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Krisenintervention aus systemischer Sicht Handeln ... - AvenirSocial

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stellvertretend für ihre alkoholisch abgemeldete Mutter.<br />

Unweigerlich gingen mir dabei die Scheidungsmythen durch den Kopf, wie sie von der<br />

US−Forscherin Judith S. Wallerstein beschrieben werden (Wallerstein, 2002). Während 25 Jahren<br />

hat sie ursprünglich 131 Scheidungskinder (= Kinder geschiedener Eltern) und deren Familien nach<br />

den Folgen der elterlichen Scheidung befragt. Ein auch hierzulande verbreiteter Mythos geht dahin,<br />

dass Kinder nach der Scheidung ihrer Eltern glücklicher sind, sobald sie erfahren würden, dass nun<br />

die Eltern je allein oder mit neuen Partnern zufriedener seien als vor der Scheidung, und dass das<br />

Unglück für die Kinder nur vorübergehender Natur sei. Dies hat die Autorin als einen Irrglauben der<br />

Erwachsenen entlarvt, die auf diese Weise – unabhängig von den wahren Verhältnissen – ihre<br />

Schuldgefühle auf Kosten der Kinder regulierten. In diesen Untersuchungen entpuppte sich die<br />

Scheidung der Eltern für die Mehrzahl der Scheidungskinder als eine ihr Leben verändernde,<br />

‚langwährende Krise’ (a.a.O. S. 30).<br />

<strong>Krisenintervention</strong> − eine systemische Perspektive<br />

<strong>Krisenintervention</strong> ist die professionelle Antwort auf eine Krise und umfasst alle fachlichen<br />

Massnahmen von <strong>aus</strong>sen, deren Zweck es ist, die Krise zu unterbrechen, zu verhindern,<br />

abzuwenden oder zu bewältigen, ehe sie in eine Katastrophe mündet. Ziel der <strong>Krisenintervention</strong> ist<br />

es, einerseits dauerhaften Schaden zu verhindern und anderseits eine möglichst nachhaltige<br />

präventive Wirkung zu erzielen.<br />

SystemikerInnen sprechen eher von ‚Krisenbegleitung’ denn von ‚−intervention’, da letzteres zu<br />

sehr die Fachperson als ExpertIn hervor streicht, die immer am besten – auf jeden Fall besser als<br />

die Hilfesuchenden selbst – weiss, was zu tun ist (Egidi u. Boxbücher, 1996). Das heisst indessen<br />

nicht, dass die SystemikerIn im Anblick der Not die Hände in den Schoss legt und, statt<br />

anzupacken, intellektuell raffinierte Fragen stellt. Vielmehr orientiert sie sich primär am Kontext der<br />

Krise, und das sind meist andere, für die hilfesuchende Person bedeutungsvolle Menschen, die<br />

wechselwirkend an der Krise teilhaben, sei es durch aktives Mittun, sei es durch Unterlassungen<br />

oder Abwesenheiten. Daher behält die SystemikerIn stets beides im Auge, einerseits den<br />

lebensbedrohlichen Notfall, der die lebensrettende Sozialkontrolle verlangt und keinen<br />

Interventionsaufschub erlaubt, und anderseits die in der Krise nicht genutzten Kompetenzen und<br />

Ressourcen der Menschen, die durch einen fachlichen Aktivismus nur noch hilfloser gemacht<br />

würden.<br />

Einen weiterführenden Kontext herstellen<br />

Ich kannte das Einzelkind Sara L. im Zusammenhang mit der Paartherapie der Eltern, die mich<br />

aufsuchten, nachdem der Vater die Mutter wegen einer andern Frau verlassen hatte. Während es<br />

der Mutter um nichts weniger als die Rettung der Ehe und Familie ging, erschien der Vater einzig<br />

zum Zweck, unter ‚objektiven Bedingungen’ eine optimale Besuchsregelung bezüglich Sara<br />

<strong>aus</strong>zuhandeln. Er blieb denn auch bald den gemeinsamen Sitzungen fern. Insofern schwebte eine<br />

zusätzliche Tragik über den ohnehin schon zerrütteten Verhältnissen, als die Freundin des Vaters<br />

seit kurzem die Diagnose einer Krebserkrankung zu erdulden hatte. Als ich am Telefon Saras<br />

verzweifelte Stimme hörte, schien es mir, als fände darin all das Leid der Familie seinen<br />

unerträglichen Ausdruck.<br />

Therapeut (während Sara schluchzt): Es tut mir so leid, Sara … es tut mir so leid … und ich danke<br />

dir, dass du dich gemeldet hast ... Das ist nicht selbstverständlich. Es ist gut, dass du weinen<br />

kannst … Wo bist du jetzt?<br />

Sara: Vor dem H<strong>aus</strong> ... Ich kann doch meine Mutter nicht da sitzen lassen ... Im Sozialdienst war<br />

der Anrufbeantworter drin. Die sind erst morgen wieder da.<br />

Therapeut: Hast du noch genügend Batterie in deinem Handy?<br />

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