten Typs. Ein Beispiel ist Eiszapfen für die Finger einer Leiche (nach<br />

Goatly 1997). <strong>Die</strong>se Kategorie wird erst im zweiten Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Untersuchung<br />

einbezogen.<br />

Es wird eine Entwicklungslinie <strong><strong>de</strong>r</strong> Lexikalisierung und Konventionalisierung angenommen,<br />

die von Kategorie 4 o<strong><strong>de</strong>r</strong> 3 ausgehend über 2 zu Kategorie 1 führt (die man sich als<br />

„Abschnitte auf einem Kontinuum“ vorstellen kann). Für Fragen <strong><strong>de</strong>r</strong> Lexikalisierung ist dieser<br />

Weg letztlich entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> als die Frage, wo zwischen <strong>de</strong>n Kategorien genau die sicherlich<br />

fließen<strong>de</strong> Grenze zu ziehen ist.<br />

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<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

2. Vorgehensweise<br />

Versuchspersonen (Vpn.) wer<strong>de</strong>n Wörter / Bezeichnungen vorgelegt, die<br />

„Stimulusbezeichnungen“. <strong>Die</strong>se variieren u.a. nach <strong><strong>de</strong>r</strong> dargestellten Kategorisierung (im<br />

ersten Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Untersuchung nur nach 1 bis 3, s.u.).<br />

Zu<strong>de</strong>m erhalten die Vpn. „Differentiale“, d.h. Tabellen mit weiteren Bezeichnungen, hier<br />

„Testbezeichnungen“ (B) genannt, die zu <strong>de</strong>n Stimuluswörtern (A) in unterschiedlichem<br />

Bezug stehen. <strong>Die</strong> Vpn. sollen auf einer Skala ankreuzen, wie eng ihrer Ansicht nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bezug zwischen <strong>de</strong>n Testbezeichnungen und <strong>de</strong>m jeweiligen Stimuluswort ist. Es stehen<br />

dafür 6 Stufen zur Verfügung, die zwischen einer sehr engen gesehenen Beziehung und „A<br />

hat nichts zu tun mit B“ liegen. Eine Testbezeichnung für die Stimulusbezeichnung Teelicht<br />

ist z.B. Wachs. <strong>Die</strong> Vorgehensweise ist angelehnt an die I<strong>de</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> semantischen Differentiale<br />

(Osgood 1971). <strong>Die</strong>se haben in <strong><strong>de</strong>r</strong> empirischen psycholinguistischen Forschung eine lange<br />

Tradition und genießen hohes Ansehen (Hörmann 1976:92). An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als bei Osgood wer<strong>de</strong>n<br />

hier die Stimulusbezeichnungen nicht auf semantischen Grunddimensionen eingestuft,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in ihrer spezifischeren Relation zu Testbezeichnungen untersucht, zu <strong>de</strong>nen sie in<br />

bestimmten Kontexten eine enge, in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en eine weniger enge Beziehung aufweisen (je nach<br />

kontextbedingter Aktivierung).<br />

Gleich große Gruppen <strong><strong>de</strong>r</strong> Vpn. erhalten die Stimulusbezeichnung - z.B. Vulkanausbruch - je<br />

mit o<strong><strong>de</strong>r</strong> ohne vorher zu lesen<strong>de</strong>n Versuchtext, in <strong>de</strong>m diese vorkommt. <strong>Die</strong>ser Text, ab hier<br />

Kon-Text genannt, ist die Operationalisierung <strong>de</strong>s oben genannten „Kontext“.<br />

Eine Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Testbezeichnungen im Differential steht in engerer Beziehung zur<br />

versuchstextrelevanten Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Stimuluswortes. Vulkanausbruch wird z.B. im<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Versuchstext als Metapher für <strong>de</strong>n lei<strong>de</strong>nschaftlichen Beginn einer<br />

Liebesbeziehung verwen<strong>de</strong>t. Ein Auszug:<br />

—————————————————————————————————————<br />

Beziehungskiste: So bleibt die Liebe jung<br />

Der Zauber <strong><strong>de</strong>r</strong> Liebe: beginnt er mit einem Vulkanausbruch und mutiert zwangsläufig zu<br />

einem Teelicht? Es geht auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>s, sagt <strong><strong>de</strong>r</strong> renommierte Paarpsychologe Hans Jellouschek.<br />

Er verrät, wie sie ihre Beziehung dauerhaft jung halten. ...<br />

—————————————————————————————————————<br />

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<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

Eine <strong><strong>de</strong>r</strong> 5 versuchstextadäquaten Testbezeichnung ist etwa Lei<strong>de</strong>nschaft. <strong>Die</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Hälfte<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> jeweils 10 Testbezeichnungen steht nicht in enger Beziehung zu dieser<br />

versuchstextrelevanten Be<strong>de</strong>utung von Vulkanausbruch, allerdings in Beziehung zu<br />

Be<strong>de</strong>utungsaspekten <strong>de</strong>s Stimuluswortes, die im Versuchstext nicht relevant sind. Beispiele<br />

für solche Testbezeichnungen zu Vulkanausbruch sind im entsprechen<strong>de</strong>n Differential<br />

Ascheregen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Evakuierung:<br />

Tabelle 1: Das Differential zu Vulkanausbruch<br />

„Vulkanausbruch“ hat ...<br />

◦sehr viel ◦viel ◦etwas ◦wenig ◦sehr wenig ◦nichts zu tun mit Lavagestein<br />

◦sehr viel ◦viel ◦etwas ◦wenig ◦sehr wenig ◦nichts zu tun mit frischer Liebe*<br />

◦sehr viel ◦viel ◦etwas ◦wenig ◦sehr wenig ◦nichts zu tun mit Ascheregen<br />

◦sehr viel ◦viel ◦etwas ◦wenig ◦sehr wenig ◦nichts zu tun mit Anziehungskraft*<br />

◦sehr viel ◦viel ◦etwas ◦wenig ◦sehr wenig ◦nichts zu tun mit Lei<strong>de</strong>nschaft*<br />

◦sehr viel ◦viel ◦etwas ◦wenig ◦sehr wenig ◦nichts zu tun mit fruchtbarem Bo<strong>de</strong>n<br />

◦sehr viel ◦viel ◦etwas ◦wenig ◦sehr wenig ◦nichts zu tun mit Gefühlsexplosion*<br />

◦sehr viel ◦viel ◦etwas ◦wenig ◦sehr wenig ◦nichts zu tun mit Sexualität*<br />

◦sehr viel ◦viel ◦etwas ◦wenig ◦sehr wenig ◦nichts zu tun mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Er<strong>de</strong>ntstehung<br />

◦sehr viel ◦viel ◦etwas ◦wenig ◦sehr wenig ◦nichts zu tun mit Evakuierung<br />

<strong>Die</strong> versuchstextadäquaten Bezeichnungen sind hier (an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als im Fragebogen) zur<br />

Ver<strong>de</strong>utlichung mit einem Stern markiert.<br />

<strong>Die</strong> semantischen Beziehungen <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht-versuchstextadäquaten Bezeichnungen zur<br />

nichtmetaphorischen Be<strong>de</strong>utung von Vulkanausbruch lassen sich auf vielfältige Weise<br />

spezifizieren. Solche Spezifikationen sind nicht Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> experimentellen Variationen dieser<br />

Untersuchung, aber trotz<strong>de</strong>m aufschlußreich. Ein Beispiel zeigt die folgen<strong>de</strong> Abbildung:<br />

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<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

Abbildung 1: Typen semantischer Beziehung im Differential<br />

Er<strong>de</strong>ntstehung<br />

Vulkanausbruch<br />

Ascheregen Lavagestein fruchtbarer Bo<strong>de</strong>n Evakuierung<br />

Teil – Ganzes – Beziehungen (Meronymie) sind mit durchgezogenen Linien markiert,<br />

Kausalitätsbeziehungen („ist-Folge-von“) mit gestrichelten Linien. dass schon diese bei<strong>de</strong>n<br />

Typen schwer voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> abzugrenzen sind, zeigt das Beispiel Lavagestein. Entschei<strong>de</strong>nd ist<br />

hier, dass sich ein solches Schema für die Bezeichnungen, die zur metaphorischen Be<strong>de</strong>utung<br />

von Vulkanausbruch in Beziehung stehen, faktisch nicht erstellen lässt: das ist ein mögliches<br />

Korrelat <strong><strong>de</strong>r</strong> Vagheit v.a. unkonventioneller <strong>Metaphern</strong>.<br />

Zurück zur Versuchsplanung:<br />

In Abhängigkeit davon, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuchstext, in <strong>de</strong>m die Stimulusbezeichnung in<br />

metaphorischer Be<strong>de</strong>utung verwen<strong>de</strong>t wird, vorher vorlag o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht, wer<strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong><br />

erwartet bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Enge <strong><strong>de</strong>r</strong> gesehenen Beziehungen zwischen <strong>de</strong>n<br />

Stimulusbezeichnungen und (A) <strong>de</strong>n kontextadäquaten Testbezeichnungen und (B) <strong>de</strong>n nichtkontextadäquaten<br />

Testbezeichnungen.<br />

Alle Variationen wer<strong>de</strong>n in die gleichen, ansonsten möglichst unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Versuchstexte<br />

eingebracht. Wichtig sind nun die Variationen <strong><strong>de</strong>r</strong> Stimulusbezeichnungen, die die folgen<strong>de</strong><br />

Tabelle auflistet und die darunter erläutert wer<strong>de</strong>n. Text A thematisiert Konflikte zwischen<br />

<strong>de</strong>m britischen Premierminister Blair und Teilen <strong>de</strong>s Parlaments, Text B Liebesbeziehungen<br />

(Quellenangabe siehe En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Artikels). Aufgelistet wer<strong>de</strong>n nur die Überschriften – bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Texte wur<strong>de</strong>n nur Wendungen im laufen<strong>de</strong>n Text variiert, mehr dazu unten:<br />

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<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

Tabelle 2: Textvariationen<br />

Substantiv<br />

Verb<br />

Adj/<br />

Adv<br />

Text A<br />

Text B<br />

Text A<br />

Text B<br />

voll lexikalisiert<br />

Parlamentarier Untergebene <strong>de</strong>s<br />

Premierministers?<br />

Konventionell-metaphor. Unkonvent.-metaphorisch<br />

Parlament Schoßhund <strong>de</strong>s<br />

Premierministers?<br />

Erst die große Lei<strong>de</strong>nschaft und Erst Vulkanausbruch und<br />

dann nur noch bloße Gewohnheit? dann Teelicht?<br />

Unterwirft sich das Parlament<br />

<strong>de</strong>m Premierminister?<br />

Erst nacheinan<strong><strong>de</strong>r</strong> verzehren,<br />

dann aneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> gewöhnen?<br />

Text A Unterwürfiges Parlament?<br />

Text B<br />

Parlament Schmieröl<br />

<strong>de</strong>s Premierministers?<br />

Erst Lasershow, dann<br />

Standby-Lämpchen?<br />

Hechelt das Parlament <strong>de</strong>m Ölt das Parlament <strong>de</strong>m<br />

Premierminister hinterher? Premierminister <strong>de</strong>m Weg?<br />

Erst überfließen, dann<br />

versan<strong>de</strong>n?<br />

„Hündisches“ Parlament?<br />

Erst lei<strong>de</strong>nschaftlich und dann nur Erst überfließend, dann<br />

noch aneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> gewöhnt sein? versan<strong>de</strong>nd?<br />

Erst laserhell aufleuchten,<br />

dann still ausglimmen?<br />

Verhält sich das Parlament<br />

<strong>de</strong>m Premierminister<br />

gegenüber ölig?<br />

Erst laserhell aufleuchten<strong>de</strong>,<br />

dann still ausglimmen<strong>de</strong><br />

Gefühle?<br />

Zu <strong>de</strong>n Variationen <strong><strong>de</strong>r</strong> Stimulusbezeichnungen:<br />

1. Sie wer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> oben dargelegten Kategorisierung gemäß nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Konventionalität<br />

unterschie<strong>de</strong>n. Im ersten Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Untersuchung, auf <strong>de</strong>n sich die Tabelle bezieht, wer<strong>de</strong>n nur<br />

die ersten drei Kategorien einbezogen, im zweiten Teil tritt die vierte hinzu.<br />

Konventionalität geht also als Eingangsgröße ein, gleichzeitig sollen jedoch Einblicke in<br />

Konventionalisierungsprozesse erzielt wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Sie wer<strong>de</strong>n nach drei grammatischen Kategorien unterschie<strong>de</strong>n: 1. Substantive, 2.<br />

Verben, 3. Adjektive / Adverben.<br />

Hintergrund ist u.a. die Annahme, dass Substantive für eine metaphorische Übertragung am<br />

geeignetsten sind (Goatly 1997:83). Croft (1993) etwa ist sogar <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung, dass Nomen<br />

ten<strong>de</strong>nziell eher Teil von Übertragungen metonymischer Art seien und Verben, Adjektive und<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>e eher Teil von Übertragungen metaphorischer Art. Einig sind sich verschie<strong>de</strong>ne<br />

Autoren darin, dass die Autonomie <strong><strong>de</strong>r</strong> sprachlichen Einheiten eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle<br />

spielt. Substantive gelten als semantisch autonomer. <strong>Die</strong>s wird mit Piagets Objektpermanenz<br />

erklärt, <strong><strong>de</strong>r</strong> kindlichen Errungenschaft, bevorzugt mit Substantiven benannte Objekte kognitiv<br />

unabhängig von ihrer fortdauern<strong>de</strong>n Präsenz zu repräsentieren (Piaget 1969). Verben etwa<br />

begegnen uns mit semantischen „Leerstellen“, sie for<strong><strong>de</strong>r</strong>n Argumente (man spricht auch von<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> „Valenz“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Verben) – die sich beim Verb essen etwa mit <strong>de</strong>n Fragen „wer isst was“<br />

70


<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

ver<strong>de</strong>utlichen lassen. Sie gelten daher als semantisch weniger autonom als Nomen. Allerdings<br />

sind die Unterschie<strong>de</strong> subtil, u.a. da die Formen ineinan<strong><strong>de</strong>r</strong> überführbar sind. Beim Vergleich<br />

von z.B. essen und das Essen sollte weniger von höherem semantischen Eigengewicht und<br />

eher von einer Abstraktion die Re<strong>de</strong> sein: konkrete „Rollen“, die im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m<br />

Verb zu vergeben sind, treten in <strong>de</strong>n Hintergrund.<br />

Wichtig ist hier auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Hinweis, dass auch Nomen aufgrund ihrer Polysemie <strong>de</strong>n<br />

disambiguieren <strong>de</strong>n Kontext benötigen.<br />

<strong>Die</strong> Korrespon<strong>de</strong>nz <strong><strong>de</strong>r</strong> semantischen Autonomie mit <strong><strong>de</strong>r</strong> grammatischen Kategorie ist eine<br />

Ten<strong>de</strong>nz, kein zwingen<strong>de</strong>s Merkmal <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Kategorie.<br />

Semantische Autonomie als relevante Größe an sich zu untersuchen, lässt sich mit<br />

wesentlichen Zielen <strong><strong>de</strong>r</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Untersuchung lei<strong><strong>de</strong>r</strong> kaum vereinbaren: hier sollen<br />

Bezeichnungen variiert wer<strong>de</strong>n, möglichst ohne dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Kontext verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t wird. Es ist kaum<br />

möglich, dabei gleichzeitig die semantische Autonomie <strong><strong>de</strong>r</strong> fraglichen Bezeichnungen stark<br />

zu variieren, da man in die gleichen Kontexte keine gleichermaßen metaphorisch verwen<strong>de</strong>ten<br />

Bezeichnungen mit unterschiedlicher semantischer Autonomie einsetzen kann. In <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

vorliegen<strong>de</strong>n Untersuchung ist letztere daher im Gegenteil über grammatische Kategorien<br />

hinweg fast parallelisiert. Trotz<strong>de</strong>m versprechen wir uns Erkenntnisse auch für das<br />

Spannungsfeld zwischen grammatischer Kategorie und semantischer Autonomie: wenn<br />

erstere „allein“, ohne Variation <strong><strong>de</strong>r</strong> letzteren, keinen Effekt auf die Ergebnisse dieser<br />

Untersuchung hat, können bei zukünftigen Untersuchungen beispielsweise semantische<br />

Autonomie und grammatische Kategorie verstärkt als trotz dieser Kovarianz voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

unterscheidbare Einflussgröße konzipiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Im Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong> Bedingungen ohne (bzw. vor, s.u.) und mit (bzw. nach) Lesen <strong>de</strong>s<br />

Versuchstextes wer<strong>de</strong>n bei allen genannten Kategorien signifikante Unterschie<strong>de</strong> bezüglich<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Enge <strong><strong>de</strong>r</strong> gesehenen Beziehungen zwischen Stimulus- und Testbezeichnungen erwartet,<br />

allerdings in unterschiedlichem Ausmaß.<br />

Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> konventionellen <strong>Metaphern</strong> ist eine Be<strong>de</strong>utungsverschiebung durch die<br />

Aktivierung / Rekonstruktion <strong><strong>de</strong>r</strong> konventionell angelegten Inhalte erklärbar, die im aktuellen<br />

„metaphorischen“ Kontext relevant sind (zumin<strong>de</strong>st auf Bewusstseinsebene und als Ergebnis<br />

eines Integrationsprozesses, vgl. Kintsch 1998). D.h., hier kann man mit einem<br />

„Ökonomieprinzip“ argumentieren (vgl. z.B. die Relevanzprinzipien von Sperber und Wilson<br />

1995). Wir gehen davon aus, dass die Summe solcher „Aktivierungserfahrungen“ auf die<br />

71


<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

Lexikalisierung Einfluss nimmt und stellen zu<strong>de</strong>m die Frage, inwieweit die aktivierten<br />

Bestän<strong>de</strong> als konventionelle Bestän<strong>de</strong> verfestigt und verfügbar sein müssen.<br />

Wir erwarten, dass bei kontextfreier Vorgabe beispielsweise <strong>de</strong>s Stimuluswortes Schoßhund<br />

im Verhältnis die Verbindungen zum „wörtlichen“ Verständnis stärker gewichtet wer<strong>de</strong>n<br />

(erfassbar etwa über die Verbindung zu <strong>de</strong>n Testwörtern Haustier und Vierbeiner) als mit<br />

Vorgabe <strong>de</strong>s Kontextes / Versuchstextes, in <strong>de</strong>m das Wort in konventionell-metaphorischer<br />

Weise verwen<strong>de</strong>t wird. Umgekehrt soll bei Vorgabe dieses Textes die Verbindung zu<br />

Testbezeichnungen höher gewichtet wer<strong>de</strong>n, die die metaphorische Verwendungsweise <strong>de</strong>s<br />

Stimuluswortes kontextadäquat wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegeln (wie etwa Harmlosigkeit).<br />

Das gleiche gilt für die in dieser Untersuchung zum Zweck <strong>de</strong>s Vergleichs in voll<br />

lexikalisierten Be<strong>de</strong>utung verwen<strong>de</strong>ten Bezeichnungen, also die „Nicht-<strong>Metaphern</strong>“: auch<br />

hier untersuchen wir die Relationen zu Testbezeichnungen. <strong>Die</strong>se weisen zwar alle eine<br />

Beziehung zu konventionellen Verwendungsweisen <strong><strong>de</strong>r</strong> Stimulusbezeichnungen auf, jedoch<br />

zur Hälfte eine Beziehung auch zu <strong>de</strong>n vorgelegten Kon-Texten / Versuchstexten und zur<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Hälfte nicht. So ist eine <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht-kontextadäquaten Testbezeichnungen für das via<br />

Kon-Text auf einen politischen Sachverhalt bezogene sich unterwerfen beispielsweise<br />

Sektenzugehörigkeit. Es wird ebenfalls die Schwächung einer solchen und die Stärkung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>jenigen Beziehungen erwartet, die zum vorgelegten Kon-Text passen.<br />

Bei <strong>de</strong>n unkonventionellen <strong>Metaphern</strong> wer<strong>de</strong>n Beziehungen zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Testbezeichnungen<br />

erfragt, die konventionell nicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> zumin<strong>de</strong>st in weit geringerem Maß angelegt sind - wie<br />

etwa beim Stimuluswort Lasershow und beim zugehörigen Testwort Gefühlsausbruch (diese<br />

Beziehung wird jedoch durch die unkonventionell-metaphorische Verwendungsweise im<br />

Versuchstext nahegelegt). Bei Zutreffen oben wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gegebener Thesen (Stichwort „isolierte<br />

<strong>Metaphern</strong>“) sollte <strong><strong>de</strong>r</strong> Effekt <strong>de</strong>s Kon-Texts hier zumin<strong>de</strong>st signifikant geringer ausfallen als<br />

bei <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Stimulus-Kategorien, v.a. als bei <strong>de</strong>n konventionell <strong>Metaphern</strong>.<br />

Sollte sich die Hypothese nicht bewahrheiten, dass auf <strong><strong>de</strong>r</strong> konventionell-metaphorischen<br />

Ebene die Be<strong>de</strong>utungsverschiebung am stärksten ausfällt, wäre dies ein Hinweis darauf, dass<br />

die aktuelle Neu- bzw. Rekonstruktion von Be<strong>de</strong>utungen nicht in dominanter Weise durch<br />

Konventionen vorgebahnt ist (Seiler 1994; Deppert 2001b:34ff). Zu<strong>de</strong>m wäre es ein Hinweis<br />

darauf, dass sich das Verstehen von <strong>Metaphern</strong> in wesentlichen Aspekten nicht vom<br />

Verstehen „wörtlicher“ Verwendungsweisen unterschei<strong>de</strong>t (Kintsch 1998; 2000). Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />

interessant ist dies im Hinblick auf die nicht-konventionellen <strong>Metaphern</strong>: erstens wer<strong>de</strong>n in<br />

72


<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> psycholinguistischen / kognitionspsychologischen Literatur (s. ebd.) in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel eher<br />

konventionelle <strong>Metaphern</strong> untersucht – mit potentieller Relevanz für die sich daraus<br />

ergeben<strong>de</strong>n Schlüsse. Zweitens sollten beim Verständnis von nicht-konventionellen<br />

<strong>Metaphern</strong> akkommodative Prozesse gegenüber assimilativen Prozessen (Piaget 1976, vgl.<br />

Goatly 1997:28f) beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong>de</strong>n Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund treten.<br />

Es wird also für je<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> drei im ersten empirischen Experiment untersuchten Kategorien <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Stimulusbezeichnungen bei Vorgabe <strong>de</strong>s jeweiligen Versuchstextes eine statistisch<br />

signifikante Verschiebung hin zu einer als enger beurteilten Beziehung zwischen<br />

Stimulusbezeichnungen und versuchstextadäquaten Testbezeichnungen erwartet. Am<br />

stärksten soll diese jedoch bei <strong>de</strong>n konventionell-metaphorischen Stimulusbezeichnungen<br />

auftreten (und bei Substantiven).<br />

3. Erste empirische Untersuchung<br />

3.1. Textmaterial, Versuchsschema<br />

<strong>Die</strong> Quelle aller Versuchstexte ist das Internet (siehe Quellenangabe am Artikelen<strong>de</strong>). Sie<br />

sind mit folgen<strong>de</strong>n Ausnahmen unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t: 1. <strong>Die</strong> interessieren<strong>de</strong>n Bezeichnungen wer<strong>de</strong>n<br />

variiert (s.o.). Der Kontext dieser Bezeichnungen (<strong><strong>de</strong>r</strong> übrige Text) wird bei dieser Variation<br />

nicht verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t. 2. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Texte wur<strong>de</strong>n die variierten Bezeichnungen in<br />

verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te Überschriften einbezogen, um diese Bezeichnungen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s hervorzuheben, bei<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Texte nicht (so wird die zusätzliche Variable „Überschrift“ generiert).<br />

Es soll untersucht wer<strong>de</strong>n, ob dies Einfluss auf die Ergebnisse hat.<br />

<strong>Die</strong> Texte wur<strong>de</strong>n zu<strong>de</strong>m gekürzt. Der aus einer Frauenzeitschrift stammen<strong>de</strong> Versuchstext<br />

wur<strong>de</strong> u.a. so umformuliert, dass die darin enthaltenen Ratschläge „geschlechtsneutraler“<br />

rezipierbar wur<strong>de</strong>n („Machen sie sich und ihrem Liebsten bewusst...“ wur<strong>de</strong> so zu „Machen<br />

sie sich und ihrem Partner bewusst...“).<br />

Mit <strong>de</strong>m in Tabelle 2 wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gegebenen Schema wur<strong>de</strong>n die Variationen für <strong>de</strong>n ersten Teil<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Untersuchung weitgehend ver<strong>de</strong>utlicht. Es wur<strong>de</strong>n dabei nur die variierten Überschriften<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Texte wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gegeben. Es existiert für je<strong>de</strong> angegebene Variante also noch eine weitere,<br />

bei <strong><strong>de</strong>r</strong> die variierten Bezeichnungen nicht auch Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Überschrift sind, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur Teil<br />

<strong>de</strong>s Textes (es existieren insgesamt 36 Varianten).<br />

73


<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

U.a. <strong><strong>de</strong>r</strong> Wechsel <strong><strong>de</strong>r</strong> grammatischen Kategorie machte auch semantische Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />

unumgänglich. Es wur<strong>de</strong> für je<strong>de</strong> einzelne Bezeichnung ein spezifisches Differential<br />

entwickelt (für hecheln also beispielsweise ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es als für hündisch). <strong>Die</strong> relevante Größe<br />

ist letztlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterschied, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich auf diesen gleichen Differentialen zeigt – vor und nach<br />

Lesen <strong>de</strong>s Kon-Textes. Da das zweimalige Ausfüllen <strong>de</strong>s selben Differentials problematisch<br />

erschien, wur<strong>de</strong> folgen<strong>de</strong>s Design gewählt: Vpn., die <strong>de</strong>n Kon-Text mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Überschrift „Erst<br />

überfließend, dann versan<strong>de</strong>nd?“ lasen, erhielten beispielsweise zuvor das Differential zu<br />

hündisch, also das zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Text <strong><strong>de</strong>r</strong> ansonsten gleichen Versuchsbedingung gehörige (s.<br />

Tabelle 2). Anschließend und nach Lesen <strong>de</strong>s Textes erst erhielten sie die zu je einem Wert<br />

verrechneten zwei Differentiale zu überfließend und versan<strong>de</strong>nd (bei Text B wur<strong>de</strong>n zwei<br />

Differentialen erstellt, aus <strong>de</strong>nen je ein Durchschnittswert errechnet wird). Das Muster ist<br />

also: 1. Differential(e) zu Text A – 2. Text B – 3. Differential(e) zu Text B – bzw. umgekehrt:<br />

1. Differential(e) B – 2. Text A – 3. Differential(e) A).<br />

<strong>Die</strong> Vpn. setzten sich zu einem großen Teil aus Anglistik- und Germanistik-Stu<strong>de</strong>nten<br />

zusammen - dieser Gruppe gehören 44 Vpn. an. 28 <strong><strong>de</strong>r</strong> insgesamt 72 angeworbenen Vpn.<br />

stan<strong>de</strong>n beruflich o<strong><strong>de</strong>r</strong> bezüglich ihres Studienfachs in keiner engen Beziehung zu<br />

sprachwissenschaftlichen Fragestellungen. Getestet wur<strong>de</strong> in Anwesenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuchsleiter<br />

in Gruppen <strong><strong>de</strong>r</strong> Größe 2 bis 18.<br />

3.2. Hypothesen<br />

Zunächst die Hypothesen zur Skala <strong><strong>de</strong>r</strong> kontextadäquaten Testbezeichnungen – im folgen<strong>de</strong>n<br />

auch Skala A genannt:<br />

A 1. Bei allen Bezeichnungen wird nach Lesen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kon-Texte eine engere Beziehung<br />

zwischen <strong>de</strong>n Stimulusbezeichnungen und <strong>de</strong>n kontextadäquaten Testbezeichnungen gesehen<br />

(es wird ein signifikanter Haupteffekt <strong><strong>de</strong>r</strong> Variable „Kon-Text“ erwartet).<br />

A 2. <strong>Die</strong>ser Effekt ist bei <strong>de</strong>n konventionellen <strong>Metaphern</strong> am stärksten (signifikante<br />

Interaktion von „Kon-Text“ und „Konventionalität“).<br />

A 3. Zu<strong>de</strong>m ist dieser Effekt <strong>de</strong>s Kon-Texts bei <strong>de</strong>n Substantiven am stärksten (signifikante<br />

Interaktion <strong><strong>de</strong>r</strong> Variablen „Kon-Text“ und „grammatische Kategorie“).<br />

Skala B <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht- kontextadäquaten Testbezeichnungen hat vor allem eine Kontrollfunktion.<br />

Wür<strong>de</strong> z.B. nach Lesen <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuchstexte ein engerer Zusammenhang zwischen allen<br />

74


<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

Testbezeichnungen (gleich ob versuchstextadäquat o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht) und <strong>de</strong>n<br />

Stimulusbezeichnungen gesehen, wären die oben formulierten Hypothesen hinfällig, selbst<br />

wenn sie sich bei separater Betrachtung für Skala A signifikant bestätigen. Wichtig ist daher<br />

v.a. Hypothese B 1:<br />

B 1. Nach Lesen <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuchstexte wird kein größerer Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>n<br />

Stimulusbezeichnungen und <strong>de</strong>n Testbezeichnungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Skala B gesehen. Eine schärfere<br />

Variante ist sogar:<br />

B 2. Nach Lesen <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuchstexte wird eine schwächere Beziehungen gesehen zwischen<br />

diesen bei<strong>de</strong>n Größen.<br />

3.3. Unabhängige und abhängige Variablen, Auswertungsmetho<strong>de</strong>n<br />

<strong>Die</strong> wichtigsten unabhängige Variablen sind: 1. Kon-Text, 2. Konventionalität <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong>,<br />

3. Grammatische Kategorie. Zu <strong>de</strong>n unabhängigen Variablen gehören die „Kontrollvariablen“<br />

(sie wer<strong>de</strong>n in die Ergebnisdarstellung nur einbezogen, wenn sie bei versuchsweisem<br />

Einbezug einen signifikanten Effekt haben). <strong>Die</strong>se sind:<br />

- Überschrift (sind die interessieren<strong>de</strong>n Bezeichnungen Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Überschrift o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht?). Hier<br />

ist die Hypothese, dass eine hervorstechen<strong>de</strong> Position vorhan<strong>de</strong>ne Effekte verstärkt.<br />

- Geschlecht, Alter und Studienfach <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmer – codiert nach (1)<br />

sprachwissenschaftlichen Fragestellungen nahe o<strong><strong>de</strong>r</strong> (2) nicht.<br />

- Zutreffen<strong>de</strong> Annahmen über <strong>de</strong>n Zweck <strong><strong>de</strong>r</strong> Untersuchung (hierzu fin<strong>de</strong>t sich eine offene<br />

Frage am En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Fragebogens).<br />

<strong>Die</strong> Antworten auf Skala A wer<strong>de</strong>n in Zahlen gefasst (dabei steht 6 für „steht in sehr enger<br />

Beziehung zu...“ und 1 für „hat nichts zu tun mit...“) und zu einem Durchschnittswert<br />

verrechnet. Sie variieren also zwischen <strong>de</strong>n Werten 1 und 6. Bei <strong>de</strong>n je zwei Differentialen,<br />

die zum Text über Liebesbeziehungen gehören, wird ebenfalls ein Durchschnittswert mit <strong>de</strong>n<br />

gleichen Grenzwerten errechnet. Das Vorgehen bei Skala B entspricht <strong>de</strong>mjenigen bei Skala<br />

A.<br />

75


<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

3.4. Ergebnisse<br />

Es sollen zunächst die Ergebnisse bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Skala A <strong><strong>de</strong>r</strong> kontextadäquaten<br />

Testbezeichnungen betrachtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Hoch signifikant ist <strong><strong>de</strong>r</strong> (Innersubjekt-) Effekt <strong>de</strong>s Kon-Textes mit F (1, 60) = 15,30, p


<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

Diagramm 1: Effekte <strong><strong>de</strong>r</strong> Konventionalität und <strong>de</strong>s Kon-Textes bei Skala A (1.<br />

Experiment)<br />

<strong>Die</strong> die Werte symbolisieren<strong>de</strong>n Balken stehen in Zweiergruppen zusammen, die je eine <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

drei <strong>Metaphern</strong>kategorien <strong><strong>de</strong>r</strong> Konventionalitäts-Variable symbolisieren. Das monotone<br />

„Sinken“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Höhe über die drei Zweiergruppen hinweg ver<strong>de</strong>utlicht die insgesamt<br />

zunehmend geringere Beziehung, die von <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten über die zweite bis hin zur dritten<br />

Kategorie zwischen Stimulusbezeichnung und kontextadäquaten Testbezeichnungen gesehen<br />

wird. Das hat keine nachteilige Wirkung auf <strong>de</strong>n Effekt <strong>de</strong>s Kon-Textes, d.h. auf die durch<br />

diesen indizierte Be<strong>de</strong>utungsverschiebung. Das zeigt <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergleich <strong>de</strong>s jeweils einen zu einer<br />

bestimmten Zweiergruppe gehören<strong>de</strong>n „Balken“ mit <strong>de</strong>m jeweils an<strong><strong>de</strong>r</strong>en, zur selben<br />

Zweiergruppe gehörigen. Der Unterschied, <strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Kon-Text macht, ist auf <strong>de</strong>n drei Stufen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Konventionalitäts-Variable von so ähnlichem Betrag, dass keine Interaktion auftritt<br />

zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Variablen – ihre Effekte sind voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> unabhängig. Hypothese A 2<br />

wird verworfen.<br />

Für Be<strong>de</strong>utungsverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen ist das Ausmaß <strong><strong>de</strong>r</strong> vorher bereits bestehen<strong>de</strong>n Assoziationen<br />

offenbar nicht entschei<strong>de</strong>nd. Vermutlich gilt dies in einem Rahmen, in <strong>de</strong>m die Plazierung<br />

einer Bezeichnung in einen neuen Kontext noch „gera<strong>de</strong> so“ akzeptiert und verstan<strong>de</strong>n wird.<br />

Letzteres ist und bleibt Bedingung für eine Be<strong>de</strong>utungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, das Ausmaß <strong><strong>de</strong>r</strong> zuvor<br />

bestehen<strong>de</strong>n Konventionen offenbar nicht. Für ein Fortschreiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Konventionalisierung ist<br />

eine bis zu einem gewissen Grad bereits vorhan<strong>de</strong>ne Konventionalität keine Bedingung.<br />

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<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

<strong>Die</strong> Variable „Überschrift“ hat keinen signifikanten Effekt (obwohl sie <strong>de</strong>n Effekt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

letztgenannten Variablen leicht verstärkt).<br />

Hoch signifikant wird wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um eine Interaktion zwischen <strong>de</strong>m Kon-Text und <strong><strong>de</strong>r</strong> Variable<br />

„Text“ (Text über Blair / Text über Liebesbeziehungen), F (1, 60) = 8,61, p =.005 (zweiseitig<br />

überprüft). Das auf zwei unterschiedlichen Texten beruhen<strong>de</strong> Versuchsmaterial erweist sich<br />

als unterschiedlich sensitiv für das Aufspüren <strong>de</strong>s Kon-Text-Effektes. Da dieser <strong>de</strong>nnoch als<br />

Haupteffekt hoch signifikant ist, steht jedoch im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund, dass sich bei bei<strong>de</strong>n Texten<br />

grundsätzlich <strong><strong>de</strong>r</strong> gleiche Effekt zeigt.<br />

<strong>Die</strong> grammatische Kategorie hat keinen Effekt (bei bei<strong>de</strong>n Skalen). Hypothese A 3 wird<br />

verworfen. <strong>Die</strong> untersuchten grammatischen Kategorien scheinen grundsätzlich genügend<br />

Flexibilität für Be<strong>de</strong>utungsverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung bereitzustellen. Dennoch verbin<strong>de</strong>n sich mit <strong>de</strong>m von<br />

Goatly (1997) angestoßenen Komplex interessante Fragen, die weitere Überprüfung wert sind<br />

(s.u.). Es konnte z.B. keine Aussage darüber gemacht wer<strong>de</strong>n, welche grammatischen<br />

Kategorien in natürlicher Sprache bevorzugt für Metaphorisierungen ausgewählt wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> Vpn. waren im Fragebogen gebeten wor<strong>de</strong>n, ihre Vorstellung über <strong>de</strong>n Zweck <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Untersuchung zu äußern, wenn sie eine solche Vorstellung hatten. <strong>Die</strong>s diente als<br />

Kontrollvariable: antworten die Vpn. an<strong><strong>de</strong>r</strong>s, wenn sie <strong>de</strong>n Zweck <strong><strong>de</strong>r</strong> Untersuchung<br />

„durchschauen“? Es zeigt sich, dass <strong>de</strong>m nicht so ist. <strong>Die</strong> entsprechen<strong>de</strong> Variable hat bei<br />

versuchsweisem Einbezug in die Auswertung keinen Effekt. <strong>Die</strong> Mehrzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Vpn. äußerte<br />

keine Vorstellung über <strong>de</strong>n Zweck <strong><strong>de</strong>r</strong> Untersuchung. Bei <strong>de</strong>n Vpn., die sich äußerten, lag ein<br />

Teil falsch, wie z.B. die Vpn., die vermutete:“evtl. Gefühlswelten analysieren?“. Vor allem<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehungs-Text erwies sich als gelungener „Ablenker“ bezüglich <strong>de</strong>s Zwecks <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Untersuchung und führte zu falschen Vermutungen. Sehr nahe am tatsächlichen Zweck <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Untersuchung lagen nur wenige Vpn. mit Aussagen wie „1 Seite nur Gewöhnung, 2. Seite<br />

Text, 3. Seite prüfen, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> Text die eigene Be<strong>de</strong>utungstönung <strong><strong>de</strong>r</strong> Worte verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t /<br />

beeinflusst“.<br />

Auch die Fachzugehörigkeit (codiert in zwei Gruppen: 1. Anglistik / Germanistik, 2. an<strong><strong>de</strong>r</strong>e)<br />

hat bei versuchsweisem Einbezug in die Auswertung keinen feststellbaren Einfluß auf die<br />

Ergebnisse, ebenso wenig Alter und Geschlecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Vpn. (all dies gilt auch für Skala B).<br />

Soweit zu <strong>de</strong>n Ergebnissen bezüglich Skala A.<br />

Nun zu Skala B <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht–kontextadäquaten Testbezeichnungen (relevant wird Diagramm<br />

2). Hier zeigt sich kein Anstieg <strong><strong>de</strong>r</strong> gesehenen Zusammenhänge zwischen<br />

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<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

Stimulusbezeichnungen und nicht-kontextadäquaten Testbezeichnungen nach Lesen <strong>de</strong>s Kon-<br />

Textes. Hypothese B 1 kann damit angenommen wer<strong>de</strong>n – es gibt keine Ten<strong>de</strong>nz in<br />

Richtung einer Zunahme <strong>de</strong>s gesehenen Zusammenhangs durch <strong>de</strong>n Kon-Text.<br />

Signifikant ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Effekt <strong><strong>de</strong>r</strong> Konventionalitäts-Variable, F (2, 60) = 4,92, p =.01 (zweiseitig<br />

überprüft). Es han<strong>de</strong>lt sich hier keinesfalls um eine Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holung <strong>de</strong>s oben dargelegten<br />

Ergebnisses bei Skala A: bei <strong>de</strong>n nicht-kontextadäquaten Testbezeichnungen liegen die<br />

Verhältnisse genau umgekehrt. Bei unkonventionell-metaphorischer Verwendungsweise wird<br />

ein geringfügig höherer Zusammenhang zwischen nicht – kontextadäquaten<br />

Testbezeichnungen und <strong>de</strong>n Stimulusbezeichnungen gesehen (Mittelwert 3,19) als bei<br />

konventionell-metaphorischer Verwendungsweise (2,67). Bei letzterer wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um wird ein<br />

höherer Zusammenhang gesehen als bei voll lexikalisierter Verwendungsweise (2,57). <strong>Die</strong>s<br />

kann als Hinweis auf die ökonomisch bedingte Begrenztheit <strong><strong>de</strong>r</strong> aktuellen Aktivierung von<br />

Be<strong>de</strong>utungsgehalten interpretiert wer<strong>de</strong>n: wer<strong>de</strong>n die kontextadäquaten Be<strong>de</strong>utungsinhalte<br />

aktiviert, so wirkt sich das offenbar ten<strong>de</strong>nziell negativ auf die Aktivierung von nichtkontextadäquaten<br />

Be<strong>de</strong>utungsinhalten aus (und die kontextadäquaten Be<strong>de</strong>utungsinhalte<br />

wer<strong>de</strong>n ja offenbar bei <strong>de</strong>n „wörtlichen“ Stimulusbezeichnungen am stärksten aktiviert, s.o.).<br />

Das bedingt die Gegenläufigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ergebnisse bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> kontextadäquaten und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

nicht-kontextadäquaten Testbezeichnungen. Folgen<strong>de</strong>s Diagramm zeigt die Effekte <strong><strong>de</strong>r</strong> Kon-<br />

Texte und <strong><strong>de</strong>r</strong> Konventionalität.<br />

Diagramm 2: Konventionalität und Kon-Text bei Skala B (1. Experiment)<br />

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<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

Tatsächlich <strong>de</strong>utet sich die genannte Gegenläufigkeit zu Skala A auch ansatzweise in einem<br />

sichtbaren, jedoch nicht signifikanten Effekt <strong>de</strong>s Kon-Textes an, <strong><strong>de</strong>r</strong> ebenfalls <strong>de</strong>m Effekt bei<br />

<strong>de</strong>n kontextadäquaten Testbezeichnungen entgegengesetzt ist – obwohl sich in <strong>de</strong>n Daten<br />

ebenfalls an<strong>de</strong>utet, dass dies vor allem für die konventionell-metaphorischen und mit<br />

schwacher Ten<strong>de</strong>nz auch für die unkonventionell-metaphorischen Verwendungsweisen gilt,<br />

nicht aber für die in voll lexikalisierter Be<strong>de</strong>utung verwen<strong>de</strong>ten Bezeichnungen.<br />

3.5. Überprüfung einer alternativen Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ergebnisse<br />

Es wur<strong>de</strong> eine weitere Teil-Untersuchung durchgeführt, um folgen<strong>de</strong> Alternativ-Erklärung für<br />

die Ergebnisse möglichst auszuschließen: die Möglichkeit nämlich, dass es nicht die<br />

Platzierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stimulusbezeichnungen in einem Kon-Text ist, die die Relation zu<br />

kontextadäquaten Testbezeichnungen stärkt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Kon-Text bereits für sich alleine.<br />

Gefragt war ja nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Relation zwischen Stimulusbezeichnung und Testbezeichnungen,<br />

nicht nach <strong><strong>de</strong>r</strong> zwischen Kon-Text und letzterem.<br />

18 weitere Vpn. erhielten je eine von 18 verschie<strong>de</strong>nen Varianten <strong>de</strong>s Fragebogens.<br />

Eingeschlossen wur<strong>de</strong>n alle oben dargestellten Textvariationen, jedoch nur diejenigen mit<br />

variierter Überschrift, da sich diese Variable lediglich als leicht effektverstärkend erwiesen<br />

hatte und sonst keine interessanten Effekte aufzu<strong>de</strong>cken half. <strong>Die</strong> Stimulusbezeichnungen<br />

wur<strong>de</strong>n nun so vertauscht, dass die nach Lesen <strong>de</strong>s Kon-Text einzustufen<strong>de</strong><br />

Stimulusbezeichnung darin nicht mehr vorkam, <strong><strong>de</strong>r</strong> Kon-Text aber ansonsten möglichst die<br />

gleichen Konnotationen und Denotationen evozierte. D.h. beispielsweise, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Fragebogen-<br />

Variante mit <strong><strong>de</strong>r</strong> zuvor nach <strong>de</strong>m Text „Parlament Schoßhund <strong>de</strong>s Premierministers?“<br />

einzustufen<strong>de</strong>n Stimulusbezeichnung Schoßhund wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kon-Text ersetzt durch<br />

<strong>de</strong>njenigen mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Überschrift „Parlament Schmieröl <strong>de</strong>s Premierministers?“. Das Wort<br />

Schoßhund kommt in dieser Variante <strong>de</strong>s Kon-Textes nicht vor. Trotz<strong>de</strong>m war es<br />

anschließend als Stimulusbezeichnung einzustufen. Zwei <strong><strong>de</strong>r</strong> Testbezeichnungen für<br />

Schoßhund sind z.B. Unterwürfigkeit und Harmlosigkeit. Der Kon-Text legt <strong><strong>de</strong>r</strong>artige<br />

Attribute für das britische Parlament nahe. <strong>Die</strong> Frage war nun, ob dieser Umstand<br />

Versuchsleser auch dann dazu verleitet, nach Lesen <strong>de</strong>s Kon-Textes eine engere Relation<br />

zwischen <strong>de</strong>n genannten Testbezeichnungen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezeichnung Schoßhund zu sehen, wenn<br />

letztere im Text überhaupt nicht vorkommt. In die statistische Analyse wur<strong>de</strong>n die 36 Vpn.<br />

aus <strong>de</strong>m ersten Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Untersuchung einbezogen, die wie die 18 neuen Vpn. Texte mit<br />

verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ter / variieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Überschrift gelesen hatten, um gleiche Bedingungen zu<br />

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<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

gewährleisten. <strong>Die</strong>se wur<strong>de</strong>n im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Kontrollvariable mit 1 codiert, die 18<br />

neuen Vpn. mit zwei.<br />

Wie erwartet, wird eine Interaktion zwischen Kon-Text und neuer Kontrollvariable<br />

signifikant, F (1, 18) = 5,41, p


<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

4.1. Vorgehensweise<br />

32 weitere Versuchspersonen erhielten einen Fragebogen mit ähnlichem Aufbau wie <strong><strong>de</strong>r</strong> oben<br />

beschriebene. Es wur<strong>de</strong> ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er, dritter Text verwen<strong>de</strong>t, <strong><strong>de</strong>r</strong> auch aus <strong>de</strong>m Internet stammt<br />

und die Wendung Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelan<strong>de</strong>t enthielt. Dann wur<strong>de</strong><br />

entlang <strong><strong>de</strong>r</strong> vier Konventionalitätskategorien variiert. Auf die Variation <strong><strong>de</strong>r</strong> grammatischen<br />

Kategorie und <strong>de</strong>s Einbezugs in die Überschrift wur<strong>de</strong> verzichtet, so dass folgen<strong>de</strong>s Schema<br />

die Textvariationen vollständig wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegelt:<br />

Tabelle 3: Schema <strong><strong>de</strong>r</strong> Textvariationen im zweiten Experiment.<br />

Lexikalisiert<br />

Konventionell<br />

Europäisches Parlament: folgte großen Erwartungen eine Enttäuschung?<br />

Europäisches Parlament „als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelan<strong>de</strong>t“?<br />

Unkonventionell Europ. Parlament „als Tyrannosaurus Rex gesprungen und als Ei<strong>de</strong>chse gelan<strong>de</strong>t“?<br />

Originell<br />

Europ. Parlament „als Luxusdampfer losgefahren und als Haselnußschale gestran<strong>de</strong>t“?<br />

Um zu zwei Meßzeitpunkten mit jetzt nur einem Text testen zu können, wur<strong>de</strong>n die<br />

metaphorischen Wendungen in ihre zwei wesentlichen Elemente aufgeteilt, also beim<br />

Originaltext z.B. in Tiger und Bettvorleger. Je eines davon wur<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>m Lesen <strong>de</strong>s Kon-<br />

Texts mit einem Differential abgetestet und eines danach – welches wur<strong>de</strong> variiert, so dass die<br />

Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuchsbedingungen auf 8 steigt.<br />

Beispiele für kontextadäquate Testbezeichnungen aus <strong>de</strong>m Differential für Tiger sind<br />

Überlegenheit ausstrahlen und einen mächtigen Eindruck machen, Beispiele für nichtkontextadäquate<br />

Testbezeichnungen sind Fell haben und Vierbeiner. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als im ersten<br />

Experiment wur<strong>de</strong> hier eine dritte Skala einbezogen, die je zwei Bezeichnungen umfasst, die<br />

zwar in <strong>de</strong>n Kon-Text passen, jedoch kaum zur fraglichen Stimulusbezeichnung – dies sind<br />

hier etwa politisches Engagement und <strong>de</strong>mokratische Kontrolle.<br />

Abgesehen von <strong>de</strong>n genannten Unterschie<strong>de</strong>n folgt die Vorgehensweise <strong><strong>de</strong>r</strong>jenigen beim<br />

ersten Experiment. 21 <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuchspersonen stan<strong>de</strong>n auch hier sprachwissenschaftlichen<br />

Fragestellungen näher, 11 wur<strong>de</strong>n aus an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Bereichen rekrutiert.<br />

82


<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

4.2. Ergebnisse<br />

Signifikant ist alleine <strong><strong>de</strong>r</strong> Effekt <strong>de</strong>s Kon-Textes mit F (1, 26) = 6,43, p


<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

empfiehlt, die nur <strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen Schemata bzw. Analogien folgen und sie mit neuen<br />

Worten belegen müssten. So wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>mnach aus <strong>de</strong>n inaktiven <strong>Metaphern</strong>, die Grundlage<br />

seiner Root Analogies sind, neue / aktive <strong>Metaphern</strong>. Der damit implizierte Konservatismus<br />

wird von ihm we<strong><strong>de</strong>r</strong> gesehen noch kritisch beleuchtet. Angesichts seiner ansonsten eher<br />

kritischen Haltung zu <strong>de</strong>n hinter <strong>de</strong>n Root Analogies stehen<strong>de</strong>n I<strong>de</strong>ologien (1997:131f.,<br />

155ff.) verwun<strong><strong>de</strong>r</strong>t das.<br />

Wer ähnlich wie Lakoff (1987) einen stark prägen<strong>de</strong>n Einfluß von <strong>Metaphern</strong> auf das Denken<br />

annimmt und diesem wie er beispielsweise Vermutungen über <strong>de</strong>n Zusammenhang zwischen<br />

(A) einer aggressiven Metaphorik für Sexualität und (B) <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergewaltigungsrate zur Seite<br />

stellt, mag in <strong>de</strong>n Ergebnissen <strong><strong>de</strong>r</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Untersuchung Anlass zur Hoffnung sehen.<br />

Sie sind ein Hinweis darauf, dass es möglich ist, sich <strong>de</strong>m Einfluss konventionell<br />

vorgebahnter Metaphorik zu entziehen.<br />

Aber fin<strong>de</strong>t sich nicht auch bei <strong>de</strong>n hier verwen<strong>de</strong>ten originellen <strong>Metaphern</strong> ein Gemeinsames<br />

zu <strong>de</strong>n konventionellen <strong>Metaphern</strong>? <strong>Die</strong> Gegensatzpaare Tiger-Bettvorleger und<br />

Luxusdampfer-Haselnussschale haben sicherlich auch etwas gemeinsam, das man etwa mit<br />

groß/mächtig – klein/harmlos benennen könnte. <strong>Die</strong>se Gemeinsamkeit macht die Metapher<br />

aus und sichert die Verständlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> originellen Metapher. Sie ist aber weit abstrakter als<br />

das, was Lakoff und Johnson mit konzeptuellen <strong>Metaphern</strong> wie ARGUMENT IS WAR<br />

fassen. Das bringt eine größere Freiheit für die Sprachproduktion mit sich. <strong>Die</strong> Ergebnisse<br />

stärken die noch umfangreicher zu überprüfen<strong>de</strong> Hypothese, dass die Kreation von<br />

unkonventionellen <strong>Metaphern</strong> und ihr Erfolg nicht so sehr davon abhängt, ob innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

relativ konkreten „konzeptionellen <strong>Metaphern</strong>“ à la Lakoff und Johnson (1980) verblieben<br />

wird. Wir entnehmen <strong>de</strong>n Ergebnissen Hinweise, dass hierbei flexibler vorgegangen wer<strong>de</strong>n<br />

kann, <strong>de</strong>nn es kann offenbar flexibel auf abstraktere Bestän<strong>de</strong> als etwa ARGUMENT IS<br />

WAR o<strong><strong>de</strong>r</strong> GROSSES, GEFÄHRLICHES TIER vs. KLEIN, HARMLOS zurückgegriffen<br />

wer<strong>de</strong>n, so etwa auf GROSS(spurig) vs. KLEIN(laut). Auch darf <strong><strong>de</strong>r</strong> konstruktivistische<br />

Aspekt dabei nicht unterschätzt wer<strong>de</strong>n (vgl. z.B. Goldvarg and Glucksberg 1998:252f.), für<br />

<strong>de</strong>n man z.B. aus <strong>de</strong>n Ergebnissen von Gineste et al. (2000) Argumente ableiten kann, die<br />

beispielsweise zu <strong>de</strong>m Schluss kommen: „[...] a metaphor can cause emergence of features<br />

that are not associated with the topic or vehicle of the metaphor“ (117). Es besteht ebenfalls<br />

eine Analogie zu Chiappe (1998), <strong><strong>de</strong>r</strong> die Flexibilität bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Konstruktion von Ähnlichkeit<br />

herausstreicht.<br />

84


<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

Wenn <strong>de</strong>nnoch oft innerhalb solcher Schablonen wie ARGUMENT IS WAR verblieben wird,<br />

die die „konzeptionellen <strong>Metaphern</strong>“ reproduzieren, so mag sich darin ein Merkmal unserer<br />

Umwelt und unserer gesellschaftlichen Definitionen und Erfahrungen wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegeln (vgl.<br />

Engstrøm 1999:55, 60), aber kein übermächtiges Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong>konstruktion, das für<br />

<strong>de</strong>n einzelnen Sprachproduzenten bin<strong>de</strong>nd wäre 3 .<br />

Einige Fragen bleiben offen, so z.B. die, was die gemessene Be<strong>de</strong>utungsverschiebung für die<br />

abstrakteren Prozessen exakt be<strong>de</strong>utet, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Teil sie ist – wobei exakt die gleichen<br />

Einschränkungen auch für die momentan gängigeren Priming-Experimente gelten. <strong>Die</strong> Frage,<br />

ob eine Be<strong>de</strong>utungsverschiebung vom „gleichen Betrag“ (um in <strong><strong>de</strong>r</strong> Sprache <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Quantifizierung zu verbleiben) gleich viel Einfluss auf das Verstehen einer bestimmten<br />

Situation hat, egal von welchem Niveau <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehungshaftigkeit zwischen <strong>de</strong>n Elementen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Objekte <strong>de</strong>s Verstehensprozesses sie ausgeht, kann z.B. nicht befriedigend beantwortet<br />

wer<strong>de</strong>n. Antworten auf eine solche Frage kann man erzielen, wenn man in einem – nicht hier<br />

erfolgten – nächsten Schritt z.B. <strong>de</strong>n Erfolg beim Verstehen von Texten mit A)<br />

konventionelleren und B) unkonventionellen <strong>Metaphern</strong> empirisch untersucht. Gleichwohl<br />

wäre auch die Untersuchung von Reaktionszeiten auf Sprachmaterial wie das in dieser<br />

Untersuchung präsentierte interessant (beispielsweise in Analogie zum Vorgehen von Giora et<br />

al., 1998, o<strong><strong>de</strong>r</strong> Giora und Fein, 1999, bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Ironie).<br />

Weniger im Zentrum <strong><strong>de</strong>r</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Untersuchung liegen die Schlüsse, die aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

ten<strong>de</strong>nziellen Gegenläufigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ergebnisse bei <strong>de</strong>n Skalen A und B gezogen wer<strong>de</strong>n<br />

können. Sie sind ein interessanter Hinweis auf <strong>de</strong>n begrenzten Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> situativen<br />

Aktualisierung.<br />

Weiterhin zeigen die Ergebnisse, dass die Konventionalität von Bezeichnungen für einen<br />

bestimmten Be<strong>de</strong>utungsaspekt sinnvoll über die Relation zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Bezeichnungen aus <strong>de</strong>m<br />

Bereich dieses Be<strong>de</strong>utungsaspekts erfasst wer<strong>de</strong>n kann. In <strong><strong>de</strong>r</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Untersuchung<br />

wur<strong>de</strong> die Kategorisierung, die Grundlage <strong><strong>de</strong>r</strong> Variation <strong><strong>de</strong>r</strong> „Lebendigkeit“ bzw.<br />

3 Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass hier die unterschiedliche Konventionalität von <strong>Metaphern</strong> thematisiert<br />

wird. O’Brien (1999) beispielsweise fin<strong>de</strong>t, dass die Be<strong>de</strong>utung als (konventionell) „metaphorisch“ gekennzeichneter<br />

Zeichen <strong><strong>de</strong>r</strong> American Sign Language von Personen, die diese nicht beherrschen, besser erraten<br />

wer<strong>de</strong>n kann als die von „arbiträren“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „ikonischen“ Zeichen. Das kann kaum in Analogie zur vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Untersuchung gebracht wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn die hier verwen<strong>de</strong>ten, unkonventionellen <strong>Metaphern</strong> sind keinesfalls<br />

arbiträr. Filigrane Unterschie<strong>de</strong> zwischen Untersuchungen bezüglich <strong>de</strong>s jeweils verwen<strong>de</strong>ten Sprachmaterials<br />

und <strong><strong>de</strong>r</strong> zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong>n Definitionen können die Perspektive unmerklich verschieben und müssen bei<br />

vergleichen<strong><strong>de</strong>r</strong> Interpretation berücksichtigt wer<strong>de</strong>n.<br />

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<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

Konventionalität <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong> war, auf diesem Wege bestätigt. Es ist aber auch möglich,<br />

diese Kategorisierung mit Hilfe eines ähnlichen Versuchs<strong>de</strong>signs für bestimmte<br />

Bezeichnungen erst neu durchzuführen.<br />

Eine <strong><strong>de</strong>r</strong> zentralen Aussagen <strong><strong>de</strong>r</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Untersuchung ist, dass we<strong><strong>de</strong>r</strong> die grammatische<br />

Kategorie noch die Konventionalitäts-Kategorie entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Einfluss auf die Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Relationen durch <strong>de</strong>n Kon-Text haben. <strong>Die</strong>se ist über die durch diese Variablen<br />

bestimmten Versuchsbedingungen hinweg stabil. <strong>Die</strong> Be<strong>de</strong>utungsverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen erweisen<br />

sich als flexibel gegenüber diesen variierten Bedingungen.<br />

Es ist wahrscheinlich, dass weniger die grammatische Kategorie einer Bezeichnung als<br />

vielmehr <strong><strong>de</strong>r</strong>en semantische Autonomie Einfluß auf die Flexibilität von<br />

Be<strong>de</strong>utungsverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen bzw. auf die Übertragbarkeit in neue Kontexte hat. <strong>Die</strong>se<br />

Autonomie unterschei<strong>de</strong>t sich ten<strong>de</strong>nziell je nach grammatischer Kategorie. D.h., Substantive<br />

sind mit höherer Wahrscheinlichkeit semantisch autonom als Verben o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Adjektive/Adverben. Dass dies eine Wahrscheinlichkeitsbeziehung ist, heißt aber auch, dass<br />

es keine sichere und automatische Korrespon<strong>de</strong>nz zwischen Autonomie und grammatischer<br />

Kategorie gibt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n eben nur eine ten<strong>de</strong>nzielle. Damit erscheint es sinnvoll, in künftigen<br />

Untersuchungen die gezielte Variation <strong><strong>de</strong>r</strong> semantischen Autonomie anzustreben.<br />

Es ist zu<strong>de</strong>m <strong>de</strong>nkbar, die Beziehungen zwischen <strong>de</strong>n Stimulusbezeichnungen und <strong>de</strong>n<br />

Testbezeichnungen zu typisieren und die Unterschiedlichkeit dieser Beziehungen als<br />

mögliche Einflussgröße zu untersuchen. Hier wur<strong>de</strong>n solche Beziehungen nicht<br />

unterschie<strong>de</strong>n, auch weil sich damit keine Hypothesen über unterschiedliche Ergebnisse in<br />

Bezug auf das hier Interessieren<strong>de</strong> ergaben. Wir betrachten die Klarheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ergebnisse jedoch<br />

als Ermutigung, mit ähnlichen Versuchs<strong>de</strong>signs auch in dieser Richtung weiter zu forschen,<br />

wobei u.a. auch die Langzeitwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> hier thematisierten Be<strong>de</strong>utungsverschiebung bzw.<br />

ihre Kumulation über zahlreiche Umwelterfahrungen ins Blickfeld rücken können.<br />

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Originaltext und Versuchstext können angefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n bei: AlexDeppert@gmx.<strong>de</strong>.<br />

Redaktion <strong><strong>de</strong>r</strong> World Socialist Web Site, „Blairs ‚Dritter Weg’ in <strong><strong>de</strong>r</strong> Krise“ (Originaltitel),<br />

http://www.wsws.org/<strong>de</strong>/1999/jan1999/blai-j22.shtml (7.1.2002).<br />

van Buren, Jelle, „Kein Untersuchungsausschuss über Echelon im Europäischen Parlament“<br />

(Originaltitel), http://www.heise.<strong>de</strong>/tp/<strong>de</strong>utsch/special/ech/6890/1.html (7.1.2002).<br />

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<strong>metaphorik</strong>.<strong>de</strong> 05/2003 – Deppert, <strong>Die</strong> <strong>Wahl</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Metaphern</strong><br />

Anhang: ein Versuchstext<br />

Parlament Schoßhund <strong>de</strong>s Premierministers?<br />

Blairs „Dritter Weg“ in <strong><strong>de</strong>r</strong> Krise (22. Januar 1999)<br />

Der erbitterte Fraktionskampf, <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n vergangenen Monaten die britische Regierung<br />

erschüttert hat, ist das Ergebnis einer wachsen<strong>de</strong>n politischen Krise <strong>de</strong>s „New Labour“-<br />

Projekts von Premierminister Tony Blair.<br />

<strong>Die</strong> Krise wur<strong>de</strong> am 23. Dezember mit <strong>de</strong>m erzwungenen Rücktritt von zwei Ministern publik<br />

- <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>ls- und Industrieministers Peter Man<strong>de</strong>lson, <strong><strong>de</strong>r</strong> rechten Hand von Tony Blair, und<br />

<strong>de</strong>s Staatssekretärs im Finanzministerium Geoffrey Robinson. Man<strong>de</strong>lson hatte es versäumt,<br />

einen Kredit über 375.000 Pfund, <strong>de</strong>n er von Robinson erhalten hatte, anzugeben. Gegen<br />

Robinson waren Anfang letzten Jahres Untersuchungen wegen finanzieller<br />

Unregelmäßigkeiten eingeleitet wor<strong>de</strong>n.<br />

Am 13. Januar trafen sich Hinterbänkler mit Blair, um ihm ihre Opposition gegen eine engere<br />

Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Liberal<strong>de</strong>mokraten <strong>de</strong>utlich zu machen.<br />

Zur wöchentlichen Fraktionssitzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Labour Party kamen 250 Abgeordnete, um von <strong>de</strong>n<br />

Ministern im Kabinett mehr Disziplin zu for<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />

Schon vorher hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> frühere Fraktionsvorsitzen<strong>de</strong> Derek Foster vor <strong>de</strong>m Unterhaus erklärt,<br />

dass das Parlament zum „Schoßhund <strong>de</strong>s Premierministers“ gewor<strong>de</strong>n sei. Er sagte, Blair sei<br />

kein Präsi<strong>de</strong>nt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n „primus inter pares - <strong><strong>de</strong>r</strong> Erste unter Gleichen. Mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Worten,<br />

ich bin genauso viel wert wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Premierminister.“<br />

Blairs Antwort auf diese Kritik bestand in einer ganzen Serie von Regierungserklärungen, in<br />

<strong>de</strong>nen er betonte, dass die Regierung an ihrem rechten Programm festhält und eine<br />

Richtungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung ablehnt. Brown selbst musste antreten und bekräftigen, dass New Labour<br />

einen „grundlegen<strong>de</strong>n Politikwechsel und nicht nur ein paar neue Etiketten“ be<strong>de</strong>ute.<br />

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