47. und 48. Volksschule Chausseestraße - Britzer Bürgerverein
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Aus Heimat <strong>und</strong> Welt Seite 7<br />
XO<br />
Die Schulleitung fand, 80 Jahre,<br />
das sei ein Gr<strong>und</strong> zum Feiern! - In<br />
einer dementsprechenden Anzeige<br />
im „Neuköllner Spiegel" sprachen<br />
sie ehemalige Schüler <strong>und</strong><br />
Schülerinnen daraufhin an; leider<br />
mit sehr geringem Erfolg, mußten<br />
wir bei unserem Erscheinen am 3.<br />
Juni 1992 zum gemütlichen<br />
Plausch bei Kaffee <strong>und</strong> Kuchen<br />
feststellen. Sehr schade für die<br />
„Ehemaligen", die sich vielleicht<br />
nicht so recht getraut haben. Wir<br />
hatten jedenfalls ein paar sehr<br />
schöne St<strong>und</strong>en, bei netten, interessanten<br />
Gesprächen, Kaffee, Tee,<br />
Kuchen, div. Säften <strong>und</strong> Likör!<br />
Und nicht zu vergessen, ein R<strong>und</strong>gang<br />
durch unsere alte Schule <strong>und</strong><br />
den von uns so geliebten, leider<br />
sehr veränderten Schulgarten.<br />
Unsere gute, alte Schule ist, wie<br />
wir feststellen konnten, jung<br />
geblieben. Trotz der schlimmen<br />
Zeiten, die auch bei ihr Spuren<br />
hinterlassen haben. So hat sie im<br />
zweiten Weltkrieg, durch Bombeneinwirkung,<br />
den schönen<br />
Uhrenturm mit der Aussichtsplattform<br />
eingebüßt. Leider ist er<br />
bis heute nicht wieder neu errichtet<br />
worden. Wir jedenfalls, das<br />
waren 9 ehemalige Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler der Klasse von Frl.<br />
Höger, Schulentlassung 1940,<br />
möchten uns beim Schulleiter,<br />
Herrn Schwenke, der „Anna-<br />
Siemsen-Oberschule", wie sie<br />
jetzt heißt, sowie Herrn Rogler<br />
<strong>und</strong> den Damen des Lehrer-Kollegiums<br />
sehr herzlich bedanken<br />
für die netten St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> die<br />
viele Mühe, die sich die Damen<br />
gemacht haben. Wir versichern<br />
ihnen, beim nächsten Treffen sind<br />
wir bestimmt auch wieder dabei.<br />
Ebenso ein großes Dankeschön an<br />
Frau Grete Kuchel-Kolbe (Jahrgang<br />
1907) für das schöne Gedicht<br />
auf die ehemalige „Gemeindeschule<br />
von Britz". Sie hat das<br />
Gedicht mit so viel Begeisterung<br />
vorgetragen, daß sie für ihren<br />
Vortrag viel Beifall erhielt. Auch<br />
ihre Erzählungen aus ihrer Schulzeit<br />
waren sehr interessant. Auch<br />
sie ist, trotz ihrer 85 Jahre, jung<br />
geblieben, genau wie ihre ehemalige<br />
Schule.<br />
K K<br />
Zur Feier am 3. Juni 1992 des 80jährigen Bestehens<br />
unseres Schulhauses in Britz, <strong>Britzer</strong> Damm<br />
Noch in der Kaiserzeit, im Jahre 1912,<br />
wurde unser Schulhaus gebaut <strong>und</strong><br />
damals im kleinen Dorf Britz als Prachtbau<br />
angeschaut. 2 Schulen, eine Knaben<strong>und</strong><br />
eine Mädchenschule, zogen ein mit<br />
getrennten Eingängen, es durfte keine<br />
Kindervermischung sein. Auf dem Pausenhof<br />
liefen wir Kinder in 2 Kreise mit<br />
dem Lehrer in der Mitte in getrenntgeordneter<br />
Weise. Ostern 1914 standen<br />
wir Schulanfänger hoffnungsvoll vor der<br />
Tür, was würden wir wohl erwarten hier?<br />
Ich konnte zum 1. Schul tag nicht kommen.<br />
Meine Eltern hatten sich eine Reise<br />
nach Thüringen vorgenommen. Dort<br />
fand eine große Bauernhochzeit statt, zu<br />
der meine Tante alle Verwandte eingeladen<br />
hatte. Meine Mutter hatte mir 3 Tänze<br />
beigebracht: Polka, Walzer <strong>und</strong> Rheinländer,<br />
mit Bedacht. Die Tanzschritte hatte<br />
ich gelernt, schon nach der Musik unseres<br />
blankgeputzten Trichtergrammophon.<br />
Damals gab es kein Radio, kein<br />
Fernseher mit verschiedenen Sachen. Wir<br />
legten eine Platte auf, kurbelten, nur so<br />
konnten wir Musik machen. Meine Mutter<br />
hatte mir ein weißes Spitzenkleid<br />
genäht.<br />
Zur Feier tanzte ich allein <strong>und</strong> mit den<br />
Großen bis spätabends. Die große Schultüte<br />
bekam ich im Zug, wir fuhren heim.<br />
Es sollte mein erstes schönstes Reiseerlebnis<br />
sein!<br />
So aufregend, wie das Jahr 1914 begann,<br />
ging es nicht weiter, im August fing der<br />
l. Weltkrieg an. Unser Rektor, Herr Schröder,<br />
hatte ein schweres Schicksal zu überwinden.<br />
Er verlor seine Frau durch Tod<br />
<strong>und</strong> 2 Söhne im Kriegsgeschehen. So wollte<br />
er in der Schule Zucht <strong>und</strong> Ordnung<br />
erreichen, die wir im Flur durch sein<br />
Rohrstöckchen begleichen mußten.<br />
Wir wußten nichts von seinem Schicksal,<br />
konnten nichts begreifen, doch mußten<br />
wir die Stockschläge <strong>und</strong> Backpfeifen<br />
erleiden. Für uns Schulanfänger waren es<br />
keine großen Vergehen, darum konnten<br />
wir seine Wut überhaupt nicht verstehen.<br />
Viele Lehrer waren zum Krieg eingezogen,<br />
es gab Sorgen <strong>und</strong> sie wußten oft<br />
nicht, was gibs Neues morgen.<br />
Zur Gesangsst<strong>und</strong>e mußten 3 Klassen in<br />
die Aula hinein. Das schaffte Rektor<br />
Schröder als Lehrer ganz allein! In die<br />
schöne neue Turnhalle stapelte man sehr<br />
viele Mehlsäcke. Wir mußten also in der<br />
Turnst<strong>und</strong>e draußen Völkerball spielen.<br />
Die Schule in der Hannemannstraße wurde<br />
mit Soldaten besetzt <strong>und</strong> alle Schüler<br />
in unsere Schule versetzt. In unsere<br />
getrennte Mädchen- <strong>und</strong> Knabenschule<br />
hinein kamen nun Mädchen <strong>und</strong> Knaben,<br />
in die Bänke zu Dreien. Das hat für unsere<br />
Schule Probleme gebracht, an die<br />
früher noch keiner so recht gedacht hat.<br />
Im Jahr 1918 war der Weltkrieg endlich<br />
aus! Wir freuten uns, daß unsere Väter<br />
wieder nach Hause kamen. Unser beliebtester<br />
Lehrer, Herr Probst, als Rosenzüchter<br />
bekannt, wurde allgemein der<br />
„Rosenvater von Britz" genannt. Er hat<br />
uns nicht vom Katheder aus Fragen von<br />
Kriegssiegen gestellt. Er saß dicht bei uns,<br />
erzählte von fremden Völkern der weiten<br />
Welt.<br />
Nach dem 2. Weltkrieg ist er Rektor der<br />
Schule geworden. Als vorbildlicher Lehrer<br />
hätte er einen Ordnen verdient! Frl.<br />
Trunk <strong>und</strong> Frl. Löbner waren beliebte<br />
Lehrerinnen, bei denen wir manche frohe<br />
St<strong>und</strong>e gewinnen konnten. Als sie uns in<br />
lockerer Form nach 8 Jahren Schulzeit verließen,<br />
konnten wir aus der Oberklasse<br />
unseren Abgang genießen!<br />
Im 2. Weltkrieg war in der Schule nichts<br />
Wesentliches geschehen. Die Stabilität<br />
des Baues konnte dem Bombenhagel<br />
widerstehen.<br />
Ich wünsche dieser, unserer Schule viel<br />
Glück, gutes Fortbestehen als Anna-Siemsen-Schule<br />
im neuzeitlichen Schulgeschehen!!!<br />
Von Margarete Küchel, geb. 9. W. 1907,<br />
früher Grete Kolbe <strong>und</strong> dann Wegner.