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Dezember 2003 - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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oto: Manfred Herrmann<br />

Ein Herz kann man reparieren ...<br />

Im Gespräch mit Prof. Dr. Rolf-Edgar Silber<br />

Viele denken im Alltag nicht über ihr<br />

Herz nach: Es schlägt einfach. Ein gesundes<br />

„zentrales Pumporgan“ bedeutet<br />

Lebenskraft. Wenn sich jedoch das<br />

Herz meldet – sei es durch starke<br />

Schmerzen, heftiges unregelmäßiges<br />

Klopfen oder plötzliche Erschöpfung –<br />

sollte das nicht auf die „leichte Schulter“<br />

genommen werden. Nur ein Arzt<br />

kann beurteilen, ob sich bereits ein lebensbedrohlicher<br />

Zustand anbahnt. In<br />

manchen ällen ist es unumgänglich,<br />

das kranke Herz zu operieren. Heute<br />

gibt es aufgrund modernster chirurgischer<br />

Möglichkeiten zunehmend gute<br />

Chancen, die Lebensqualität der Patienten<br />

durch einen operativen Eingriff<br />

deutlich zu verbessern. Der Herz- und<br />

Thoraxchirurgie hat sich Prof. Dr. Rolf-<br />

Edgar Silber, Direktor der <strong>Universität</strong>sklinik<br />

und Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie,<br />

gemeinsam mit seinem<br />

Team verschrieben. Die <strong>Universität</strong>szeitung<br />

stellte ihm folgende ragen:<br />

Wo haben Sie geforscht und gelehrt,<br />

bevor Sie im Jahr 1998 an<br />

die <strong>Universität</strong> nach <strong>Halle</strong> kamen?<br />

Zuletzt hatte ich eine Professur an der<br />

<strong>Universität</strong> Würzburg inne, wo ich seit<br />

1983 zunächst als Assistent, später als<br />

Extraordinarius und leitender Oberarzt<br />

an der dortigen <strong>Universität</strong>sklinik und<br />

Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie<br />

tätig war. Ich nahm den Ruf nach <strong>Halle</strong><br />

an, weil es für mich eine berufliche<br />

Herausforderung und Chance darstellte,<br />

hier etwas Neues nach meinen Vorstellungen<br />

aufzubauen. Hier erhielt ich<br />

die Gestaltungsmöglichkeiten, die ich<br />

in meiner vorherigen Position in den<br />

alten Bundesländern niemals gehabt<br />

hätte.<br />

Kannten Sie die Stadt <strong>Halle</strong> und<br />

die <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<strong>Universität</strong>?<br />

Vor 1998 habe ich <strong>Halle</strong> eher wenig<br />

gekannt und genau wie meine reunde<br />

und Bekannten ging ich davon aus,<br />

dass es sich um eine „Diva in Grau“<br />

handelt. Je mehr ich <strong>Halle</strong> kennen lernte,<br />

umso mehr konnte ich mich dafür<br />

begeistern. Die Stadt hat Charakter, sie<br />

bietet viele bauliche Besonderheiten<br />

und Schätze, die mir sehr gut gefallen.<br />

Aus Anlass meiner Antrittsvorlesung<br />

hatte ich zahlreiche reunde eingeladen,<br />

die anschließend bei einer Stadt-<br />

ührung durch Uni-Kustos Dr. Ralf-<br />

Torsten Speler überrascht und begeistert<br />

waren.<br />

Wann nahmen Sie Ihren Wohnsitz<br />

hier?<br />

Seit 1999 bin ich <strong>Halle</strong>nser und bis<br />

2000 folgte dann auch meine amilie<br />

in die Saalestadt. Zwei meiner drei<br />

Kinder wohnen jedoch bereits nicht<br />

mehr zu Hause.<br />

Wann entschieden Sie sich für die<br />

Medizin? Gab es Lehrer oder amilienangehörige,<br />

die Sie besonders<br />

für diese Studienrichtung<br />

oto: Ute Olbertz<br />

Bei der Übergabe des Schober-Preises (v. l. n. r.): Prof. Dr. Gerrit Isenberg (Sprecher SB 598: Herzversagen<br />

im Alter), Prof. Dr. Edward G. Lakatta (Laboratory of Cardiovascular Science Gerontology Research<br />

Center, Baltimore, USA), PD Dr. Andreas Simm, <strong>Universität</strong>s- und Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie,<br />

Annselma Schober (Witwe von Professor Schober) und Prof. Dr. Rolf-Edgar Silber.<br />

bzw. für den Beruf des Arztes begeisterten?<br />

Zunächst faszinierte mich eine ganz<br />

andere Richtung: Ich studierte ab 1969<br />

Mathematik in Marburg und Berlin.<br />

Während meiner Studienzeit in Berlin<br />

lebte ich im Haushalt meines Onkels,<br />

der Mediziner ist. Er begeisterte mich<br />

so für die Medizin, dass ich 1971 in<br />

Heidelberg ein Medizinstudium aufnahm.<br />

1977 wurde ich in Heidelberg<br />

promoviert. Zur Herz- und Thoraxchirurgie<br />

kam ich eher zufällig: Zunächst<br />

wollte ich Internist werden, fand aber<br />

im praktischen Jahr Gefallen an der<br />

Allgemeinen Chirurgie und letztlich<br />

reizte mich die Herzchirurgie besonders.<br />

Operationen am Herzen sind gewissermaßen<br />

ästhetisch und man sieht<br />

den Erfolg meistens sofort. Nach meiner<br />

Assistentenzeit in Rottweil, Heidelberg<br />

und rankfurt am Main habilitierte<br />

ich mich 1990 in Würzburg in dem<br />

achgebiet Thorax- und Kardiovaskularchirurgie.<br />

Seit 1999 sind Sie Direktor der<br />

halleschen Uni-Klinik für Herzund<br />

Thoraxchirurgie, deren kommissarische<br />

Leitung Sie bereits ein<br />

Jahr zuvor übernommen hatten.<br />

Welches sind die häufigsten Eingriffe,<br />

die am Herzen notwendig<br />

sind?<br />

Pro Jahr führen wir an der Klinik insgesamt<br />

rund 1 800 operative Eingriffe<br />

durch, davon etwa 1 050 Herzoperationen.<br />

Die häufigsten Eingriffe am<br />

Herzen – 70 Prozent – betreffen Herzkranzgefäß-<br />

bzw. Bypassoperationen.<br />

An zweiter Stelle folgen Kunstklappen-<br />

Operationen. Herztransplantationen<br />

gibt es seltener. Wir betreuen aber<br />

auch noch die Patienten, die zu einem<br />

früheren Zeitpunkt ein Spenderherz erhalten<br />

haben.<br />

Die Lebenserwartung steigt und<br />

damit nimmt auch die Zahl der<br />

älteren Menschen zu. Behandeln<br />

Sie mehr ältere Patienten als jüngere?<br />

Gibt es Erkrankungen des<br />

Herzens, die vor allem durch die<br />

Wohlstandsgesellschaft ausgelöst<br />

werden, die zu Beispiel vor zwanzig<br />

oder dreißig Jahren keine so<br />

große Rolle spielten?<br />

Auf jeden all behandeln wir in der Klinik<br />

deutlich mehr ältere Menschen als<br />

jüngere. Heute können auch über 80-<br />

jährige Patienten erfolgreich operiert<br />

werden, an die sich noch vor zehn Jahren<br />

niemand herangetraut hätte, weil<br />

das Risiko zu groß war. In den vergangenen<br />

50 Jahren gab es außerdem eine<br />

starke Zunahme der Herz-Kreislauferkrankungen,<br />

die durch übermäßige<br />

und falsche Ernährung sowie Bewegungsmangel<br />

begünstigt werden und<br />

damit zu den Wohlstandserkrankungen<br />

gerechnet werden können. Zu den aktoren,<br />

die Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

begünstigen können, zählen Nikotin,<br />

Übergewicht, ettstoffwechselstörungen,<br />

Diabetes, Hochdruck und genetische<br />

Voraussetzungen.<br />

Kann man durch eine gesunde<br />

Lebensweise sein Herz länger „fit“<br />

halten? Oder sind Herzprobleme<br />

im zunehmenden Alter „ganz normal“?<br />

Ja, denn mit dem Alter kommt es zu<br />

normalen strukturellen Veränderungen<br />

im Myokard (Herzmuskel) und im Gefäß.<br />

Zum Beispiel kommt es in der Zelle<br />

zu einer Anhäufung von Stoffwechselprodukten.<br />

Durch eine gesunde Lebensweise<br />

lassen sich diese Veränderungen<br />

verzögern. Nachweislich wirkt<br />

sich regelmäßige (sportliche) Bewegung<br />

positiv aus.<br />

Sie sind besonders an der Altersforschung<br />

interessiert. Mit dem<br />

Sonderforschungsbereich (SB)<br />

598 „Herzversagen im Alter“ und<br />

dem geplanten Graduiertenkolleg<br />

„zelluläre Mechanismen kardiovaskulären<br />

Alterns“ ist die Klinik<br />

auf dem Wege, sich zu einem<br />

Schwerpunkt der Altersforschung<br />

innerhalb Deutschlands zu entwikkeln.<br />

Kann man davon ausgehen,<br />

dass orschungsergebnisse auf<br />

diesem Gebiet zunehmend gerade<br />

hier in der Region gefragt<br />

sind?<br />

Ja, mit Sicherheit. Die Sterberate nach<br />

Infarkt ist im Osten höher als im Westen<br />

und die Zahl der Infarkte ist in<br />

Sachsen-Anhalt besonders hoch. Außerdem<br />

zählt <strong>Halle</strong> schon jetzt innerhalb<br />

Deutschlands zu den Städten mit<br />

den meisten älteren Menschen. Derzeit<br />

gehört fast jeder vierte Bürger der<br />

Stadt zu den über 60-Jährigen und diese<br />

Entwicklung setzt sich fort.<br />

An Ihrer Klinik wurde Ende September<br />

<strong>2003</strong> in Zusammenarbeit<br />

mit dem SB 598 eine Tagung<br />

zum Thema „Cardiovascular Ageing:<br />

from Molecular Biology to Clinical<br />

Perspectives“ ausgerichtet.<br />

Gab es neue Aspekte und Anregungen,<br />

die künftig in Ihre Arbeits-<br />

und orschungsvorhaben<br />

einfließen?<br />

Der Erfahrungsaustausch gestaltete<br />

sich sehr erfolgreich, es ergab sich<br />

eine Reihe neuer Kooperationen und<br />

neuer ragestellungen für die künftige<br />

Arbeit. Es wird eine ortsetzung solcher<br />

Tagungen aller zwei Jahre geben.<br />

Auf der Tagung wurde erstmals<br />

der Karl-Ludwig-Schober-Preis<br />

verliehen, welche Verdienste werden<br />

damit gewürdigt? Wann gibt<br />

es künftige Preisverleihungen dieser<br />

Art?<br />

Den Preis erhält ein renommierter<br />

Altersforscher für seine Verdienste. In<br />

diesem Jahr wurde Edward G. Lakatta<br />

aus Baltimore, USA geehrt. Der Preis<br />

soll in Zukunft im Zwei-Jahresrhythmus<br />

jeweils im Rahmen der Tagung verliehen<br />

werden.<br />

Welche weiteren orschungsschwerpunkte<br />

an Ihrer Klinik wären<br />

zu nennen?<br />

Außer der Herzalterung (Behandlung<br />

und Operation) untersuchen wir zum<br />

Beispiel das postoperative Management<br />

von Patienten nach Herz-OP, insbesondere<br />

von Patienten mit SIRS (=<br />

nichtbakterielle Ganzkörperentzündung).<br />

Viele Patienten erleiden im Verlauf<br />

eines Klinikaufenthaltes im Rahmen<br />

einer OP am offenen Herzen eine<br />

mehr oder weniger ausgeprägte Reaktion<br />

des Immunsystems als sogenanntes<br />

SIRS Syndrom.<br />

Darüber hinaus stellt die Analyse und<br />

Behandlung des Bronchialcarcinoms<br />

einen wichtigen orschungsschwerpunkt<br />

dar. Innerhalb der malignen Erkrankungen<br />

stellt das Bronchialcarcinom<br />

die häufigste Todesursache dar.<br />

Die Klinik untersucht hierbei in Zusammenarbeit<br />

mit der Uni-Kinderklinik<br />

(Prof. Burdach) und der irma EOS den<br />

Expressionsstatus des nichtkleinzelligen<br />

Bronchialcarcinoms mittels<br />

DNA-Chip-Technologie. Dabei sollen<br />

vor allem Risikoprofile von Patienten<br />

erarbeitet werden.<br />

Sie wurden unlängst zum Ärztlichen<br />

Direktor des Herzzentrums<br />

Coswig gewählt? Wie lassen sich<br />

Ihre verantwortungsvollen Tätigkeiten<br />

vereinbaren?<br />

Einen Tag pro Woche verbringe ich in<br />

Coswig, außerdem verfüge ich in meinem<br />

halleschen Arbeitszimmer über<br />

eine Video-Konferenzschaltung, mit<br />

deren Hilfe ich mich jederzeit in Bild<br />

und Ton in das Herzzentrum Coswig<br />

einschalten kann, um notwendige Dinge<br />

zu regeln.<br />

Welche Hobbys haben Sie, sofern<br />

dafür überhaupt noch Zeit übrig<br />

bleibt?<br />

Ich laufe sehr gern Ski und wandere in<br />

den Bergen.<br />

Die <strong>Universität</strong>szeitung bedankt<br />

sich für das Interview und wünscht<br />

für die anstehenden Aufgaben<br />

viel Erfolg.<br />

Das Gespräch führte Ute Olbertz.<br />

otos (2): Sandra Butterling<br />

interview<br />

Vorder- und Rückseite der Schober- Medaille.<br />

Professor Karl-Ludwig Schober war in den Jahren<br />

von 1966 bis 1972 Direktor der Klinik für Herzund<br />

Thoraxchirurgie. Er entwickelte 1961/62 die<br />

Herz-Lungen-Maschine und brachte sie 1962 in<br />

der ersten Herz-OP in <strong>Halle</strong> zum Einsatz.

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