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Erfahrungsbericht Peking Beihang - BayCHINA

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Beijing University of Aeronautics & Astronautics<br />

<strong>Erfahrungsbericht</strong><br />

In den folgenden Seiten möchte ich über meinen interessanten und aufregenden<br />

Studienaufenthalt, mein Leben und meine vielfältigen Erfahrungen in einer der größten Städte<br />

der Welt berichten: Der chinesischen Millionen-Metropole <strong>Peking</strong>.<br />

1. Überblick zum Studium an der Gasthochschule<br />

Gasthochschule Beijing University of Aeronautics and<br />

Astronautics – <strong>Beihang</strong> University<br />

Internationaler Webauftritt http://ev.buaa.edu.cn/<br />

Studienfach Electronic Engineering<br />

Stadt, Land <strong>Peking</strong>, Volksrepublik China<br />

Absolvierte Semester 1<br />

Zeitraum 12.09.2012 – 10.02.2013<br />

Kursniveau Master<br />

Unterrichtssprache Englisch<br />

Absolvierte Kurse Computer Communication Networks<br />

Object Oriented Programming (Java)<br />

Micro Computer Theory and Application<br />

Software Engineering<br />

Digital Image and Video Processing<br />

Chinese (Level I)<br />

1


2. Motivation<br />

Schon während der Anfangssemester meines Bachelorstudiums spielte ich häufig mit dem<br />

Gedanken, ein Semester im Ausland zu studieren. Mir war es zum einen wichtig, neben der<br />

regulären naturwissenschaftlichen Ausbildung auch weitere Sprachkenntnisse sowie in der<br />

heutigen globalisierten Welt immer wichtiger werdende „interkulturelle Kompetenzen“ zu<br />

erwerben. Zum anderen stand natürlich auch das große Interesse am Leben und Studieren in<br />

einem anderen Land im Vordergrund.<br />

Der enorme wirtschaftliche Aufschwung des Landes, die sprachlichen Herausforderungen, die<br />

wachsende Bedeutung des chinesische Marktes für deutsche Firmen sowie nicht zuletzt die<br />

von Grund auf verschiedene Kultur waren ein großer Anreiz, mein persönliches<br />

Auslandssemester in der Volksrepublik China zu verbringen. Das Land ist Exportweltmeister<br />

und löste dieses Jahr auch erstmals die USA als größte Handelsnation ab. Im Vergleich zu<br />

anderen westlichen Nationen ist es politisch grundlegend anders gelenkt und weißt ein äußerst<br />

unterschiedliches soziales Wertesystem auf. Diese Tatsachen weckten in mir das Interesse,<br />

dieses Land näher kennenzulernen.<br />

Meine Wahl fiel auf das wie oft von Chinesen bezeichnete „Herz Chinas“ <strong>Peking</strong>, das<br />

kulturelle, politische und wissenschaftliche Zentrum des Landes. Die Metropole bietet über 80<br />

Universitäten, welche von internationalen Studierenden von offizieller Seite aus besucht<br />

werden dürfen. Ursprünglich viel meine Wahl auf eine andere Universität, bei welcher man<br />

mir zu Beginn meiner durch Sprachbarrieren nicht immer einfachen Recherchen die Auskunft<br />

gab, dass die von mir gewählten Kurse in Englisch verfügbar wären. Als mir jedoch nach<br />

erfolgreicher Bewerbung am Austauschprogramm 4 Monate vor Vorlesungsbeginn mitgeteilt<br />

wurde, dass diese Kurse aufgrund überfüllter Räumlichkeiten fast ausnahmslos nicht<br />

angeboten werden könnten, habe ich mich für die „Beijing University of Aeronautics and<br />

Astronautics“, oder auch „<strong>Beihang</strong> University“ genannt, entschieden. Mir war es wichtig,<br />

trotz des Auslandsaufenthaltes anerkennbare Prüfungen zu absolvieren, um mein Studium<br />

nicht in die Länge zu ziehen.<br />

Die <strong>Beihang</strong> University gilt in China als eine der besten Universitäten im Bereich Luft- und<br />

Raumfahrttechnik und bietet eine, für viele chinesische Universitäten untypisch hohe Anzahl<br />

an englischsprachigen Vorlesungen an. Des Weiteren ist sie Partneruniversität meiner<br />

Heimatuniversität und ein Austausch konnte so reibungslos realisiert werden.<br />

3. Vorbereitungen vor dem Aufenthalt<br />

3.1 Finanzierung und Stipendium<br />

Bei der Planung eines solchen Aufenthalts sollte man sich zuerst um eine ausreichende,<br />

finanzielle Deckung kümmern. Hier empfehle ich jedem, sich bei einer entsprechenden<br />

Organisation für ein Auslandsstipendium zu bewerben. Das Bayerische Hochschulzentrum für<br />

China bietet hier eine hervorragende Unterstützung für bayerische Studierende, welche ein<br />

Studium oder ein Praktikum in der Volksrepublik China absolvieren wollen.<br />

2


Durch die erfolgreiche Aufnahme in das Programm konnte ich nicht nur die hohen Kosten<br />

meines Fluges decken, sondern mit den monatlichen Zuschüssen auch einen Großteil der<br />

anfallenden Lebensmittelkosten begleichen. Hierdurch erhält man den Luxus und die<br />

Möglichkeit, sich vollkommen auf seine Vorlesungen, die bewerteten Hausaufgaben und<br />

Projekte konzentrieren zu können, ohne notwendigerweise im Gastland auf Nebenjobs<br />

zurückgreifen zu müssen.<br />

3.2 Impfungen<br />

Bei einem längeren Aufenthalt in der Volksrepublik China sollte man sich rechtzeitig auf den<br />

entsprechenden Seiten des Auswärtigen Amtes bezüglich der Impfungen erkundigen. Ich war<br />

gegen alle empfohlenen Krankheiten bis auf „Japanische Enzephalitis“ geimpft, da diese<br />

hauptsächlich durch Mücken übertragen wird, welche in meinem Studienzeitraum eher<br />

seltener anzutreffen sind. Doch hier muss jeder persönlich entscheiden, welches Risiko er<br />

eingehen will.<br />

3.3 Flug<br />

Die Zusage der Universität kam bei mir erst etwa 1,5 Monate vor Vorlesungsbeginn. Den<br />

Flug sollte man meiner Erfahrung nach mindestens 3 Monate im Voraus buchen, andererseits<br />

geht man so jedoch ein gewisses Risiko ein. Für das Ticket von München aus hin und zurück<br />

habe ich 641,26 Euro bei Qatar Airways mit einem 7 stündigen Zwischenaufenthalt in Doha<br />

bezahlt. Alternativ könnte man auch immer zu der chinesischen Millionenstadt Tianjin<br />

fliegen, um von dort aus für derzeit 6,80 Euro mit dem Schnellzug bei einer<br />

Höchstgeschwindigkeit von 350 km/h in 30 Minuten nach <strong>Peking</strong> zu fahren.<br />

3.4 Visum<br />

Für die Einreise in die Volksrepublik China wird ein Visum benötigt. Zur Beschaffung kann<br />

man entweder persönlich zu den zuständigen Stellen gehen oder eine private Firma damit<br />

beauftragen. Im ersten Falle müssen dabei zunächst alle erforderlichen Dokumente inklusive<br />

der Immatrikulationsbestätigung der chinesischen Universität an das zuständige Amt gebracht<br />

werden. Daher kann dieser Schritt auch erst nach der offiziellen Zusage durch die<br />

Partneruniversität erfolgen. Nach einer Bearbeitungsdauer von in meinem Fall 4 Tagen kann<br />

dann das für 6 Monate gültige Studentenvisum abgeholt werden, der Preis beträgt derzeit für<br />

eine einmalige Einreise 30 Euro. In München befindet sich beispielsweise das<br />

„Generalkonsulat der Volksrepublik China in München“, bei welchem das Visum beantragt<br />

werden kann.<br />

3.5 Auslandskrankenversicherung<br />

Eine Auslandskrankenversicherung hätte ich mir bei der Vorbereitung sparen können, da sie<br />

während einer der Einführungstermine an der <strong>Beihang</strong> University abgeschlossen wird. Die<br />

Universität hat dazu einen Vertrag mit einem chinesischen Versicherungsunternehmen<br />

geschlossen, bei welcher sich jeder Austauschstudierende registriert. Der Preis für die<br />

Auslandsversicherung für ein Semester liegt bei etwa 38 Euro.<br />

3


3.6 Sprache<br />

Sprachlich vorbereitet habe ich mich durch die Teilnahme an den, von meiner<br />

Heimatuniversität im Sprachzentrum angebotenen, jeweils einsemestrigen Kursen<br />

„Chinesisch Grundstufe I“, „Chinesisch Grundstufe II“ sowie „English-Intercultural<br />

Communications“. Ich kann jedem Interessenten nur empfehlen, sich im Voraus mit<br />

Chinesisch intensiv auseinanderzusetzen – besonders außerhalb der Universität sprechen nur<br />

sehr wenige <strong>Peking</strong>er Englisch. Gutes Chinesisch zu lernen erfordert sehr viel Zeit, man sollte<br />

den Lernprozess daher langfristig planen. Den genannten Englischkurs habe ich gewählt,<br />

einerseits, um mein Englisch aufzufrischen und andererseits, um an möglichst viel<br />

Theoriewissen bezüglich Kommunikationstechniken und Ausdrucksweisen in anderen<br />

Ländern mitzubringen. Solch ein Kurs ist für Interessierte zu empfehlen, jedoch nicht<br />

unbedingt notwendig.<br />

3.7 Kreditkarte<br />

Wer noch keine Kreditkarte hat, sollte sich rechtzeitig vor dem Aufenthalt eine solche<br />

zulegen. Empfehlen kann ich hier die Visa-Karte der Comdirect Bank, welche bei der<br />

Kontoeröffnung kostenlos an Kunden ausgeliefert wird und des Weiteren auch ein kostenloses<br />

Bargeldabheben weltweit ermöglicht.<br />

Bei der Eröffnungszeremonie in China wurde stark empfohlen, sich auch ein Konto bei der<br />

chinesischen ICBC Bank mit einer Zentrale auf dem Campus zu eröffnen. Ich habe dies zwar<br />

getan, jedoch das Konto nie genutzt und am Ende wieder gekündigt. Der einzige Vorteil<br />

bestand bei mir letztendlich darin, dass man ein zweites Reservekonto hatte, sollte man seine<br />

Visa-Karte tatsächlich verlieren und dringend Bargeld benötigen.<br />

3.8 Wohnung<br />

Wichtig ist auch, dass man sich rechtzeitig bei einem der Wohnheime für internationale<br />

Studierende, z.B. im „Da Yun Cun“, um eine Unterkunft bewirbt. Dieses liegt direkt auf dem<br />

Campus, eine Single-Wohnung kostet etwa 140 Euro pro Monat. Die gleiche Wohnung kann<br />

man jedoch auch als Shared-Wohnung mieten zu einem Preis von 72 Euro pro Person.<br />

Die Organisation einer Privatwohnung in <strong>Peking</strong> außerhalb der Universität würde ich, gerade<br />

für Sprachanfänger, nicht empfehlen. Außerdem liegt man dort schnell bei dem 3-4 fachen<br />

des Preises des Studentenwohnheims und verliert wohl auch ein wenig den täglichen<br />

Austausch zu anderen internationalen Studierenden aus aller Welt, welchen ich heute als sehr<br />

wertvoll ansehe.<br />

Sollte man vor offiziellem Wohnungseinlass in <strong>Peking</strong> ankommen, ist es ratsam, sich ein<br />

Hotel im Voraus zu reservieren. Ich bin mit einer chinesischen Freundin einen Tag vor<br />

Einlass angereist und wir haben das Green Tree Hotel gebucht, welches sich nur etwa 1,5 km<br />

von der <strong>Beihang</strong> University befindet. Diese Hotelkette bietet westlichen Standard zu Preisen<br />

von etwa 22 Euro pro Nacht und Zimmer. Vorsicht: Nicht jedes Hotel in China ist auch<br />

berechtigt, Ausländer einzulassen. Dies ist unbedingt im Voraus abzuklären, wenn man nicht<br />

mit vollem Gepäck die Hotelsuche starten will!<br />

4


Des Weiteren empfehle ich im Voraus, einen geeigneten Zwischenmieter für die eigene<br />

Heimatsmietwohnung zu finden. An meiner Heimatuniversität kann man sich beispielsweise<br />

auch im Büro für internationale Angelegenheiten erkundigen, ob es Austauschstudierende<br />

gibt, welche eventuell gerade für diese Zeit ein Zimmer benötigen.<br />

4. Ankunft in <strong>Peking</strong><br />

Sobald man in <strong>Peking</strong> am Flughafen angekommen und die Sicherheitskontrollen passiert hat,<br />

sollte man sich zunächst Zugang zu Bargeld verschaffen. Hier bietet es sich an, entweder an<br />

den Automaten direkt Geld abzuheben, oder am Flughafen übriges Bargeld in chinesische<br />

Yuan zu wechseln. Bei letzterem muss man jedoch mit einem teureren Wechselkurs rechnen.<br />

Danach kann man sich ein Taxi besorgen und für etwa 11 Euro zur <strong>Beihang</strong> University<br />

fahren. Hier sollte man darauf achten, dass man ein legales Taxi erwischt, welches ein<br />

eingeschaltetes Taxameter verwendet. Sollte keines verfügbar sein, kann man notfalls auch<br />

auf andere, häufig wartende Fahrer zurückgreifen, welche einen Festpreis für die Fahrt<br />

anbieten. Dieser liegt in der Regel erst einmal deutlich über dem Normalpreis – mit ein wenig<br />

Freundlichkeit, Geschick und Glück lässt sich dieser jedoch – wie viele Preise bei<br />

Kleinunternehmen oder Privatleuten in <strong>Peking</strong> - meist stark herunterhandeln.<br />

Auf der achtspurigen Autobahn angekommen und die Umgebung beobachtend fühlt man dann<br />

zum ersten Mal die tatsächlichen Ausmaße einer Stadt, in der inklusive zugehöriger<br />

Metropolregion etwa so viele Einwohner leben, wie in Bayern und Österreich zusammen.<br />

Angekommen am Hotel haben wir den ersten Tag hauptsächlich mit dem Auskundschaften<br />

des großflächigen Universitätsgeländes verbracht und am nächsten Morgen war ich pünktlich<br />

zur Registrierung und Wohnungszuteilung um 9 Uhr morgens am „Dormitory 2“.<br />

5. Das Studentenleben an der <strong>Beihang</strong> University<br />

5.1 Der Universitätscampus<br />

Die folgende Karte zeigt den Aufbau des Campus der <strong>Beihang</strong> University, das „Dormitory 2“<br />

ist mit „1“ bezeichnet. Nach erfolgreicher Registrierung und der Hinterlegung von etwa 50<br />

Euro Kaution kann man ins internationale Studentenwohnheim „Da Yun Cun“, „2“ im<br />

Südwesten des Campus einziehen. Der Campus beinhaltet des Weiteren auch nahezu alles,<br />

was man im Alltag so benötigt. Einige dieser Einrichtungen gehören jedoch nicht der <strong>Beihang</strong><br />

University und sind daher auf der offiziellen Karte nicht eingezeichnet, wodurch man diese<br />

meist nur durch Hinweise von Mitstudenten oder längerem Auskundschaften findet. Aus<br />

diesem Grunde habe ich für künftige Studierende hier das für mich im Alltag Wichtigste<br />

zusammengefasst und in der Karte markiert.<br />

5


Der Campus der Beijing University of Aeronautics and Astronautics<br />

- Supermärkte (3) - Mensagebäude (9)<br />

- Krankenhaus (4) - ICBC Bank (10), Geldautomaten (11)<br />

- Friseure (5) - Sporteinrichtungen (12) , Schwimmbad (13), Fitnesscenter (14)<br />

- Wäschereien (6) - Parks und Grünflächen (15)<br />

- Copy-Shops (7) - Bibliothek und die „International School“ (16)<br />

- Restaurants (8) - Das „New Main Building“ (17)<br />

6


5.2 Das internationale Studentenwohnheim „Da Yun Cun“<br />

Schon während der Zimmerzuweisung machte ich zufälligerweise Bekanntschaft mit einem<br />

Spanier, bei welchem sich später herausstellte, das er mein zukünftiger Zimmerkollege wird.<br />

Gemeinsam bezogen wir dann die neue Wohnung, welche 2 geschätzte 20 m 2 große Zimmer<br />

mit jeweils 2 Betten, 2 Schränken, 2 Schreibtischen, 1 Klimaanlage und einem großen Fenster<br />

enthält. Zudem gibt es einen Gang und zwei Bäder, womit die gesamte Wohnung von 4<br />

Personen genutzt werden kann. Dazu gab es noch einen Kühlschrank, und einen<br />

Wasserspender, da das Leitungswasser in <strong>Peking</strong> nur in abgekochtem Zustand trinkbar ist .<br />

Zu unserem Apartment gesellten sich noch ein Franzose und ein Amerikaner - ich nehme an<br />

dass die Verwaltung sich darum kümmert, Studierende mit ähnlichem kulturellem<br />

Hintergrund in denselben Wohnungen unterzubringen. Denn schon bei den ersten<br />

Erkundungen durch das Haus stellte ich fest, dass auch Studierende aus Ländern und Kulturen<br />

hier wohnen, mit denen ich noch nahezu nie konfrontiert wurde. Indonesier, Malaien,<br />

Kasachstaner, Ägypter, Russen und allem voran Pakistaner waren hier vertreten. Dies hängt<br />

vor allem mit den guten politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der<br />

Volksrepublik China und Pakistan zusammen, entsprechend werden, nach den Angaben<br />

meiner pakistanischen Freunde, besonders viele Stipendien an die Studierenden<br />

weitergegeben. Des Weiteren gab es auch viele Europäer auf meinem Stockwerk, unter<br />

anderem aus Italien, Polen, Frankreich, Spanien, aber auch einige Deutsche waren vertreten.<br />

Das Leben in diesem Wohnheim war besonders interessant. Man lernt unglaublich viel über<br />

die verschiedenen Länder, Sitten und Traditionen, sowie die jeweiligen aktuellen Probleme<br />

sowie technische und wirtschaftliche Fortschritte aus erster Hand. Dabei erkennt und erfährt<br />

man die teils extremen kulturellen Unterschiede in verschiedensten Ausprägungsformen,<br />

gerade gegenüber in vom Islam geprägten Ländern. Man erhält immer mehr die Fähigkeit,<br />

alleine vom Aussehen und Englischakzent der verschiedenen Personen, diese zu Ländern der<br />

Welt zuordnen zu können und die kulturellen Hintergründe abzuschätzen, um dann in der<br />

Lage zu sein, sich um passende Umgangsformen zu bemühen. Dies ist eine sehr schöne Art<br />

des Lernens während man sich nebenbei mit der Zeit einen umfangreichen, internationalen<br />

Freundeskreis aufbaut, der einen persönlich sehr bereichert.<br />

5.3 Vorlesungen und Betreuung<br />

Kurz darauf fanden auch schon die Einführungsveranstaltung für alle international<br />

Studierenden im „New Main Building“ statt. Dies ist ein Neubau, welcher, wie man hier stolz<br />

erzählt, das flächenmäßig größte universitäre Lehrgebäude Chinas darstellt. Bei der<br />

Veranstaltung werden dann Filme sowie Vorträge über die <strong>Beihang</strong> University präsentiert,<br />

welche die herausragende Stellung in Chinas Forschung und Lehre darstellen. Außerdem<br />

bekamen wir alle wichtigen Informationen zur Studienorganisation und einen persönlichen<br />

Betreuer, einen Professor der <strong>Beihang</strong> University, zugeteilt. Mit diesem kommt man dann im<br />

Anschluss ins Gespräch und erstellt einen individuellen Stundenplan. Diesen hatte ich jedoch<br />

bereits im Voraus festgesetzt, mein betreuender Professor gab dazu lediglich einführende<br />

Worte und seine Unterschrift.<br />

7


Für weitere Formalien folgten mehrere Besuche bei der „International School“, welche neben<br />

dem persönlichen Betreuer auch stets als Ansprechpartner für organisatorische Fragen<br />

hilfsbereit zur Seite stand.<br />

Entgegen meiner Befürchtungen durch vorher gelesene <strong>Erfahrungsbericht</strong>e war das English<br />

der Dozenten zwar nicht immer perfekt, jedoch in ausreichendem Maße verständlich. Für die<br />

vielen internationalen Studierenden finden von den chinesischen Kommilitonen gesonderte<br />

Vorlesungen statt. In einem Kurs sitzen meist etwa 10 Studierende, was das Verhältnis zum<br />

vortragenden Professor stärkt und eine viel persönlichere Arbeitsatmosphäre schafft, als dies<br />

in Deutschland der Fall ist. Benotet werden die Kurse in einer Skala von 60-100, alle Werte<br />

oberhalb von 60 gelten dabei als „Bestanden“. Die Noten setzen sich, ähnlich wie in<br />

Deutschland, aus Zwischenprüfungen, Abschlussprüfungen, bewerteten Hausaufgaben,<br />

Zwischenvorträgen oder Abschlussprojekten zusammen. Ich habe hier insgesamt 6 Fächer<br />

belegt, was etwa dem Semesterpensum von chinesischen Studierenden entspricht.<br />

Das Fach „Computer Communication Networks“ erläutert verschiedene Möglichkeiten des<br />

Netzwerkdesigns und stellt grundlegende Architekturen und aktuelle Trends vor.<br />

Verschiedene Methoden der Performance Analyse und Datenprotokolle werden behandelt und<br />

mit Hausaufgaben, Zwischen- und Abschlussklausur bewertet.<br />

In meinem zweiten Fach „Object Oriented Programming (Java)“ hatte ich die Möglichkeit,<br />

meine während verschiedener Praktika gewonnen Fähigkeiten in der Programmiersprache<br />

Java akademisch weiterzuvertiefen. Meine Heimatuniversität bietet hier in meinem gewählten<br />

Masterstudiengang zu diesem wichtigen Thema leider keine Vorlesung an. Der durchaus<br />

empfehlenswerte Kurs gibt anschaulich eine Einführung über die Grundstrukturen der<br />

objektorientierten Programmierung, steigt jedoch relativ zügig aus dem Anfängerniveau tiefer<br />

in das Themengebiet rund um Java ein, während stets alles theoretisch Erklärte auch in der<br />

integrierten Entwicklungsumgebung „Eclipse“ demonstriert wird. Abgeschlossen habe ich<br />

diesen Kurs mit einem Abschlussprojekt zur Spieleentwicklung in Java mittels der<br />

Softwarebibliothek „Slick“.<br />

In der Vorlesung „Micro Computer Theory and Application“ lernte ich hingegen verschiedene<br />

Architekturen von CPUs kennen. Im speziellen wurde die Intel 8086 Familie behandelt und<br />

die Programmierungsmethoden anhand von Projekten der Studierenden vertieft. Ich<br />

absolvierte diesen Kurs mit einer praktischen Projektarbeit zu dem Thema „Höhere<br />

arithmetische Operationen mit Intels 8086 Mikroprozessor“.<br />

Der Kurs „Software Engineering“ behandelt dagegen sehr theoretisch Themen wie z.B. das<br />

Schreiben eines Designdokuments, die Planung und Strukturierung von größeren<br />

Programmierprojekten sowie die Vorgehensweise beim Erstellen von Softwaretestplänen. Mit<br />

diesem Wissen entwickelte ich zusammen mit einer südafrikanischen und zwei pakistanischen<br />

Studierenden als Abschlussarbeit eine Datenverschlüsselungssoftware in der<br />

Programmiersprache C. Fasziniert hat mich hier neben dem für mich neuen technischen<br />

Fachgebiet vor allem die gänzlich unterschiedliche und sehr pragmatische Arbeitsweise der<br />

pakistanischen Kommilitonen, welche stark im Gegensatz zur perfektionistischeren und<br />

dadurch wesentlich langsameren Herangehensweise der Deutschen steht.<br />

8


Unsere gemeinsamen Arbeiten mussten jedoch regelmäßig für 5-10 Minuten unterbrochen<br />

werden, an denen die pakistanischen Kommilitonen neben den anderen Anwesenden im<br />

Rechnerraum Teppiche zum Vorschein holten, um in Richtung Mekka zu beten - um nur eine<br />

von vielen aufgetretenen interkulturellen Anekdoten zu nennen.<br />

„Digital Image and Video Processing“ vermittelt hingegen unter anderem verschiedene<br />

Methoden der Bildverarbeitung, Vektor- und Skalarquantisierung sowie moderne<br />

Kompressionsmethoden. Ich beendete das Fach mit einer Projektarbeit über das Thema<br />

„Digital image data compression via JPEG“.<br />

Besonders aber möchte ich jedem Austauschstudierenden den Kurs „Chinese (Level I)“<br />

nahelegen, in welchem das alltäglich benötigte Chinesisch nähergebracht wird. Dieser Kurs<br />

ist, im Gegensatz zu meinen bisher gehörten Chinesischkursen, hervorragend auf die<br />

alltäglichen Bedürfnisse der Austauschstudierenden abgestimmt und half mir ungemein, mich<br />

auch ohne die Hilfe von chinesischen Freunden sehr schnell zurechtzufinden. Daneben wird<br />

auch im Speziellen der <strong>Peking</strong>er Dialekt nähergebracht, welcher von den meisten <strong>Peking</strong>ern<br />

gesprochen wird.<br />

5.4 Die chinesische Kultur – Das Leben in einer anderen Welt<br />

China ist anders – und das spiegelt sich wieder in sehr vielen Lebensbereichen. In China gibt<br />

es nahezu keine direkte Kritik an eine im Raum anwesende dritte Person, es wird stets<br />

versucht, das Gute an einer Sache zu finden anstatt Negatives direkt anzusprechen. Es gilt, das<br />

Gesicht des Anderen zu bewahren anstatt ihm zu zeigen, wie falsch er liegt. Ist es wirklich<br />

unausweichlich, so spricht man meist von „nicht so gut“ anstelle von Worten wie „schlecht“<br />

oder „schlimm“. Des Weiteren wird selten ein klares „Nein“ gesprochen, viel mehr wird<br />

konstruktiv verhandelt und sollte etwas wirklich nicht möglich sein, so wird dies lange und<br />

ausführlich begründet. Diese höflichen Umgangsformen machten es sehr angenehm, mit den<br />

Chinesen, welche ich während meiner Zeit kennenlernen durfte, zu arbeiten.<br />

Aufgrund von jeder Menge günstiger Restaurants, Mensagebäuden die 3 mal täglich warme<br />

Mahlzeiten anbieten und einer fehlenden Küchenausstattung in den Wohnungen wird unter<br />

den Studierenden nahezu nicht gekocht. Schon beim Frühstück haben wir uns, wie viele<br />

Chinesen meistens an einem der unzähligen kleinen Läden oder Straßenhändlern auf dem<br />

Weg zu den Hörsälen mit chinesischen Spezialitäten wie „Baozi“, „Jiaozi“ (Teigtaschen<br />

ähnlich der deutschen Maultasche) oder anderen zuvor noch nie gesehenen Produkten<br />

versorgt. Hier gilt es mutig zu sein und die verschiedenen Gerichte auszuprobieren – das<br />

meiste davon ist auch für Europäer sehr schmackhaft. Alternativ dazu kann man sich an jedem<br />

Ort warme Malzeiten zu günstigen Preisen liefern lassen.<br />

Das Trinkwasser für die Wasserspender in der Wohnung muss ebenfalls immer wieder durch<br />

einen Angestellten in Kanistern angeliefert werden. Generell erkennt man in China schnell,<br />

dass aufgrund der niedrigen Kosten des „Produktionsfaktors Mensch“ praktisch überall<br />

Reinigungspersonal, Wächter und andere angestellte Arbeitskräfte nach deutschem Maßstab<br />

im Überfluss vorhanden sind, was auf der anderen Seite jedoch seinen Beitrag zu der derzeit<br />

nach offiziellen Angaben vergleichsweise geringen Arbeitslosenquote von 4,1 % führt.<br />

9


Chinesische Studierende arbeiten viel und das an nahezu jedem Ort. Man sieht sie häufig<br />

neben den klassischen Räumlichkeiten wie in Hörsälen, Bibliotheken und Rechnerräumen<br />

auch in Restaurants, Cafés, und Sportplätzen alleine oder in Gruppen beim Lernen. Dies liegt<br />

vor allem daran, dass die Zimmer oft von bis zu 4-6 Personen gleichzeitig bewohnt werden,<br />

sodass ein ruhiger Lernplatz dort selten verfügbar ist.<br />

Während des Universitätsalltags ist es meist nicht schwer, bei den chinesischen Studierenden<br />

Anschluss zu finden. Trotz des zeitintensiven Studiums sind viele Studierende sehr daran<br />

interessiert, mit Ausländern zu sprechen, um die eigenen Englischkenntnisse aufzubessern. So<br />

bildete sich schnell ein neuer chinesischer Freundeskreis, welcher einen mittags und abends<br />

während des Studiums in der Bibliothek immer gerne zum Essen überredete, wobei nach<br />

chinesischer Gastfreundschaft auch stets versucht wurde, das Essen des Gastes zu bezahlen.<br />

Die vielen Gespräche haben mir sehr geholfen, die häufig anfangs so unvorhersehbaren<br />

Reaktionen und Denkweisen von Chinesen im Nachhinein verstehen und angemessen<br />

bewerten zu können. Dies geht über Ausdrucksweisen und Verhaltensmuster bis hin zur<br />

Bedeutung verschiedener Gesichtsausdrücke, welche sich interessanterweise teils sehr von<br />

den Deutschen unterscheiden.<br />

In Bezug auf den wirtschaftlichen Fortschritt ist man sehr stolz auf sein Land, die Regierung<br />

wird hingegen gerne unter vorgehaltener Hand aufgrund von Korruption und Steuern<br />

kritisiert. Bei einem meiner Gespräche mit einem Professor zu diesem Thema begann dieser<br />

zwar offen mit mir zu diskutieren, tat dies jedoch erst, nachdem er sich noch einmal<br />

vergewissert hatte, dass die Türe geschlossen war. Bei all der Kritik dürfe man auch nie<br />

vergessen, dass die neue chinesische Führung es geschafft hat, eine beeindruckend hohe Zahl<br />

an Menschen innerhalb kürzester Zeit aus der Hungernot in den Wohlstand zu bringen.<br />

5.5 Die Stadt <strong>Peking</strong><br />

<strong>Peking</strong> ist eine unglaublich abwechslungsreiche Stadt, welche auf der einen Seite aufwartet<br />

mit riesigen, schillernden Einkaufsstraßen, modernen Wolkenkratzern und einzigartigen<br />

neuzeitlichen Bauwerken wie dem Olympiazentrum oder das chinesische Nationaltheater.<br />

Daneben können jedoch auch weltweit bekannte, historische Bauten wie die Verbotene Stadt,<br />

der Platz des himmlischen Friedens oder die chinesische Mauer besichtigt werden.<br />

Durch die Metropole verläuft das mit 456 km längste U-bahnnetz der Welt, welches in der<br />

Hauptverkehrszeit im 3 bis 4 Minuten Takt abfährt. Mit einem Ticket für etwa 25 Eurocent<br />

kann man beliebig weit durch die ganze Stadt fahren, bis man sein Ziel erreicht hat und das<br />

U-bahngeschoss wieder verlässt. Alternativ kann man auch stets, ohne lange zu warten, auf<br />

eine der vielen günstigen Taxis zurückgreifen, welche rund um die Uhr durch <strong>Peking</strong> fahren.<br />

Des Weiteren steht im Nahverkehrsbereich auch ein preisgünstiges Bussystem zur Verfügung.<br />

Was mich während meines Aufenthalts in <strong>Peking</strong> persönlich jedoch gestört hat, war die<br />

Luftqualität an vereinzelten Tagen im Dezember, allem voran aber im Januar. Durch über<br />

lange Zeit ausbleibende Regenfälle und Winde kam es hier zu einem in <strong>Peking</strong> vorher noch<br />

nie gemessenem, hohen Wert an Feinstaubbelastung in der Luft. Um einen besseren Eindruck<br />

dieser Situation zu vermitteln, habe ich ein Foto aus dem Studentenwohnheim geschossen und<br />

in der Bildersammlung im Anhang neben einem Foto an einem schönen Tag hinzugefügt.<br />

10


6. Fazit<br />

<strong>Peking</strong> hat mich begeistert, vom ersten Tage bis zum letzten. Die vielen neuen und<br />

unerwarteten Erfahrungen haben mich nicht nur persönlich weitergebildet, sondern auch noch<br />

jede Menge Spaß gemacht. Durch das internationale Umfeld erhält man einen gänzlich<br />

anderen und viel tiefgreifenderen Eindruck von der Welt, als man es von teils sehr<br />

oberflächlichen westlichen Medien oder Urlaubsreisen vermittelt bekommen könnte. Die<br />

Stadt <strong>Peking</strong> dagegen hat so viel zu bieten, dass Monotonie und Langeweile nahezu nie<br />

aufkam. Ich konnte jeden Tag vor allem auch neben dem Studium außerfachlich dazulernen,<br />

mein Chinesisch deutlich verbessern, mein Englisch perfektionieren, meine Ingenieurskurse<br />

erfolgreich absolvieren und das in einem freundlichen und höflichen Umfeld, wie ich es so in<br />

noch keinem westlichen Land erfahren habe.<br />

Während meines Aufenthalts in <strong>Peking</strong> kam ich aufgrund des zeitintensiven Studiums kaum<br />

zu größeren Reisen, ich habe hier lediglich die Städte Shanghai und Tianjin besucht.<br />

Aufgrund meiner Begeisterung an Asien absolvierte ich in den Semesterferien jedoch spontan<br />

ein Praktikum in Singapur. Von hier aus habe ich unter anderem Hong Kong oder die<br />

malaysische Hauptstadt Kuala Lumpur besucht und möchte abschließend sagen, dass mir die<br />

Zeit in <strong>Peking</strong> aufgrund der Abwechslung von Tradition und Moderne, sowie vor allem auch<br />

der motivierten und höflichen Menschen dort, am besten gefallen hat. Die Stadt hat etwas<br />

Einzigartiges und ich bin mir heute sicher, dass dies nicht mein letzter Besuch im Herzen<br />

Chinas war.<br />

An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bedanken bei allen Organisatoren meines<br />

Austauschprogramms, meinen interessierten chinesischen Betreuer, sowie vor allem allen<br />

Beteiligten des Bayerischen Hochschulzentrums für China. Die finanzielle Unterstützung und<br />

die Bereitstellung von <strong>Erfahrungsbericht</strong>en und Kontakten zu anderen Stipendiaten waren<br />

eine große Hilfe.<br />

7. Kontaktpersonen<br />

Vielen Dank für diese wunderschöne Zeit.<br />

Allgemeine Angelegenheiten und Wohnen: Mr. Su Li - suli@buaa.edu.cn<br />

Vorlesungsbetrieb: Ms. Guo Yuanyuan - gyy@buaa.edu.cn<br />

Koordinatoren des Austauschprogramms: Ms. Peng Jin -pengjin@buaa.edu.cn<br />

11<br />

Ms. Jiang Yue - jiangyue@buaa.edu.cn<br />

Leiter des Foreign Students Affairs Office: Ms. Gao Xia - fso@buaa.edu.cn


Chaoyang District<br />

Chinesisches Nationaltheater „The Place“<br />

Nationalstadion Nationales Schwimmzentrum<br />

Ni hao!<br />

Paulaner Bräuhaus<br />

Tor des himmlischen Friedens Chinesische Mauer<br />

12<br />

IBM Tower


„Verbotene Stadt“<br />

Studentenwohnheim „Da Yun Cun“<br />

„Baozi“<br />

Steinlöwe<br />

Typisches<br />

Mensa-<br />

gericht<br />

Absolventen<br />

13<br />

…an einigen Tagen im Januar 2013<br />

Campus Park<br />

„Main Building“<br />

Sporthalle<br />

„New Main Building“<br />

Chinesischer<br />

Schneemann<br />

Bibliothek<br />

Konfuzius

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