Hoisdorf Jubiläums-Festschrift 75 Jahre 1922-1997 - Hahn's home ...
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<strong>75</strong> JAHRE SCHULLANDHEIM HOlSDORF<br />
Vorwort<br />
von Horst Rittmüller<br />
Wie es sich gehört, erscheint<br />
zum <strong>75</strong>-jährigen Jubiläum unseres<br />
Schullandheims eine <strong>Festschrift</strong>.<br />
Und es gibt dazu Anlaß<br />
genug.<br />
Mag das Schullandheim "Holstentor"<br />
auch nicht das erste<br />
sein, das als solches in Deutschland<br />
gegründet wurde, so ist es<br />
meines Wissens jedoch das<br />
älteste in seiner herkömmlichen<br />
Gestaltung in unserem Land<br />
noch erhaltene, also nicht das<br />
erste, jedoch das älteste.<br />
Nicht nur das, es ist aufs engste<br />
mit einem Manne verbunden,<br />
der "der exponierteste Vertreter<br />
der deutschen Schullandheimbewegung,<br />
nicht nur in Hamburg,<br />
sondern in ganz Deutschland<br />
war", wie Tobias Mittag in<br />
seiner Examensarbeit mit dem<br />
Thema "Zur Geschichte der<br />
deutschen Schullandheimbewegung<br />
von den Anfängen in der<br />
Weimarer Republik bis zur Zeit<br />
nach dem zweiten Weltkrieg<br />
unter besonderer Berücksichtigung<br />
Heiruich Sahrhages" auf<br />
Seite 3 schreibt, nämlich mit Dr.<br />
Heinrich Sahrhage. ( In dieser<br />
<strong>Festschrift</strong> findet sich auch ein<br />
Artikel von Klaus Kruse und<br />
Tobias Mittag zur Geschichte<br />
unseres Schullandheims. )<br />
Sicherlich ist Sahrhages Wirken<br />
aus heutiger Sicht kritisch zu<br />
sehen, denn er hat nicht nur die<br />
Schullandheimbewegung auch<br />
während des ]\iationalsozialismus<br />
in entscheidender Funktion<br />
vertreten, sondern war auch<br />
als Gausachbearbeiter für die<br />
Kinderlandverschickung in<br />
Hamburg tätig, bekleidete also<br />
maßgebliche Posten in dieser<br />
Zeit. Das setzte sicherlich auch<br />
Linientreue voraus. Zwar hat<br />
sich die Schullandheimbewegung<br />
vehement gegen die Einvernahme<br />
durch die Hitlerjugend<br />
gewehrt, hat sich aber<br />
auch zum Teil durch vorauseilenden<br />
Gehorsam der damaligen<br />
Führung angedient, um zu<br />
prosperieren. Andererseits hat<br />
Heinrich Sahrhage große Arbeit<br />
für unser Heim und die Schullandheimbewegung<br />
geleistet.<br />
Ohne ihn gäbe es unser Heim<br />
nicht und vielleicht auch einige<br />
andere Heime nicht oder nicht<br />
mehr.<br />
Vielleicht ist es aber auch vermessen,<br />
versehen mit der<br />
"Gnade der späten Geburt",<br />
über Sahrhage aus heutiger<br />
Sicht zu richten. Deshalb haben<br />
wir Sahrhage im Artikel von<br />
Dr. Stoltenberg vornehmlich<br />
selbst zu Wort kommen lassen.<br />
Wir sind uns der Problematik<br />
dessen bewußt, tun dies jedoch,<br />
damit sich ein jeder selbst ein<br />
Bild machen kann. Auch mit<br />
den unbequemen Punkten der<br />
Vergangenheit muß man sich<br />
auseinandersetzen. Dies gebietet<br />
die historische Aufrichtigkeit.<br />
Die reiche Tradition unseres<br />
Heims bietet jedoch überwiegend<br />
positive Rückblicke. Geboren<br />
wurde es <strong>1922</strong> als Ausfluß<br />
der damaligen Kulturkritik<br />
und der damit verbundenen<br />
Reformpädagogik. Die Inhumanität,<br />
der Stumpfsinn und<br />
der Leistungsdruck der Industriegesellschaft<br />
der Jahrhundertwende<br />
und die Hinwendung<br />
der Menschen zum Materiellen,<br />
zu Pomp und Kitsch,<br />
mißfiel insbesondere der damaligen<br />
Jugend. In der Schule<br />
wandte man sich gegen die<br />
einseitige Betonung des Kognitiven,<br />
die Vernachlässigung des<br />
Schöpferischen. Die Reformpädagogen<br />
propagierten Naturverbundenheit,<br />
Persönlichkeitsbildung,<br />
Primat der Erziehung<br />
gegenüber der Wissensvermittlung,<br />
Gemeinschaftserlebnis,<br />
geistige Selbsttätigkeit, Unterrichtsform<br />
des Erlebens, praktisches<br />
Arbeiten, Schulwerkstätten.<br />
Betrachtet man die heute aktuelle<br />
Diskussion in den Schulen<br />
und insbesonqere unsere<br />
Gedanken zur Bildung des<br />
Profils unserer Schule, so hört<br />
man Begriffe wie ökologisches<br />
Denken, ganzheitliche Erziehung,<br />
Sozialpraktikum nach<br />
außen und innen, Teamarbeit,<br />
Interaktion, Realbegegnung,<br />
eigenständiges Erarbeiten von<br />
Inhalten, offener Unterricht,<br />
außerschulische Lernorte, Projektunterricht,<br />
Handlungsorientierung,<br />
Hinführung auf das<br />
Berufsleben (ITB). Ich meine,<br />
dies alles ist bereits im Satz<br />
zuvor zu lesen gewesen.<br />
Sicherlich waren die Reformpädagogen<br />
für ihre Zeit fortschrittlich.<br />
Es verwundert nicht,<br />
daß das staatliche Schulsystem<br />
den pädagogischen Stand von<br />
vor 1933 nicht über den Nationalsozialismus<br />
hinweg retten<br />
konnte.<br />
Heute - mehr als 50 <strong>Jahre</strong> nach<br />
dem zweiten Weltkrieg - sind<br />
die Zielsetzungen fortschrittlicher<br />
Pädagogen - wenn auch<br />
mit anderen Begrifflichkeiten <br />
ähnlich denen der Reformpädagogen,<br />
aus welchen heraus<br />
u.a. die Schullandheimbewegung<br />
entstand. Ein Heim wie<br />
unseres eignet sich in vielfältiger<br />
Form zur Umsetzung dieser<br />
<strong>Festschrift</strong> ~ _ Seite 1