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Dezember 2003 - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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K U L T U R<br />

KULTUR<br />

.............................<br />

Kultur in unserer Nachbarschaft: d-motion-estival <strong>2003</strong> in <strong>Halle</strong><br />

Zwischen iktion und Realität<br />

.......................................................................<br />

ür drei Tage war der hallesche Volkspark<br />

Treffpunkt der internationalen Multimedia-Szene.<br />

Vom 27. bis 29. November<br />

<strong>2003</strong> demonstrierten DJs und<br />

VJs, Künstler und Wissenschaftler in<br />

mehr als 20 Performances, Installationen,<br />

Konzerten und Vorträgen die Anwendung<br />

der interaktiven Medien im<br />

musikalischen und visuellen Bereich.<br />

Mit :expanded reality: griff das d-motion-estival<br />

ein außerordentlich aktuelles,<br />

relevantes und nicht nur technologisches<br />

Thema auf und führte mehr<br />

als 1 500 Besucher an die Grenzen<br />

zwischen Realität und iktion; d-motion<br />

fand bereits zum dritten Mal in <strong>Halle</strong><br />

statt und zählt inzwischen zu den wichtigsten<br />

Multimedia-Events in Mitteldeutschland.<br />

Zum Auftakt: die Verleihung der<br />

HAL-Awards<br />

Am Donnerstagabend stand gleich das<br />

erste Highlight auf dem Plan: die Verleihung<br />

der HAL-Awards. ür Deutschlands<br />

größten DVD-Wettbewerb wurden<br />

über 160 Arbeiten eingereicht – mehr<br />

als doppelt so viele wie im vergangenen<br />

Jahr. Mit dabei auch zwei Größen<br />

der deutschen Musik und Comedy:<br />

ettes Brot bewarb sich mit dem Video<br />

zu „Amnesie“, Michael Mittermaier trat<br />

mit „Back to Life“ an. Letztlich behielten<br />

die Hamburger die Nase vorn und nahmen<br />

den mit 5 000 Euro dotierten<br />

Award in der Kategorie Musik entgegen.<br />

Den Award in der Kategorie Business<br />

und Information (5 000 Euro) gewann<br />

die Arbeit „kinderwelt weltkinder“<br />

des Evangelischen Zentrums für Entwicklungsbezogene<br />

ilmarbeit (Stuttgart).<br />

Den Nachwuchs-Preis (3 500<br />

Euro) gewannen Gabriela Hildebrandt<br />

und Susanne Schiebler (Bauhaus-<strong>Universität</strong><br />

Weimar) mit „Schöne Heimat“,<br />

jeweils 1 250 Euro teilen sich Christoph<br />

Haenold mit „Halmakenreuther:<br />

Stay Invisible – Back for Gold“ und<br />

Bernhard Kayser (Gallus Zentrum,<br />

rankfurt) mit „Make my day“.<br />

Deutschlandpremiere von Peter<br />

Greenaways „Antwerp Episode“<br />

Eigentlich sollte er persönlich über sein<br />

neuestes multimediales Projekt „The<br />

Tulse Luper Suitcases“ sprechen, doch<br />

nach anstrengenden Drehtagen in Turin<br />

und mit 40 Grad ieber musste Peter<br />

Greenaway seine Teilnahme am d-motion-estival<br />

leider absagen. Eine Lösung<br />

für dieses Problem war schnell gefunden:<br />

Ganz im Zeichen interaktiver<br />

Medien wurde ein bereits aufgezeichneter<br />

Vortrag abgespielt – der virtuelle<br />

Greenaway sprach über Intention und<br />

Hintergründe des Mammutprojekts. Seine<br />

These „Der ilm ist tot“ mündet in<br />

einer völlig neuen Definition des Genres:<br />

Medien-Crossover statt konventionelles<br />

Erzählkino. Beim anschließenden<br />

ilm „Antwerp Episode“, der nicht nur<br />

otos (3): Kai-Uwe Dietrich<br />

Impressionen vom d-motion-estival 3003 im halleschen Volkspark<br />

Bild oben: 92 Koffer und ihre Geschichte – „The Tulse Luper Suitcases“ von Peter Greenaway<br />

Bild unten: Ohne Monitor und Joystick – reale iguren kämpfen in Yanick ourniers Performance „V_Game02“<br />

Bild ganz unten links: Synchronisation der Gedanken – „Split Brain“ von Rotraut Pape<br />

Deutschlandpremiere hatte, sondern<br />

weltweit erstmalig im HD-ormat präsentiert<br />

wurde, sahen sich die knapp<br />

400 Besucher im Großen Saal des halleschen<br />

Volksparks nicht nur mit Greenaway-typischen<br />

skurrilen Szenen, sondern<br />

auch mit digitalen Effekten, Splitscreens<br />

und verschiedenen Tonebenen<br />

konfrontiert.<br />

Greenaway erhebt das Uran zur zentralen<br />

Metapher des 20. Jahrhunderts.<br />

Dessen Ordnungszahl 92 strukturiert<br />

das gesamte Projekt: Es gibt 92 Darsteller,<br />

92 Hauptereignisse und die 92<br />

Koffer von Tulse Luper. Jeder dieser<br />

Koffer öffnet seine Klappe zu eigenen<br />

Themenkomplexen, die Greenaway in<br />

andere Medien transferiert. Auf CD-<br />

Roms, DVDs und im Internet wird man<br />

diese Enzyklopädie der Moderne<br />

durchstreifen können. Einzelne Koffer<br />

dienten bereits als Grundlage für Theateraufführungen,<br />

auch eine Ausstellungstournee<br />

ist mit ihnen geplant.<br />

„The Tulse Luper Suitcases“ ist ein nach<br />

allen Seiten offenes Kunstwerk, das<br />

sich beliebig erweitern lässt, unablässig<br />

zwischen den Gattungen und den<br />

medialen Ebenen wechselt.<br />

Virtuelle und interaktive<br />

Performances<br />

An allen drei estivaltagen zog die<br />

Ausstellung im Erdgeschoss des Volksparks<br />

die Besucher in ihren Bann – wobei<br />

es sich nicht um eine Ausstellung<br />

im klassischen Sinne handelte. Interaktion<br />

war gefragt, beispielsweise bei<br />

„Split Brain“ von Rotraut Pape: Mit ihren<br />

Körperbewegungen beeinflussten<br />

die Besucher die Leinwandprojektion<br />

zweier Kernspintomographie-Schnitte<br />

durch einen männlichen und einen<br />

weiblichen Kopf. Ziel war die perfekte<br />

Synchronisation der Bilder bis hin<br />

zum inale der „Gedankenverbindung“.<br />

Stets dicht umlagert war auch<br />

die „PainStation“ von Volker Morawe<br />

und Tilman Reiff. Kernstück ist ein horizontaler<br />

Monitor, an dem sich die<br />

Kontrahenten gegenüberstehen und<br />

„Pong“ spielen, eines der ersten<br />

Computerspiele überhaupt. Der große<br />

Unterschied zum Klassiker: Die linke<br />

Hand muss während des gesamten<br />

Spiels auf die „Pain Execution Unit“<br />

gelegt werden und wird bei Versagen<br />

des Spielers mit Hitze, Elektroschocks<br />

und Schlägen einer rotierenden Peitsche<br />

traktiert. Durch die Kombination<br />

aus Soundeffekten, dem Verhalten der<br />

Spieler und der Zuschauer wurde die<br />

PainStation zu einer einzigartigen Erfahrung<br />

für Gegner und Voyeure gleichermaßen.<br />

Erstmals dabei: Studenten<br />

der Burg<br />

Mit dem Studentenorum „expanded<br />

mind? – expanded body?“ nahmen<br />

erstmalig StudentInnen der Burg Giebichenstein<br />

– Hochschule für Kunst<br />

und Design <strong>Halle</strong> mit einem eigenverantwortlich<br />

gestalteten Programmteil<br />

am d-motion estival teil. Die kritische<br />

Auseinandersetzung mit den<br />

Techno-Utopien der Neuen Medien<br />

erfolgte unter anderem in drei Vorträgen:<br />

Didier Stricker, Entwickler von<br />

Augmented Reality Software, berichtete<br />

über neueste orschungsergebnisse<br />

im Bereich Industrie, Kulturerbe und<br />

Edutainment. Die Medientheoretikerin<br />

Marie-Luise Angerer befasste sich mit<br />

den vollmundigen Erneuerungsprophetien<br />

der Digital-Avantgarde und holte<br />

diese auf den Boden der Realität zurück.<br />

Der Philosoph Arne Moritz<br />

sprach über die Repräsentation des<br />

User-Körpers via Cookie und die Äußerungen<br />

des (im philosophischen Sinne)<br />

freien Willens mittels Mausclick im<br />

Internet. Visuell-reflexiv und dabei erfrischend<br />

unverkrampft befassten sich<br />

auch die eingeladenen KünstlerInnen<br />

aus Kunsthochschulen in Köln, Kassel,<br />

Berlin, New York und <strong>Halle</strong> mit dem<br />

Thema.<br />

Zum Abschluss:<br />

Granular~Synthesis mit Areal<br />

Neuartige Synthesen zwischen den<br />

Künsten und Wahrnehmungsweisen auf<br />

internationalem Spitzenniveau präsentierte<br />

Granular~Synthesis. Kurt Hentschläger<br />

und Ulf Langheinrich, die seit<br />

Anfang der neunziger Jahre zusammenarbeiten<br />

und Österreich bei der<br />

Biennale von Venedig 2001 vertreten<br />

haben, zählen zu Pionieren der audiovisuellen<br />

Medien und insgesamt zu den<br />

wichtigsten Avantgardisten der modernen<br />

Kunst.<br />

Hentschläger und Langheinrich zerlegen<br />

Video und Ton in kleinstmögliche<br />

Einheiten, die sie mittels einer selbst<br />

entwickelten Software neu zusammenstellen.<br />

Ihre Performances und Rauminszenierungen<br />

sind akustisch-visuelle<br />

ästhetische Stimmungsfelder, in denen<br />

sie immer stärker bis an die Grenzen<br />

der Wahrnehmung operieren. Die monumentalen<br />

Installationen überwältigen<br />

die BetrachterInnen oft durch ihre<br />

Intensität. Davon blieben auch die Besucher<br />

im Volkspark nicht verschont:<br />

Mit Ihrer Performance „Areal“, einer<br />

zweistündigen Audi-Video-Show, riefen<br />

Granular~Synthesis nicht nur Begeisterungsstürme<br />

hervor.<br />

Drei Projektionsflächen mit konkreten<br />

und abstrakten Bildern sowie eine 20-<br />

KW-Soundanlage trieben so manchen<br />

Besucher in die lucht. Wer Entspannung<br />

suchte, hatte es allerdings nicht<br />

sehr weit: Wie an allen Abenden, lud<br />

auch am Samstag die Medialounge zu<br />

DJ-Musik und Bar-Café bis spät in die<br />

Nacht.<br />

Matthias Münch

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