Leseprobe

Roland Studer und Giovanni Greco
1 Einleitung
Nichts ist so nachhaltig wie eine Enttäuschung! Diese psychologische Grundwahrheit
trifft auch auf Kunden zu, die in einem Supermarkt vor einem leeren Regal stehen.
Auf zum Supermarkt: Die Vorfreude auf einen gemütlichen Abend mit Freunden ist
groß. Nach der letzten Kochshow im Fernsehen möchte man natürlich das ausgefallene
Gericht des Sternekochs auftischen und benötigt dafür spezielle Zutaten.
Aber dann – gähnende Leere im Regal! Die Enttäuschung ist groß – vielleicht sogar
groß genug, um ab sofort die Einkäufe in einem anderen Supermarkt zu erledigen.
Leider gehören solche Out-of-Stock-Situationen bei Handelsunternehmen zum Alltag.
Allerdings mit teils dramatischen – ungewollten – Folgen: So hat die Studie
AdOSA (Advanced Optimal Shelf Availability) zu Tage gebracht, dass je nach
Warensortiment bis zu 30 Prozent aller Out-of-Stock-Situationen massive Umsatzverluste
nach sich ziehen können, da der Kunde enttäuscht ist und zu einem anderen
Händler wechselt. Was also liegt näher für Handelsunternehmen, als zur Vermeidung
von Out-of-Stock-Situationen den einfachsten Weg zu gehen und durch
einen hohen Sicherheitsbestand einfach ein bisschen mehr, oft sogar viel mehr
Ware als nötig in der Lieferkette zu halten? Mehr Waren in der Lieferkette, schnelle
Reaktion auf aktuelle Bedarfe, keine Out-of-Stock-Situationen, zufriedene Kunden
– so lautet oft die Argumentation der Handelsunternehmen. Einfach ja, aber
auch sehr kostspielig und daher nicht sinnvoll.
Zu hohe Sicherheitsbestände binden Kapital und Lagerkapazität. Moderne Handelsunternehmen
agieren also in einem Spannungsverhältnis. Auf der einen Seite
gilt es, unbedingt Out-of-Stock-Situationen zu vermeiden. Auf der anderen Seite
müssen die Kosten für die Bestandhaltung unter Kontrolle gehalten werden.
Und das, obwohl bereits die Komplexität und der Umfang der Angebotspalette
eine enorme Herausforderung für jedes Handelsunternehmen darstellt. Handelsunternehmen
verfügen meist über mehrere Verteilzentren und einige hundert,
manchmal sogar einige tausend Verkaufsstellen – all das gilt es, in der Lieferkette
zu betreuen. Und was fällt dabei an? Ein Handelsunternehmen mit 1.000 Verkaufsstellen
und 40.000 Artikeln pro Verkaufsstelle muss dazu in der Lage sein, jeden Tag
40 Millionen Regalplätze zu planen und mit Ware zu versorgen. Wohlgemerkt: mit
der richtigen Ware …
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Vom Besteller zum Bewirtschafter
Im Rahmen der AdOSA-Studie hat sich das Projektteam Migros/SAP auf die Untersuchungsbereiche
Out-of-Stock-Messung, Analyse der Ursachen für Out-of-Stocks
und der Analyse des Kundenverhaltens konzentriert.
2 Motivation zur Studie
Ausgehend von einer früheren Out-of-Stock-Studie aus dem Jahre 2004 (vgl. Corsten/Angerer
2004), welche die Migros – ihres Zeichens Nummer 1 im Schweizer
Detailhandel – im östlichen Teil des Landes durchführte, war bekannt, dass sich die
durchschnittliche Out-of-Stock-Quote in den untersuchten Verkaufsstellen bei etwas
mehr als 5 % bewegt. Innerhalb der einzelnen Verkaufsstellen waren jedoch
große Schwankungen festzustellen. Die damalige Studie legte neben der eigentlichen
Out-of-Stock-Messung auch ein Augenmerk auf die Ursachen von Out-of-
Stocks. Was motivierte die Migros also, an einer weiteren Studie teilzunehmen?
Einerseits ist die internationale Beteiligung an der AdOSA-Studie und die Möglichkeit
einer fundierten Ursachenanalyse zu nennen. Andererseits die Erweiterung der
Studie um den Aspekt der Analyse des Kundenverhaltens. Das Kundenverhalten
bei Auftreten von Out-of-Stock-Situationen wurde zwar bereits in anderen Studien
untersucht, die Resultate konnten jedoch nur in eingeschränktem Maße auf die
Migros angewandt werden. Grund dafür ist der unüblich hohe Anteil an Eigenmarken,
welche in den Migros-Verkaufsstellen – und eben nur in Migros-Verkaufsstellen
– angeboten und verkauft werden. So war anzunehmen, dass sich das Kundenverhalten
doch erheblich von dem der Konkurrenz unterscheidet.
3 Empirische Messungen
Die eigentlichen empirischen Out-of-Stock-Messungen wurden in zwei Phasen
durchgeführt, die jeweils eine Woche dauerten. Die erste Phase hatte zum Ziel, eine
Momentaufnahme der Out-of-Stock-Situation in den Migros-Verkaufsstellen zu
erhalten und gleichzeitig sollten die Out-of-Stocks der ersten Messung bereits nach
verschiedenen Kriterien aus Logistik- und Marketingsicht aufgeschlüsselt werden.
Außerdem sollte die erste Messung als Vergleichsbasis für die zweite dienen. Bei
der Auswahl der Verkaufsstellen wurden bewusst verschiedene Einflussfaktoren berücksichtigt,
von denen vermutet wurde, dass sie einen Einfluss auf das Out-of-
Stock-Ergebnis haben. So wurden die Verkaufsstellen beispielsweise nach Größe,
Umsatz oder geografischer Lage unterschieden. Die zweite Phase konzentrierte
sich neben einer weiteren empirischen Messung zusätzlich auf die Erhebung des
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Roland Studer und Giovanni Greco
Backwaren
Kosmetik/
Körperpflege
20
6
35
Trockensortimente
Frische
27
Haushaltsware
8
3
Kurzware
15
6
Molkereiprodukte
Tiefkühl
Abbildung 1: Untersuchte Hauptwarengruppen (Anzahl Produkte)
Kundenfeedbacks und war entsprechend aufwändiger in der Planung sowie Durchführung.
Die genossenschaftlich organisierte Migros führte die empirischen Messungen in
insgesamt 28 Verkaufsstellen in der französisch- und deutschsprachigen Schweiz
durch. Der untersuchte Warenkorb umfasste 120 verschiedene Artikel verteilt über
das gesamte Migros-Supermarktsortiment (siehe Abbildung 1). Schwerpunkte bildeten
dabei die Sortimentsbereiche „Food“ (Dosen/Konserven, Kolonialwaren,
Teigwaren, Süßwaren, Getränke) und „Frische“ (Fleisch, Fisch, Früchte, Gemüse,
Milchprodukte, Eier). Daneben seien auch die 20 untersuchten Artikel aus dem Sortimentsbereich
„Kosmetik/Körperpflege“ erwähnt, welche teilweise als identische
Produkte auch in den andern AdOSA-Teilprojekten untersucht wurden.
Die Out-of-Stock-Erhebungen wurden bei beiden Messungen, die jeweils eine Woche
dauerten, durch vorab geschultes Erhebungspersonal durchgeführt. Bei der ersten
Messung wurden die 28 Verkaufsstellen zweimal täglich, einmal vormittags
und einmal nachmittags besucht und die 120 Produkte wurden auf ihr Vorhandensein
im dafür vorgesehenen Regalplatz überprüft. Falls ein Produkt nicht vorhanden
war, wurde dies auf einer Liste vermerkt, die täglich an das Projektteam übermittelt
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Vom Besteller zum Bewirtschafter
und anschließend ausgewertet wurde. Zusätzlich wurde die Verkaufsstellenleitung
nach dem Grund des Out-of-Stocks befragt. Zu bemerken gilt, dass die erste Messung
halbverdeckt durchgeführt wurde, d. h., lediglich die Verkaufsstellenleitung
war im Detail über das Projekt informiert (siehe hierzu Beitrag Helm/Hegenbart/
Stölzle/Hofer, Kapitel 2.3.1). Die zweite Messung wurde nach demselben Verfahren
durchgeführt, mit dem einzigen Unterschied, dass lediglich einmal täglich gemessen
wurde und zusätzlich das Personal in den Verkaufsstellen über die Untersuchung
informiert wurde. Insgesamt wurden während den zwei einwöchigen Erhebungen
über 60.000 Messpunkte registriert und über 1.200 Kundenbefragungen
durchgeführt.
3.1 Ergebnisse der empirischen Messungen
Die durchschnittliche Out-of-Stock-Quote in den 28 untersuchten Migros-Verkaufsstellen
lag bei relativ guten 4.5 %. Diesen 4.5 % Out-of-Stock gilt es, die aufwändige
Supply-Chain der Migros gegenüberzustellen. So werden die einzelnen Verkaufsstellen
in jedem Sortimentsbereich mehrmals wöchentlich, im Sortimentsbereich
„Frische“ teilweise mehrmals täglich mit Ware beliefert.
Bei genauerer Betrachtung der Untersuchungsresultate zeigen sich deutliche
Unterschiede. So kann beispielsweise eine starke Schwankung der Out-of-Stock-
Quote im Wochenverlauf festgestellt werden (siehe Abbildung 2). Während die
Quote zur Wochenmitte unter 4 % liegt, steigt sie am Freitag und Samstag an und
erreicht am Montag ihren Peak mit durchschnittlich 6 % Out-of-Stock. Die höheren
6.0 %
5.3 %
4.4 %
3.7 % 3.7 %
4.0 %
Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag
Abbildung 2: Out-of-Stock-Quote nach Wochentag (Mittelwert beider Messwochen)
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Roland Studer und Giovanni Greco
7.8 %
6.7 %
6.4 %
5.6 %
5.2 %
5.0 % 4.8 %
4.3 %
4.5 %
4.1 %
6.2 %
4.5 %
Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag
Vormittags
Nachmittags
Abbildung 3: Out-of-Stock-Quote im Tages- und Wochenverlauf (1. Messwoche)
Out-of-Stock-Werte vom Freitag und Samstag lassen sich durch einen größeren
Kundenstrom und damit einhergehend größeren Umsätzen erklären, jedoch nicht
rechtfertigen.
Gerade an Tagen mit hohem Kundenaufkommen sind Umsatzverluste aufgrund von
Out-of-Stocks entsprechend groß. Die hohe Out-of-Stock-Quote von 6 % am Montag
lässt sich mit den großen Abverkäufen vom Samstag und den damit verbundenen
Montagslieferungen erklären. Es konnte außerdem festgestellt werden, dass
10.2 %
6.5 %
5.0 %
5.1 % 5.6 % 4.3 %
5.0 %
5.0 %
4.0 % 4.2 % 3.3 %
1.9 %
3.1 %
2.4 %
2.7 %
1.3 %
V
V
V
V
V
V
V
V
S
1
V
S
2
V
S 3
V
S 4
V
S 5
V
S 6
V
S 7
V
S 8
V
S 9
S 1 0
S 1 1
S 1 2
S 1
3
S 1
4
S 1
5
S 1
6
Abbildung 4: Out-of-Stock-Quote nach Verkaufsstelle (eine Genossenschaft)
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Vom Besteller zum Bewirtschafter
6.4 %
4.4 %
3.5 % 3.7 %
Genossenschaft A
Genossenschaft B
1. OoS-Messung (November 2005) 2. OoS-Messung (Juni 2006)
Abbildung 5: Vergleich der Out-of-Stock-Quoten zwischen der 1. und 2. Messwoche
die Out-of-Stock-Quote am Nachmittag generell höher liegt als am Vormittag (siehe
Abbildung 3). Ausgenommen davon ist wiederum der Montag.
Vergleicht man die einzelnen Verkaufsstellen untereinander, stellt man ebenfalls
deutliche Unterschiede fest (siehe Abbildung 4). So liegen die besten Verkaufsstellen
bei einer durchschnittlichen Out-of-Stock-Quote von unter 2 %, während am anderen
Ende der Skala ein durchschnittlicher Wert von über 8 % erreicht wird. Geht
man nicht vom Mittelwert je Verkaufsstelle aus, sondern betrachtet man die einzelnen
Verkaufsstellen pro Messwoche, so sind die Unterschiede noch gravierender in
den Out-of-Stock-Quoten von 0.8 % bis 11.5 % gemessen worden.
Generell konnte festgestellt werden, dass sich die Out-of-Stock-Quoten der zweiten
Messung gegenüber der ersten empirischen Erhebung deutlich verbessert haben
(siehe Abbildung 5). Als mögliche Ursache für die deutliche Verbesserung kann
die halbverdeckte Erhebung während der ersten Messwoche, respektive die offene
Erhebung während der zweiten Messwoche vermutet werden.
Dies lässt den Rückschluss zu, dass im Wissen um Warenverfügbarkeitskontrollen
den kontrollierten Artikeln eine höhere Beachtung geschenkt wird, indem die Regale
durch das Verkaufspersonal rechtzeitig und vollständig nachgefüllt werden.
Die Out-of-Stock-Quote in der Verkaufsstelle wird also nicht nur durch das korrekte
Funktionieren der vorgelagerten Beschaffungs- und Logistikprozesse bestimmt,
sondern zum großen Teil auch durch die Verkaufsstelle selbst. Die Vermutung liegt
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Roland Studer und Giovanni Greco
außerdem nahe, dass das Management der Verkaufsstelle einen entscheidenden
Einfluss auf die Out-of-Stock-Quote hat. Um diesen Umstand erhärten zu können,
wurden die untersuchten Verkaufsstellen zusätzlich auf die so genannte Verderbsquote
überprüft. Die Verderbsquote beziffert jenen Anteil der belieferten Ware,
welche in erster Linie aufgrund des Verfalldatums nicht mehr verkauft werden kann.
Die beiden Größen Out-of-Stock-Quote und Verderbsquote stehen dabei im
Gegensatz zueinander. Auf der einen Seite versucht ein Verkaufsstellenmanager
die Verderbsquote niedrig zu halten, indem er nicht zu viel Ware disponiert. Auf der
andern Seite will er möglichst Out-of-Stocks in seinen Verkaufsregalen und den damit
einhergehenden Umsatzverlust vermeiden. Es muss angenommen werden,
dass eine tiefe Verderbsquote automatisch zu einer höheren Out-of-Stock-Quote
führt (knapp disponierte Ware), respektive eine tiefe Out-of-Stock-Quote mit einer
tendenziell höheren Verderbsquote einhergeht. Interessanterweise trifft diese Annahme
nicht zu, sondern das Gegenteil. Diejenigen Verkaufsstellen mit den tiefsten
Out-of-Stock-Quoten konnten auch die tiefsten Verderbquoten ausweisen und umgekehrt.
Dies kann als eindeutiges Indiz gewertet werden, dass das Management
der Verkaufsstelle einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe der Out-of-Stock-
Quote hat. Eine mangelhaft gemanagte Verkaufsstelle oder schlecht organisierte
Verkaufsstellenprozesse, beispielsweise im Bereich der Bestandsführung oder im
internen Warenfluss, resultieren direkt in hohen Out-of-Stock-Quoten.
Betrachtet man die untersuchten Warengruppen auf ihre Out-of-Stock-Quote, gilt
die generelle Aussage: Je frischer ein Produkt, desto höher die Out-of-Stock-Quote.
So weisen beispielsweise Backwaren eine 3,5mal höhere Out-of-Stock-Quote
auf, als die Artikel aus dem Food-Sortiment (Konserven, Teigwaren, usw.). Wer will
schon ein Brot kaufen, das gestern bereits im Regal lag? Aus diesem Grund gehen
die Verkaufsstellen bewusst bei einzelnen Brotsorten einen Out-of-Stock gegen Ladenschluss
ein, damit sie die Verderbsquote auf einem tiefen Niveau halten können.
Weiter zeigt sich, dass ein Produkt mit hoher Relevanz eine tiefere Out-of-
Stock-Quote aufweist, als weniger relevante Produkte. So haben in den Migros-
Verkaufsstellen die Milchprodukte (Milch, Joghurt, Käse) eine hohe Relevanz und
werden täglich mehrmals umgeschlagen. Genau diese Artikel weisen jedoch mit
durchschnittlich 1,8 % eine der niedrigsten Out-of-Stock-Quoten auf. Hier lässt sich
ebenfalls vermuten, dass im Wissen eines schnellen Abverkaufs das Verkaufsstellenpersonal
den Produkten entsprechend Beachtung schenkt.
Ausgehend von der Größe der einzelnen Verkaufsstellen gilt die Feststellung: Je
größer die Verkaufsstelle, desto geringer die Out-of-Stock-Quote (siehe Abbildung
6). Dies lässt sich mit der Tatsache erklären, dass in größeren Verkaufsstellen
das Verkaufspersonal „spezialisierter“ ist. Beispielsweise sind mehrere Mitarbeiter
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8.6 %
6.2 %
3.2 %
4.0 %
3.8 %
4.4 %
qm = 2.500 2‘500 m 3 3 1.000 1‘000 m 3 < qm < 2‘500 2.500 3
m 3 qm = 1.000 1‘000 m 33
Genossenschaft A A
Genossenschaft B B
Abbildung 6: Out-of-Stock-Quote nach Verkaufsstellengröße
nur für den Food-Bereich zuständig, während in kleineren Verkaufsstellen das Personal
in verschiedenen Sortimentsbereichen eingesetzt wird und so das Bewusstsein
für den einzelnen Bereich geringer ist.
Die Untersuchung zeigt auch, dass saisonale Artikel tendenziell eher von Out-of-
Stocks betroffen sind als Artikel mit einer ganzjährigen Kernlistung. Dasselbe gilt
für Aktionsartikel, auch diese haben eine höhere Anfälligkeit für Out-of-Stocks. In
beiden Fällen ist die Ursache für die schlechtere Warenverfügbarkeit im schwierig
vorhersehbaren Abverkauf der Ware zu finden. Gerade bei Aktionsartikeln wiegt
die Nichtverfügbarkeit besonders schwer, da sie normalerweise speziell beworben
werden und bei einer Nichtverfügbarkeit nicht nur Umsatz-, sondern auch Kundenverluste
drohen.
3.2 Ursachenanalyse (Root-Cause-Analysis)
Beim Auftreten eines Out-of-Stock musste das Befragungspersonal selbiges auf einer
Liste vermerken und gleichzeitig den Zeitpunkt festhalten. Außerdem waren sie
gebeten, mit dem Verkaufsstellenverantwortlichen eine erste Grobabklärung vorzunehmen,
um herauszufinden, weshalb der Artikel nicht verfügbar war. Sofern die
Out-of-Stock-Ursache nicht der Verkaufsstelle zugeordnet werden konnte, wurden
weitere Abklärungen entlang der gesamten Supply-Chain angestellt, um den
Grund des Out-of-Stock zu ergründen.
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Roland Studer und Giovanni Greco
Marketing
Vorgelagerte Logistik
Die 23.6 % Out-of-Stock-Fälle im physischen Warenhandling sind insofern erschreckend,
als dass die vorgelagerten Prozesse bereits ausgeführt wurden. Das heißt,
die Ware wurde mit großem Aufwand in die Verkaufsstelle befördert, allerdings
nicht bis ins Regal, wo der Kunde sie kaufen kann, sondern sie liegt irgendwo zwischen
Anlieferrampe und Verkaufsfläche. Die Ware wurde also ans Zentral- oder
Regionallager geliefert, dort gelagert, kommissioniert und anschließend zur Verkaufsstelle
transportiert, wo sie dann auf den letzten 50 Metern liegen blieb. Als
häufigster Grund für das Auftreten von Out-of-Stocks im physischen Warenhandling
der Verkaufsstellen wird genannt, dass „die Artikel in der Verkaufsstelle nicht
auffindbar waren“ und deshalb nicht nachgefüllt werden konnten. Die Artikel wa-
Verkaufsstelle
(89 %)
76 %
24 %
Bewirtschaftungsprozesse
Physisches Warenhandling
(Verkaufsstelle)
Abbildung 7: Hauptursachen für Out-of-Stocks
Eine grobe Clusterung der verschiedenen Ursachen zeigt, dass 89 % der Out-of-
Stocks ihren Ursprung in den Verkaufsstellen haben (siehe Abbildung 7). Die in den
vorgelagerten Marketing- und Logistikprozessen verursachten Out-of-Stocks spielen
eine untergeordnete Rolle.
Wenn man den Blick etwas genauer auf die 89 % Out-of-Stock in den Verkaufsstellen
richtet, stellt man fest, dass 76.4 % der Out-of-Stock-Fälle auf fehlerhafte Bewirtschaftungsprozesse
und 23.6 % auf ein mangelhaftes physisches Warenhandling
in der Verkaufsstelle zurückzuführen sind.
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Vom Besteller zum Bewirtschafter
ren also nachweislich in der Verkaufsstelle, wurden aber zum Zeitpunkt des Auffüllens
nicht gefunden, was dann zum Out-of-Stock führte. Als zweithäufigster Grund
wird die „fehlende Zeit für das Befüllen der Regale“ genannt. Dies ist insofern erstaunlich,
als dass die Migros weiß, dass 52 % der in den Verkaufsstellen aufgewendeten
Stunden in der internen Logistik anfallen. 44 % der Stunden werden im
Verkauf aufgewendet, weitere 4 % für die Bestandsführung und das Absetzen von
Bestellungen. Innerhalb der internen Logistik fällt die Regalbefüllung als größter
Aufwandblock ins Auge. Umgerechnet auf 100 geleistete Stunden werden 35 Stunden
für die Befüllung der Regale aufgewendet und trotzdem hatte das Verkaufspersonal
keine Zeit, die Verkaufsregale rechtzeitig aufzufüllen. Hier wird also ein
großer Aufwand für das Befüllen der Verkaufsregale betrieben und trotzdem können
Out-of-Stocks nicht ausgeschlossen werden.
Innerhalb der Verkaufsstelle tragen mangelhafte Bewirtschaftungsprozesse mit
76.4 % zu Out-of-Stock-Situationen bei, wobei hier als Hauptgründe eine Fehlprognose
des Abverkaufes und das bewusste Auslisten von Artikeln genannt werden.
Über 40 % der in den Verkaufsstellen verursachten Out-of-Stocks werden
durch Fehlprognosen verursacht. Diese Fehlprognosen können unterschiedliche
Ursachen haben. Einerseits können sie durch ungenaue Bestandsführung verursacht
werden. Es gilt zu erwähnen, dass die Migros mit automatischen Nachschubsystemen
arbeitet, für welche eine korrekte Bestandsführung essentiell ist, denn
nur so kann ein korrekter Nachschub berechnet und die Verkaufsstelle mit der benötigten
Ware versorgt werden. Auf der andern Seite können die Fehlprognosen
durch falsch eingestellte Soll-/Meldebestände hervorgerufen werden, so dass der
Nachschub zu spät oder nicht in der benötigten Menge ausgelöst wird. Dies wiederum
führt oftmals zu manuellen Bestelleingriffen und Korrekturen am automatischen
Bestellvorschlag. Von Fehlprognosen sind oftmals auch saisonale Artikel und
Aktionsartikel betroffen. Hier kann nachvollzogen werden, dass eine exakte Mengenplanung
schwieriger ist, als beim Standardsortiment.
Die Platzverhältnisse in den Verkaufsstellen regen immer wieder zu Diskussionen
an. Auf der einen Seite soll der Kunde ein möglichst breites und tiefes Sortiment
vorfinden, auf der andern Seite soll er nicht durch Unübersichtlichkeit und schmale
Produktplatzierung im Regal am Einkaufen gehindert werden. Insbesondere in kleinen
Verkaufsstellen mit engen Platzverhältnissen öffnet sich die Schere zwischen
Kundenanforderungen an ein breites Sortiment und einer ansprechenden Platzierung
der einzelnen Artikel im Regal. Erschwerend kommt hinzu, dass die Verkaufsstellen
nicht direkt über die Zusammenstellung der Sortimente bestimmen können,
so dass sie unter Umständen mit Artikeln beliefert werden, welche aus Sicht des Filialmanagers
nicht verkauft werden können. Der Filialmanager sieht sich dann ge-
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