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Praktikumsbericht Tianjin - BayCHINA

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Überblick<br />

In habe in <strong>Tianjin</strong> ein sechs-monatiges Praktikum bei einem deutschen<br />

Elektrokonzern absolviert. Mein Tätigkeitsbereich war "Lean Thinking", also die<br />

Optimierung der Produktionsprozesse nach dem allgemein bekannten Model von<br />

Toyota. Meine Arbeit fand fast vollständig auf Chinesisch statt, ich hatte während<br />

der sechs Monate Gelegenheit, ein eigenes Projekt durchzuführen und mich<br />

intensiv mit dem Alltag in einer chinesischen Firma vertraut zu machen. Die Stadt<br />

<strong>Tianjin</strong> liegt 120km südwestlich von Peking, mit 10 Millionen Einwohnern ist sie<br />

die sechstgrößte Stadt Chinas. Die jüngere Geschichte der Stadt ist in vielen<br />

erhaltenen Kollonialbauten zu sehen, wirtschaftlich spielen der große Hafen und<br />

der Finanzsektor eine entscheidende Rolle. Aufgrund der geringen Zahl<br />

deutscher Firmen ist <strong>Tianjin</strong> kein häufiger Ort für Praktika, trotzdem jedoch sehr<br />

zu empfehlen.<br />

-Einleitung<br />

-Der Weg zum Praktikum<br />

-Organisation und Anreise<br />

-Wohnen<br />

-Praktikumsstelle<br />

-<strong>Tianjin</strong><br />

-Leben in China<br />

-Fazit<br />

-Tips für künftige Stipendiaten<br />

Einleitung:<br />

Leben und arbeiten in China, das Alltagsleben in einer der am schnellsten<br />

wachsenden Volkswirtschaften der Welt selbst erleben und nebenbei erste<br />

Arbeitserfahrung sammeln. Mit dieser Motivation ging ich gegen Ende meines<br />

Bachelorstudiums auf die Reise. Mein Ziel war <strong>Tianjin</strong>, mein Arbeitsgebiet das<br />

Prozessmanagement in einer großen Fabrik. Dies war keineswegs meine erste<br />

China Reise, schon als Schüler war ich für ein Jahr im Land und habe damals<br />

auch die Sprache gelernt. Nun aber sollte ich zum ersten mal „auf<br />

Chinesisch“ arbeiten, sowohl was die Arbeitssprache anging, als auch das<br />

Arbeitsumfeld.<br />

Der Weg zum Praktikum:<br />

Ich studiere Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Erlangen-Nürnberg.<br />

Ursprünglich wollte ich bereits während des Bachelorstudiums ins Ausland<br />

gehen, aber wie bei so vielen war der Studenplan derart eng gepackt, dass sich<br />

nie eine passende Gelegenheit ergab. Also habe ich die Übergangsphase<br />

zwischen Bachelor und Master ins Auge gefasst und mich ans Werk gemacht.<br />

Nach aufwendiger Adressrecherche im Internet habe ich dutzende (ebenso<br />

aufwendige, englische) Bewerbungsemails an verschiedenste deutsche Firmen


in China geschickt. Das Ergebnis dieser Initiativebewerbungen war gleich null.<br />

Dass ich doch noch nach China gefahren bin, habe ich letzlich einem glücklichen<br />

Zufall und einem äußerst hilfsbereiten Professor meiner Universität zu verdanken.<br />

Dieser hatte während einer Kommissionsitzung eher beiläufig mitgehört, dass ich<br />

gerne nach China gehen würde und mir seine Unterstützung angeboten. So ging<br />

mein Lebenslauf mit Empfehlung zur Zentrale eines deutschen Elektrokonzerns<br />

in Peking. Nach einigen Wochen kam ein Anruf aus <strong>Tianjin</strong>, man gab mir die<br />

Handynummer meiner zukünftigen Chefin und so fand das Vorstellungsgespräch<br />

fünf Minuten später sehr spontan am Handy statt. Alles lief gut und ich hatte<br />

meine Praktikumsstelle in China. Hilfreich war dabei neben dem guten Kontakt<br />

sicher auch die Tatsache, dass ich bereits als Werkstudent für die selbe Firma<br />

tätig war und so mit Produkten und Abläufen bereits gut vertraut war. Im weiteren<br />

Verlauf hielt ich regelmäßig Email-Kontakt mit China und traf auch schon einen<br />

meiner zukünftigen Kollegen, der gerade auf Dienstreise in Deutschland war.<br />

Organisation und Anreise:<br />

Neben den Formalitäten in Deutschland (Untermieter suchen, diverse Verträge<br />

aussetzen, etc.) waren vor allem drei Dinge zu erledigen, dies waren der Flug,<br />

die Krankenversicherung und das Visum. Nachdem die nötigen Unterlagen<br />

beisammen waren, habe ich über eine Agentur ein Business Visum (F-Visa) mit<br />

Gültigkeit drei Monate besorgen lassen. Anschließend, nachdem anhand des<br />

Visums das frühest mögliche Einreisedatum feststand, habe ich einen Flug<br />

München-Beijing bei einem der großen Golf Carrier gebucht (und war damit im<br />

Nachhinein sehr zufrieden). Mit einem Langzeit Auslandsreisekrankenschutz war<br />

meine Vorbereitung dann komplett.<br />

Die Anreise verlief problemlos, nach einem Zwischenstop in Dubai ging es zum<br />

Capital Airport in Beijing, von dort mit dem Airport Express Train in die Stadt,<br />

mitten im Berufsverkehr durch verschiedene Pekinger U-Bahn Linien und<br />

schließlich per ICE in 40 Minuten von Beijing nach <strong>Tianjin</strong>. Am dortigen Bahnhof<br />

angekommen empfing mich ein Mitarbeiter der Immobilienagentur und brachte<br />

mich zu meiner neuen Wohnung.<br />

Wohnen:<br />

Die Wohnung wurde von der Firma organisiert und auch bezahlt. Ich hatte um<br />

eine Wohnung in der Nähe einer Universität gebeten, um leichter Freunde zu<br />

finden und evtl. Einrichtungen wie Mensa oder Bibliothek mitzubenutzen. So fand<br />

ich bei meiner Ankunft also eine typische chinesische Ein-Zimmer Wohnung vor,<br />

etwa 40m², Wohnküche, verglaster Balkon, Schlafzimmer mit Doppelbett. Meine<br />

Wohnung war frisch renoviert, mit schönem Bad (westliches WC), alles in allem<br />

also ein hervorragendes Domizil. Die Wohnung lag auf dem Campus der Nankai<br />

Universität, einer der angesehensten Unis in China und der „besten“ in <strong>Tianjin</strong>.<br />

Obwohl mir nun der reine Name herzlich egal sein konnte, sollten sich doch die<br />

vielen Einrichtungen der Universtät in direkter Nähe als sehr nützlich erweisen.


Die Miete für die Wohnung lag bei 3000 Yuan pro Monat incl. Nebenkosten und<br />

Breitbandinternet. Dies ist im Vergleich zu den sonst üblichen Mietpreisen stark<br />

überteuert, normal sind ca. 1700 Yuan. Die Kollegen haben den hohen Preis bei<br />

der Anmietung in Kauf genommen, weil sich nur sehr schwer ein Vermieter<br />

finden ließ, der bereit war die Immobiliensteuer für das halbe Jahr zu zahlen.<br />

Normalerweise wird bei Privatvermietungen in China die Steuer einfach<br />

weggelassen, für die Registrierung bei der Ausländerbehörde und für die<br />

Kostenabrechnung der Firma waren die entsprechenden Belege aber erforderlich.<br />

Vor meiner Ankunft hatte ich ursprünglich um ein Zimmer in einer WG gebeten,<br />

in der Annahme ich könnte auf diese Weise mein Chinesisch verbessern und<br />

schnell Leute kennen lernen. Nach einiger Zeit vor Ort habe ich mittlerweile aber<br />

festgestellt, dass es WG’s wie in Deutschland in China eigentlich nicht gibt.<br />

Studenten wohnen zu 95% in den Wohnheimen der Unis. Wenn es WG’s gibt,<br />

dann wohnen drei bis vier Leute in einer ein Zimmer Wohnung, bzw.<br />

wohlhabende Studenten mieten sich allein eine Wohnung. Nachdem ich also<br />

meine Wohnung bezogen hatte, waren noch einige Dinge zu besorgen<br />

(Bettdecke, Geschirr, Fahrrad), dann war ich startklar und das Praktikum konnte<br />

beginnen.<br />

Praktikumsstelle:<br />

Die Fabrik in der ich mein Praktikum absolvierte ist ein Joint Venture mit<br />

deutscher Mehrheitsbeteiligung. Hauptprodukte sind Elektromotoren für die<br />

Industrie, für Hochgeschwindigkeitszüge und Generatoren für Windkraftwerke<br />

sowie jeweils die entsprechenden Steuerungsgeräte. Die Firma hat 1700<br />

Mitarbeiter und ca. 30.000m² Produktionsfläche, ist damit eine der größeren<br />

Fabriken in <strong>Tianjin</strong>. Mein Abteilung war für Prozessmanagement, insbesondere<br />

für die Einführung von „Lean“ verantwortlich. Lean bezeichnet eine<br />

Produktionsphilosophie, die ursprünglich vom japanischen Autobauer Toyota<br />

entwickelt wurde. In konventionellen Fabriken werden gewöhnlich große Mengen<br />

eines Produktes auf Vorrat gebaut, bevor die Maschinen umgerüstet und das<br />

nächste Produkt hergestellt wird. Der Lean Ansatz versucht, die Produktion<br />

flexibler zu machen indem die Fertigungsschritte sich untereinander selbst<br />

steuern und immer nur genau soviel produzieren, wie gerade gebraucht wird. Um<br />

diese flexiblere Fertigungsorganisation zu erreichen sind viele kleine Schritte<br />

nötig, in enger Kooperation mit den Arbeitern in der Fertigung. Meine zehn<br />

Kollegen waren dafür zuständig, diese kleinen Schritte im Rahmen<br />

entsprechender Projekte umzusetzen. Ich war von anfang an voll in die Arbeit<br />

der Abteilung eingebunden, die beinhaltete Meetings, regelmäßige<br />

Fabrikrundgänge, die Teilnahme an Schulungen, aber auch die Gestaltung der<br />

abteilungseigenen „Lean“ Zeitschrift. Alle meine Kollegen waren Chinesen,<br />

entsprechend fand auch die Kommunikation und ein Großteil meiner Arbeit auf<br />

Chinesisch statt. Am Anfang war es mühsam, den entsprechenden Wortschatz<br />

an technischem Chinesisch aufzubauen, aber letzendlich ist es genau dieser<br />

technische Wortschatz, den man eben in keinem Sprachkurs an der Uni lernen<br />

kann (zumindest noch nicht). Sehr bald übernahm ich auch mein eigenes Projekt,


die Ausweitung des Lean Ansatzes von der Fertigung hin zu den administrativen<br />

Prozessen. In einem ersten Schritt habe ich so für die firmeninternen Laufwerke<br />

eine einheitliche Ablagestruktur definiert und in Zusammenarbeit mit den<br />

Kollegen flächendeckend eingeführt. Weiterhin habe ich an der langfristigen<br />

Strategie für Lean im Office Bereich mitgearbeitet. Neben diesen beiden großen<br />

Projekten war ich häufig bei Meetings anwesend um die Perspektive „von<br />

außen“ mit einzubringen und habe natürlich regelmäßig Übersetzungen<br />

zwischen Deutsch, Englisch und Chinesisch gemacht. Meine Arbeitsauslastung<br />

war relativ hoch, aber die Arbeitsatmosphäre war sehr entspannt. Meine<br />

Kollegen waren alle sehr nett, mit einem großen Interesse an Deutschland und<br />

der Welt, dementsprechend hatten wir auch für das gemeinsame Mittagessen in<br />

der Kantine immer mehr als genug Gesprächsstoff. Auch außerhalb der<br />

Arbeitszeiten haben wir regelmäßig etwas unternommen, waren Karaoke singen<br />

oder gemeinsam essen. Allgemein war der Umgang innerhalb der Firma sehr<br />

familiär, eine ganz andere (und sehr positive) Erfahrung im Vergleich zu<br />

Deutschland. Ein typischer Arbeitstag began um 7:30 mit der Fahrt im Firmenbus<br />

Richtung Fabrik. Nach einer halben Stunde im Stau, kam ich etwa um 8 Uhr im<br />

Büro an, um 12:00 gingen wir gemeinsam in der Kantine Mittag essen<br />

(chinesische Küche vom Buffet, im Lohn inklusive). Der Nachmittag ging bis<br />

Punkt 16:55 Uhr, dann beendeten alle schlagartig ihre Arbeit, um pünktlich um<br />

17 Uhr den Bus nach Hause zu nehmen. Überstunden waren dementsprechend<br />

ausgeschlossen, obwohl viele der Kollegen dann durchaus auch am<br />

Wochenende arbeiten. Zusammenfassend hatte ich mit meiner Praktikumsstelle<br />

sehr großes Glück, mit tollen Kollegen, komplett auf Chinesisch und in einem<br />

Bereich der sich optimal mit meinem Studium deckt.<br />

<strong>Tianjin</strong>:<br />

<strong>Tianjin</strong> zählt aktuell 10 Millionen Einwohner und ist damit die sechstgrößte Stadt<br />

Chinas. 120 km östlich von Peking gelegen, ist <strong>Tianjin</strong> so etwas wie die<br />

gemütliche Version der Hauptstadt. Natürlich muss man bei Attraktionen und<br />

Nachtleben einige Kompromisse eingehen, aber dafür lockt <strong>Tianjin</strong> mit schönen<br />

alten Kolonialbauten, sehr netten Menschen und wesentlich weniger Verkehr als<br />

Peking. Außerdem ist man mit dem neuen Hochgeschwindigkeitszug bei Bedarf<br />

auch in 40 Minuten im echten Peking. Das Klima ist hier im Winter sehr trocken<br />

bei minimal ca. -10C, im Sommer wird es schwül und bis zu 35C warm. Die<br />

Luftverschmutzung ist leider auch hier ein sehr großes Problem, der Himmel ist<br />

die meiste Zeit grau und Sport im Freien ist nicht empfehlenswert. Zum Wohnen<br />

empfiehlt sich die Gegend um die beiden großen Universitäten (Nankai<br />

University und <strong>Tianjin</strong> University), hier wohnt man nahe an der Innenstadt und<br />

dennoch relativ ruhig, mit dem sehr empfehlenswerten Wasserpark in direkter<br />

Nähe. Auch die meisten der bei ausländischen Studenten beliebten Bars und<br />

Clubs liegen in dieser Gegend. Viele der großen Firmen sitzen allerdings weit<br />

außerhalb der Stadt, im Industriegebiet Teda, hier fährt man entweder jeden<br />

Morgen lange mit dem Bus oder sucht sich gleich dort eine Wohnung.


Leben in <strong>Tianjin</strong>:<br />

Prinzipiell kann man in China mittlerweile wirklich alles kaufen, der<br />

Lebensstandard hier unterscheidet sich also nicht wesentlich von dem in<br />

Deutschland. Natürlich gilt, dass man am besten nach dem Sprichwort „When in<br />

Rome, do as the Romans do.“ vorgeht, so wird man wesentlich mehr vom echten<br />

Leben der Leute hier mitbekommen. Die Stadt ist relativ sicher, mit Bussen und<br />

drei U-Bahn Linien kommt man schnell überall hin. Ein großes Problem sind die<br />

täglichen Staus morgens, abends und an Wochenenden. Wichtig ist, das man<br />

sich nach der Ankunft bei der Polizei registriet und mit dem richtigen Visum<br />

unterwegs ist. Mit Englisch kommt man im Alltag nicht sehr weit, aber mit<br />

Händen und Füßen und einer Adresse auf Chinesisch schafft man es in der<br />

Regel ans Ziel. Die Menschen sind hier westlichen Ausländern gegenüber sehr<br />

hilfsbereit.<br />

Fazit:<br />

Ich habe meinen sechsmonatigen Aufenthalt sehr genossen, habe viel neues<br />

gelernt und viele neue Freunde gewonnen. Hätte ich noch einmal die Wahl,<br />

würde ich mich ohne zu Zögern wieder für ein Praktikum in China entscheiden.<br />

Auch <strong>Tianjin</strong> hat mir sehr gut gefallen, aufgrund der starken Luftverschmutzung<br />

in Nordchina würde ich für meinen nächsten Aufenthalt jedoch eher eine Stadt im<br />

Süden, z.B. Xiamen oder Shenzhen wählen.<br />

Tips für künftige Stipendiaten:<br />

Im Folgenden fasse ich einige Anlaufstellen zusammen, die meiner Meinung<br />

nach für Neuankömmlinge interessant sein können:<br />

Wohnen:<br />

- z.B. in der Nähe der Nankai University oder beim Olympic Center<br />

Kontakte:<br />

- sehr aktive Gruppe der website couchsurfing.com in <strong>Tianjin</strong><br />

- Helen’s Bar und Spot Café als Treffpunkt für ausländische Studenten der nahen<br />

Unis<br />

- monatliches deutsches Get-together der AHK im Drei-Kronen Brauhaus<br />

Einkaufen:<br />

-mehrere Carrefour und E-Mart Supermärkte<br />

-BinJiangDao als zentrale Einkaufsmeile mit allen großen Marken<br />

-DaHuTong, rießiger Basar für verschiedenste Dinge<br />

-Isetan Supermarkt für große Auswahl an Import Produkten<br />

-ein großes schwedisches Möbelhaus in der Nähe des Flughafens<br />

Sport:<br />

-Hallenbäder u.a. an den beiden großen Unis (Nankai und <strong>Tianjin</strong> Uni.)


-ausländisches Fußballteam mit wöchentlichem Training<br />

Sightseeing:<br />

-Uferpromenade des Haihe Rivers bei Nacht<br />

-Wasserpark und Fernsehturm<br />

-Drum Tower und Ancient Culture Street im Stadtzentrum<br />

-Italian Style Town, ehem. italienisches Kolonialgebiet, schön renoviert

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