Dezember 2003 - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
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Zwei akademische Höhepunkte<br />
Amtseinführung des Rektors und Disputation zur Gesundheitsreform<br />
Übergabe der Amtsurkunde an den Rektor; v. l. n. r.: Magnifizenz Prof. Dr. Wilfried Grecksch, Dr. Ralf-<br />
Torsten Speler, Leiter der Zentralen Kustodie der <strong>Universität</strong>, und der Vorsitzende des Konzils, Prof. Dr.<br />
Holm Altenbach<br />
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Der Reformationstag am 31. Oktober<br />
in der <strong>Luther</strong>stadt <strong>Wittenberg</strong> ist seit<br />
Langem ein Höhepunkt im akademischen<br />
Leben der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<strong>Universität</strong>.<br />
In diesem Jahr wurde er durch<br />
zwei herausragende Ereignisse geprägt:<br />
Der erste Höhepunkt war die feierliche<br />
Amtsübergabe an den 260. Rektor der<br />
<strong>Universität</strong>, Professor Dr. Wilfried<br />
Grecksch, der am 25. Juni <strong>2003</strong> zum<br />
zweiten Mal in dieses Amt gewählt<br />
wurde. Den zweiten – nach 11 Jahren<br />
nun schon zur Tradition gewordenen –<br />
Höhepunkt dieses Tages bildete die<br />
Disputation des Akademischen Senats.<br />
Amtsübergabe an<br />
traditionsreicher Stätte<br />
Die Investitur ist an der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<br />
<strong>Universität</strong> bei der Wiederwahl des<br />
Rektors immer an einen akademischen<br />
Höhepunkt gebunden. Das bisherige<br />
und das neue Rektorat entschieden<br />
sich in diesem Jahr ganz bewusst für<br />
den 31. Oktober und damit für die Verbindung<br />
zur Disputation und für <strong>Wittenberg</strong>,<br />
den Ort der <strong>Universität</strong>sgründung.<br />
Einerseits sollte dadurch deutlich<br />
gemacht werden, dass sich die <strong>Universität</strong><br />
auch im 501. Jahr ihres Bestehens<br />
zu ihrer Tradition und ihren historischen<br />
Wurzeln in <strong>Wittenberg</strong> bekennt,<br />
und „andererseits ist der Ort<br />
des Ausgangspunktes der Reformation<br />
bestens geeignet, ein Zeichen für die<br />
Zukunftsfähigkeit der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<br />
<strong>Universität</strong> zu setzen – in einer äußerst<br />
schwierigen und angespannten Zeit“,<br />
so Professor Grecksch.<br />
Die estveranstaltung fand im Auditorium<br />
maximum der Stiftung Leucorea<br />
statt. In feierlicher orm wurden hier<br />
die Insignien und Amtsurkunden an den<br />
Rektor und die Prorektoren übergeben.<br />
Mit Grußworten traten der Landtagspräsident,<br />
Prof. Dr. Adolf Spotka, die<br />
Bürgermeisterin der Stadt <strong>Halle</strong>, rau<br />
Dagmar Szabados, und der Oberbürgermeister<br />
der <strong>Luther</strong>stadt <strong>Wittenberg</strong>,<br />
Herr Eckhard Naumann, auf.<br />
Der Rektor betonte in seiner Rede,<br />
dass gerade wegen der aktuellen Veränderungen<br />
der gesellschaftlichen Prioritäten,<br />
der wissenschaftlich-technischen<br />
Möglichkeiten und wirtschaftlichen<br />
Notwendigkeiten „kein Zweifel<br />
besteht, an der universitären Leitidee<br />
festzuhalten, die wesentlich auf der<br />
Einheit von orschung und Lehre basiert.<br />
Dadurch werden Konzepte für die<br />
Zukunft ermöglicht – Zukunft, die auf<br />
Realität beruht“, wobei für ihn diese<br />
„Realität“ auch die Verpflichtung beinhaltet,<br />
Lösungen für gegenwärtige<br />
Aufgaben zu liefern.<br />
Wilfried Grecksch machte deutlich,<br />
dass diese Einheit von orschung und<br />
Lehre nicht nur zu den ureigensten<br />
Grundlagen jeder <strong>Universität</strong> gehört,<br />
sondern dass sie vielmehr die Basis für<br />
deren Bedeutung bei der Lösung der<br />
Zukunftsfragen der Menschheit bildet.<br />
Eine zur höheren Berufsschule oder<br />
zum regionalen Wirtschaftsstandortfaktor<br />
geschrumpfte <strong>Universität</strong> kann<br />
diesem Anspruch nicht genügen.<br />
„Daher halte ich“ – so Grecksch – „einen<br />
intensiven öffentlichen Dialog<br />
zwischen <strong>Universität</strong> und Gesellschaft<br />
für unerlässlich. Solch ein Dialog kann<br />
nur dann von Erfolg gekrönt sein,<br />
wenn sich die <strong>Universität</strong> verständlich<br />
darstellt und somit ihr Stellenwert in<br />
der Gesellschaft unverzichtbar wird<br />
und damit auch ihre Relevanz bei Entscheidungen<br />
der Politik“. ür das „wirkungsvollste<br />
Instrument einer optimalen<br />
Steuerung der <strong>Universität</strong>“ hält er<br />
„das Vertrauen auf die reiheit der<br />
Wissenschaft und auf die Menschen,<br />
die sie betreiben und studieren. So<br />
könnten auch Staat und Gesellschaft<br />
die unbedingt notwendige Kraft zu zukunftsorientierten<br />
Reformen finden“.<br />
Traditionelle Disputation zu<br />
aktuellem Thema<br />
Der Nachmittag des Reformationstages<br />
stand mit der Disputation des Akademischen<br />
Senats zwar ganz im Zeichen<br />
der <strong>Universität</strong>stradition, war aber einem<br />
brandaktuellen Thema gewidmet.<br />
Es lautet in diesem Jahr: „Reformierung<br />
des Gesundheitswesens – oder:<br />
In welchem Gesundheitssystem wollen<br />
wir leben?“<br />
Gesundheitsreformen, Veränderungen<br />
im Gesundheitssystem, Umbau des<br />
Sozialstaats – diese Themen beherrschen<br />
vielfach Politik und Medien. Die<br />
Auswirkungen solcher politischen Entscheidungen<br />
betreffen alle Bürgerinnen<br />
und Bürger. Veränderungen im<br />
Gesundheitssystem wirken zudem tief<br />
in den Wertebereich der Gesellschaft<br />
hinein. Sie berühren Werte der Solidarität,<br />
der Versorgungsgerechtigkeit, der<br />
Patientenorientierung, der Ethik.<br />
Unter der Diskussionsleitung und Vorbereitung<br />
von Prof. Dr. Wolfgang<br />
Slesina, Sektion Medizinische Soziologie<br />
der Medizinischen akultät der<br />
<strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Halle</strong>-<strong>Wittenberg</strong>,<br />
erfolgte ein lebhafter Austausch<br />
von Gedanken und konzeptionellen<br />
Ansätzen.<br />
Der Ministerpräsident des Landes<br />
Sachsen-Anhalt, Prof. Dr. med. Wolfgang<br />
Böhmer, erläuterte zunächst in<br />
seinem Beitrag die Zielkonflikte und<br />
die Machbarkeit von politischen Reformen.<br />
Dabei wurde deutlich, welche<br />
schwierigen Verhandlungen zwischen<br />
politischen Akteuren, Interessenverbänden<br />
und Leistungserbringern immer<br />
wieder vonstatten gehen. Die Tätigkeit<br />
im Vermittlungsausschuss von<br />
Bundestag und Bundesrat, in dem Professor<br />
Böhmer im Bereich der Gesundheitsreform<br />
federführend war, ließ<br />
ihn einige für die achleute klar erkennbare<br />
Hintergründe gesundheitspolitischer<br />
Diskussionen aufzeigen.<br />
otos (3): Norbert Kaltwaßer<br />
Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende<br />
im Verband der Angestellten- und Arbeiter-Ersatzkassen,<br />
stellte die Position<br />
der gesetzlichen Krankenversicherung<br />
vor. Sie favorisierte das Modell einer<br />
„Bürgerversicherung“ gegenüber dem<br />
der „Kopfpauschalen“ für die Erhaltung<br />
eines sozial gerechten und leistungsfähigen<br />
Gesundheitssystems.<br />
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft<br />
für Sozialmedizin und Prävention,<br />
Prof. Dr. med. Johannes Gostomzyk,<br />
spannte den Bogen von wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen hin zu den<br />
aktuellen Bedürfnissen der Patienten.<br />
Seine auf den Erkenntnissen der Epidemiologie<br />
beruhenden Ausführungen<br />
zeigten eindrucksvoll, dass den Bereichen<br />
der Prävention und der präventionsbedingten<br />
Systemgestaltung in Zukunft<br />
deutlich Vorrang einzuräumen<br />
wäre.<br />
Die drei Replikanten vertraten ganz unterschiedliche<br />
Positionen. So plädierte<br />
der Präsident der Landeskrankenhausgesellschaft<br />
Sachsen-Anhalt, Prof. Reinhard<br />
Turre, bei allem Problemdruck<br />
hinsichtlich der inanzierbarkeit des<br />
Gesundheitssystems, die Diskussion<br />
nicht nur hierauf zu beschränken, sondern<br />
auch ethische und moralische<br />
Komponenten in der Gesundheitsversorgung<br />
zu berücksichtigen.<br />
Der Geschäftsführer der Bayer Bitterfeld<br />
GmbH, Prof. Dr. Georg rank,<br />
sprach sich für eine stärkere Eigenverantwortung<br />
und Wahlfreiheit für den<br />
Einzelnen aus, um in einer individuell<br />
abgestimmten Präferenzstruktur das gewünschte<br />
medizinische Leistungsspektrum<br />
zu erhalten.<br />
Der letzte Replikant, PD Dr. Peter M.<br />
Jehle, Chefarzt für Innere Medizin des<br />
Paul-Gerhardt-Stifts, machte aus seiner<br />
praktischen ärztlichen Tätigkeit heraus<br />
auf die Bedeutung präventiver Maßnahmen<br />
für das Gesundheitssystem,<br />
aber auch für den einzelnen Patienten<br />
aufmerksam. Anhand zahlreicher Beispiele<br />
belegte er die Notwendigkeit für<br />
präventive Interventionen und Maßnahmen,<br />
die so gleichzeitig eine Kostensenkung<br />
im Gesundheitssystem<br />
zur olge hätten.<br />
In den Antworten der DisputantInnen<br />
auf die Repliken und der sich daran anschließenden<br />
Diskussion wurde der<br />
Wert einer solchen „Disputation“ unter<br />
achleuten jenseits aller massenmedialen<br />
Verkürzungen für die versachlichende<br />
Klärung von Strukturproblemen<br />
und Gestaltungsalternativen im Gesundheitswesen<br />
deutlich.<br />
Der Austausch der Sachargumente im<br />
Rahmen dieser Veranstaltung gab zudem<br />
Anknüpfungspunkte für weiterführende<br />
wissenschaftliche Analysen. Es<br />
zeigte sich auch die Notwendigkeit,<br />
dass gerade in Sachsen-Anhalt ein solcher<br />
Dialog zwischen Leistungserbringern,<br />
Kostenträgern und Wissenschaft<br />
fortgeführt werden sollte – möglicherweise<br />
in einem institutionalisierteren<br />
Rahmen.<br />
Monika Lindner/Wolfgang Slesina/<br />
Andreas Weber<br />
Bild ganz oben: Der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, Prof. Dr. Wolfgang Böhmer, während<br />
der Disputation; weiter im Bild v. l. n. r.: Prof. Dr. Johannes C. Gostomzyk, Prof. Dr. Wolfgang Slesina<br />
und Dr. Doris Pfeiffer<br />
Bild oben: Blick in das voll besetzte Auditorium maximum der Stiftung Leucorea währen der Disputation;<br />
in der ersten Reihe v. l. n. r. der Rektor, Prof. Dr. Wilfried Grecksch, und die drei Prorektoren, Prof. Dr.<br />
Reinhard Neubert, Prof. Dr. Hans-Joachim Solms und Prof. Dr. Wolfgang Schenkluhn, sowie der Konzilvorsitzende,<br />
Prof. Dr. Holm Altenbach<br />
Ein Blick auf den Marktplatz der <strong>Luther</strong>stadt <strong>Wittenberg</strong>,<br />
wo – wie in der gesamten Innenstadt –<br />
das traditionelle historische Markttreiben anlässlich<br />
des Reformationstages zu erleben war und<br />
tausende Besucher anlockte<br />
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